Zum 90. Geburtstag von Ernst Happel:Der grantelnde Wödmasta

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Auch wenn er keinen WM-Titel gewann, so ist Ernst Happel doch der wohl legendärste aller österreichischen Trainer. Am Sonntag wäre er 90 geworden. Ein Fußball-Leben in Bildern.

Von Filippo Cataldo, Wien/München

Am Sonntag werden sie wieder die Hügel raufsteigen am Hernalser Friedhof im 17. Wiener Bezirk und ein paar Wimpel aufs Grab legen. Ganz hinten im Eck des Friedhofs, Grabstelle 238, Gruppe 1, liegt seit 23 Jahren schon der große Grantler des Weltfußballs. 90 Jahre alt wäre Ernst Happel am Sonntag geworden, wenn der Krebs ihn nicht schon am 14. November 1992 aus dem Leben gerissen hätte.

Am Krebs waren die belgischen Zigaretten zumindest nicht unschuldig, von denen Happel auch auf der Trainerbank nicht lassen konnte. Wenn er nicht geraucht hätte, hätte er womöglich noch was sagen müssen. Denn wenn Happel eines noch lieber tat als rauchen und granteln, dann war das: schweigen. Ein Widerspruch? Ach, i wo. Die Wiener nannten ihren Happel, Ernst ja auch "Wödmasta", obwohl der WM-Titel ja einer der wenigen ist, den er nicht gewonnen hat. Platz drei als Spieler 1954 und Platz zwei als Trainer mit den Niederlanden bei der Weltmeisterschaft 1978 in Argentinien, das war seine Lebensleistung bei Weltmeisterschaften.

Dazu kommen 19 nationale und internationale Titel mit allerlei Mannschaften in den Niederlanden, Belgien, Deutschland und zum Schluss dann endlich auch in Österreich, unzählbare Liebschaften und Kasinobesuche, noch mehr Zigaretten - und eine ganze Armada von Spielern, Trainern und Fans, die immer noch den Mund nicht zukriegen, wenn sie sich an die Spiele von Happels Mannschaften erinnern.

Zu einer Zeit, als die deutsche Nationalmannschaft sich kraftstrotzend durch ihre Spiele briegelte und hrubeschte und beim FC Bayern auf dem Rasen der sachliche Realismus vorherrschte, da ließ Happel etwa beim HSV von 1981 bis 1987 ein derart radikaloffensives, schön anzusehendes Pressing spielen, von dem Jürgen Klopp heute noch träumen dürfte. Der Lohn: Zwei Meisterschaften, ein Pokalsieg und vor allem: der Gewinn des Landesmeister-Cups 1983 gegen die damalige Juventus-Wundermannschaft um Michel Platini, Zibi Boniek und die aktuellen Weltmeister Dino Zoff, Paolo Rossi und Co.

"Er war einfach seiner Zeit voraus", erinnert sich Günter Netzer heute. Netzer hatte Happel damals als junger Manager zum HSV geholt und dem "menschlichsten aller Schleifer" so gut wie alle Spieler verpflichtet, die er haben wollte. Der Spieler, für den Happel eine Art fußballerischer Übervater werden sollte, war schon da. Die Zigaretten hat sich Felix Magath noch als Spieler bald abgewöhnt - Happels Ausdauertraining war berüchtigt - doch das Schweigen macht dem einstigen Meistertrainer des FC Bayern und VfL Wolfsburg bis heute mindestens ebenso große Freude wie seinem Vorbild aus Wien.

In seiner Heimatstadt verbrachte Happel die letzten Monate seines Lebens, in seinem geliebten Ottakring, dem 16. Wiener Bezirk. So konnte er auch seine alten Freunde aus dem Cafe Ritter öfter besuchen. Auf einen Kaffee, zwei oder drei Kartenrunden und unzählige Zigaretten. Nebenbei trainierte er die Nationalmannschaft.

Vier Tage nach Happels Tod 1992 traf die DFB-Elf im Praterstadion auf Österreich. Während des Spiels lag 90 Minuten lang seine Kappe auf der Trainerbank. Das Praterstadion haben sie längst nach ihm benannt. Seine letzte Heimat aber hat Happel in Hernals gefunden, den Hügel rauf, ganz hinten im Eck, Grabstelle 238, Gruppe 1.

© SZ vom 29.11.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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