Zweite Liga:Dann halt im vierten Versuch

Lesezeit: 2 min

Feiner Heber aus vollem Sprint: Stuttgarts Stürmer Simon Terodde (links) lupft den Ball über Bielefelds Torwart Daniel Davari hinweg ins Tor. (Foto: Kurth/imago)

Je älter, desto cooler: Stürmer Simon Terodde rettet dem VfB Stuttgart erneut drei Punkte. Nun hofft er auf den Aufstieg - und sein erstes Bundesliga-Tor.

Von Matthias Schmid, Bielefeld/München

Simon Terodde ist einer der wenigen professionellen Fußballer, die sich aufs Älterwerden freuen. Denn der Stürmer des VfB Stuttgart erlebt im Selbststudium gerade mit, dass Alter kein limitierender Faktor sein muss, sondern einen Sportler jeden Tag sogar ein bisschen besser machen kann, in Kopf und Beinen. "Gerade auf meiner Position schadet eine Portion Erfahrung nicht", hat der 29-Jährige neulich in einem Interview erzählt. Terodde ist in der Tat ein Phänomen, vor sechs Jahren dachte er auf der Ersatzbank des 1. FC Köln II in der Regionalliga West noch darüber nach, wie ein Leben ohne Fußball aussehen könnte. Und heute hat er nichts Besseres zu tun, als dem Zweitliga-Tabellenführer aus Stuttgart dabei zu helfen, in der nächsten Saison wieder Erstligaspiele ausrichten zu dürfen.

Beim unterhaltsamen 3:2-Sieg am Montagabend bei Arminia Bielefeld erzielte Terodde in der 89. Minute mit seinem 19. Saisontor den Siegtreffer - mit einem feinen Heber aus dem vollen Sprint heraus.

Spötter bescheinigten ihm einmal "die Dynamik eines bekifften Pandas"

Terodde schießt aber nicht nur Tore, der 1,92 Meter große Stürmer hat in den vergangenen Jahren gelernt, Dinge mit dem Ball anzustellen, die er lange Zeit selbst nur an der Playstation für möglich hielt, wenn er sich als Lionel Messi austoben durfte - zum Beispiel mit Körpertäuschungen vier Gegenspieler im Strafraum auszutricksen und anschließend mit dem Außenrist den Ball über den Torwart hinweg zu chippen. Genau auf diese Weise traf Terodde gegen Bielefeld schon zum zwischenzeitlichen 1:2 (54.). Endgültig vorbei sind also die Zeiten, als er noch belächelt wurde, weil er "die Dynamik eines bekifften Pandas hat", wie die taz einmal schrieb.

"Ein feines Füßchen" habe Terodde bei seinen Toren bewiesen, lobte sein VfB-Kollege Timo Baumgartl. Terodde hat sich in dieser Runde für die Stuttgarter zu einer Art Lebensversicherung entwickelt. VfB-Trainer Hannes Wolf mag eine solche Abhängigkeit von einzelnen Spielern eigentlich nicht, der 36-Jährige will den VfB mit verschiedenen anspruchsvollen Spielsystemen auf ein höheres Niveau heben und die Mannschaft am besten im laufenden Zweitliga-Spielbetrieb für die erste Liga präparieren. Aber auch ihm ist nicht entgangen, dass er mit seiner taktischen Flexibilität seine Spieler bisweilen bis an ihre Grenzen fordert. In Bielefeld etwa bot er den Kleinkünstler Alexandru Maxim als Linksaußen auf, nachdem der Rumäne zuletzt eine Weile nur auf der Tribüne gesessen hatte. Mit seinem Schlenzer aus 44 Metern bescherte Maxim dem VfB nach dem frühen Rückstand zwar den Ausgleich (51.); doch nach Teroddes erstem Tor konnten weder Maxim noch der Kapitän Christian Gentner oder Simon Terodde verhindern, dass der VfB plötzlich seltsam passiv und verunsichert wirkte und den Bielefeldern Chancen beinahe im Minutentakt und dann das fast zwangsläufige 2:2 ermöglichte.

"Wir wünschen uns mehr Souveränität in solchen Phasen", fand Stuttgarts Sportvorstand Jan Schindelmeiser selbstkritisch: "Aber es war ein wichtiges Signal, dass wir solch ein Spiel dank einer Energieleistung auch mal gewonnen haben."

Simon Terodde hätte das Spiel Mitte der zweiten Hälfte mit einem dritten VfB-Tor früh beruhigen können, dreimal lief er allein aufs Tor zu, um dreimal drüber oder vorbei zu schießen. Den jungen Terodde hätte so was noch "verrückt gemacht", wie er zugab; der alte Terodde blieb cool und traf trotz der drei vergebenen Chancen halt beim vierten Mal - eben dann, als es dringend nötig war. In der 89. Minute. "Das kann er noch ein paar Mal so machen", sagte Hannes Wolf später vergnügt.

Mit einem Punkt Vorsprung auf Hannover 96 gehen die Stuttgarter in die letzten fünf Spiele der Saison. Nicht nur Simon Terodde hofft, dass diese Spielzeit mit dem Wiederaufstieg in die Bundesliga enden wird. Denn dann hätte der Angreifer in der neuen Runde endlich die Möglichkeit, auch mal sein erstes Erstligator zu erzielen. Im reifen Fußballer-Alter von 29 Jahren.

© SZ vom 19.04.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: