Zweite Liga:Da will nichts wachsen

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Lang gemacht: Marco Stiepermann überwindet 1860-Torwart Vitus Eicher in der 47. Minute zum 1:0 für die Greuther Fürth. (Foto: Stefan Matzke/sampics)

Der TSV 1860 verliert auch unter Aushilfscoach Kurt Kowarz und steht nach dem 0:1 in Fürth weiter auf einem Abstiegsplatz. Daniel Adlung erkennt: "Wir müssen dreckiger spielen".

Von Benedikt Warmbrunn

Genau 15 Minuten waren gespielt, da setzte sich Kurt Kowarz ein erstes Mal. Er, der die ganze Zeit stehen wollte. Der der Mannschaft in seinem Stehen ein Vorbild sein wollte. Der alles zeigen wollte, aber bloß keine Schwäche.

Es war ja ein äußerst kurioses Spiel des TSV 1860 München am Freitag bei der SpVgg Greuther Fürth. Im Stadionheft hieß Fürths Präsident Helmut Hack noch Benno Möhlmann, den neuen 1860-Trainer, den langjährigen Fürth-Trainer "herzlich willkommen", aber Benno Möhlmann war ja nicht da. Gallenblasen-Operation, Krankenbett. Ihn vertrat Kurt Kowarz, der Torwarttrainer.

In den 15 Minuten, in denen Kowarz wie versprochen gestanden war, hatte er nach sechs Sekunden den ersten Fehlpass seines Teams gesehen, noch in der ersten Minute drei weitere. Zwei gute Chancen für den Gastgeber hatte er gesehen. Und keine für sein Team. Also setzte er sich. Eine halbe Minute lang. Dann stand er wieder auf, er sah jetzt den ersten guten Angriff. Er endete mit einer Flanke hinter das Tor. Zwei Minuten später setzte sich Kowarz wieder.

Den Löwen in sich wolle er zum Ausdruck bringen, auch das hatte Kowarz gesagt. Nun, der Löwe in seiner Leidenschaft, das war Assistent Sven Kmetsch, der unaufhörlich fluchte und fuchtelte. Kowarz war eher ein Löwe, der in aller Ruhe und Geduld dem Gras beim Wachsen zuschaut. Aber da wollte nichts wachsen.

0:1 (0:0) verlor Kowarz sein erstes Spiel als Möhlmann-Vertreter. Der TSV 1860 hat damit auch in seinem zwölften Ligaspiel in dieser Saison nicht gewonnen, bleibt auf einem Abstiegsplatz. "Jede Woche stehen wir da, haben besser gespielt, aber keine Punkte", klagte Daniel Adlung. "Wir müssen Punkte holen, müssen dreckiger spielen, müssen aggressiver spielen."

Wie erwartet hatte Kowarz (beziehungsweise Möhlmann aus dem Krankenbett) die Startaufstellung auf zwei Positionen verändert: Milos Degenek spielte für Emanuel Taffertshofer, Korbinian Vollmann für Stephane Mvibudulu. Die Umstellungen bewirkten zunächst: nichts. Von zwei verunsicherten Mannschaften waren die Gäste besonders anfällig. Fürth, nach zwei Niederlage mit je fünf Gegentoren mit vier Änderungen in der Startelf, zeigte die reifere Spielanlage, doch es fehlte mal die Präzision, mal die Lauffreudigkeit, mal das Tempo. Wenn das Team gefährlich wurde, dann meist, indem es die Lücken im Abwehrzentrum der Gäste nutzte. Berisha verfehlte das Tor knapp (9.). Jürgen Gjasula kam in der Strafraummitte frei zum Kopfball, viel zu schwach (13.).

Doch nachdem sich Kowarz ein erstes und ein zweites Mal gesetzt hatte, zeigte seine Spieler zuvor verborgene Kräfte. Sie spielten energischer nach vorne, mit schnellen Pässen auf die Außen. Und sie merkten, dass die Fürther Abwehrspieler mindestens so nervös waren wie sie selbst. Michael Liendl schoss knapp über das Tor (21.). Christopher Schindler traf ins Tor, allerdings aus einer Abseitsposition heraus (26.). Nach einem klugen Pass von Liendl stand Vollmann frei vor SpVgg-Torwart Sebastian Mielitz - der reagierte aufmerksam (31.). Acht Minuten später knallte ein Kopfball von Gary Kagelmacher an die Latte, Mielitz klärte geistesgegenwärtig.

Pause. Die Unterbrechung reichte, um den Gästen den Schwung zu nehmen. "Da waren wir zwei, drei Minuten schläfrig", sagte Kowarz, "und dafür wurden wir bestraft." Fürth probierte es wieder mit Pässen durch das Zentrum. Gjasula spielte zu Berisha, der legte überlegt ab auf Marco Stiepermann, und der war ausnahmsweise nicht nervös: die Führung (47.).

Fürth spielte danach weitgehend routiniert, versäumte es aber, eine der zahlreichen Chancen zu nutzen. Sebastian Freis schoss aus guter Position drüber (55.), Robert Zulj schloss nach einem flinken Konter überhastet ab (66.). Den besten Moment des TSV 1860 zerstörte erneut der starke Mielitz, der sich am Fünfmeterraum Rubin Okotie entgegen warf (81.). "Eigentlich müssten wir da alles versuchen, um ein Tor zu erzwingen", sagte Okotie, "aber uns fehlt im Moment einfach das Selbstvertrauen."

Und Kowarz? Regte sich nach einem vermeintlichen Foul an Liendl über einen nicht gegebenen Elfmeter auf (58., zu Unrecht), stellte sich in einer Rangelei schützend vor seine Spieler (67., zurecht). Und so hatte er den Löwen in sich also doch noch zum Ausdruck gebracht. Da war es aber bereits zu spät.

© SZ vom 24.10.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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