Wolllust im finnischen Team:Stricken für Saulis Söhnchen

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Neue Masche: Der finnische Snowboard-Trainer Antti Koskinen strickt für die Journalisten. (Foto: Eric Gaillard/Reuters)

Mit traditioneller Handarbeit vertreiben sich die Athleten die Zeit zwischen den Wettkämpfen. Darüber dürfte sich vor allem der Staatspräsident freuen.

Von Saskia Aleythe

Dass Roope Tonteri bei seinem Sport einen Helm tragen muss, kann durchaus als Versäumnis bezeichnet werden. Der Finne hat das, was man einen eigenen Look nennt, kurzer Irokese, abrasierte Seiten, ein gestutzter Bart umrahmt ein neckisches Grinsen. Daheim in Koulava hat er sich einen eigenen Sprungpark neben sein Haus gebaut, er ist Snowboarder, was sonst. Am Mittwoch in Pyeongchang saß der 25-Jährige auf einer Pressetribüne und strickte.

Es gibt dann ja doch immer wieder Bilder von den Olympischen Spielen, die nichts mit Medaillenvergaben, Höchstleistungen oder Patzern zu tun haben, und als Tonteri im Slopestyle vor ein paar Tagen am Starthäuschen stand und sich gerade in seinen Lauf stürzen wollte, fing die Kamera ihn ein. Neben ihm sein Trainer Antti Koskinen, der ihm letzten Mut zusprach und dabei zwei Nadeln in der Hand bewegte. Und weil es dann viele Zuschauer amüsierte, dass in der finnischen Mannschaft offenbar der Strickwahn ausgebrochen war, buchten sie sich nun eben einen Raum, um mal zu erklären, was das soll. "Ich tue das, um ein bisschen zu entspannen", sagte also Koskinen und strickte auch beim Reden weiter, ein dunkelblaues Quadrat baumelte von seinen Nadeln. Über den Schultern hing ein großer bunter Schal, der auch noch die zwei Athleten neben ihm einrahmte. Seine Wolllust hatte ja schon bei den Spielen in Sotschi begonnen.

Die Biathletin Kaisa Leena Mäkäräinen ist passionierte Strickkönigin, hatte damals ihre Kollegen animiert und saß nun wieder im Olympischen Dorf in Pyeongchang mit Wolle im Gepäck und einer besonderen Idee: Die Handarbeit sollte nicht nur die Zeit zwischen den Wettkämpfen überbrücken, sondern auch nachhaltigen Charakter haben. Zum finnischen Präsidenten Sauli Niinistö pflegen die Athleten freundlichen Kontakt, er ist sportbegeistert und weil er am 2. Februar im Alter von 69 Jahren noch einmal Vater wurde, stricken sie ihm nun eine Decke für seinen Sohn, zusammengebastelt aus kleinen Quadraten, wofür die Strickszene den Begriff Granny Square erfunden hat. Skispringer Eetu Nousiainen hatte Mäkäräinen in Südkorea im Gemeinschaftsraum werkeln sehen, sie gab ihm ein Update für längst verloren geglaubte Fertigkeiten. Die Finnen lernen ja spätestens in der Schule das Stricken, es ist also Nationalsport, nur leider nicht olympisch. "Ich habe hier zwei Quadrate gemacht", sagte der 20-Jährige, "dann ist mir langweilig geworden. Jetzt habe ich einen Schal angefangen." Da ist man im Team nicht so streng. Er hielt ein gestreiftes Maschenwerk in die Luft, Snowboarder Tonteri kommentierte von nebenan: "Könnte auch eine Decke für den Hund des Präsidenten sein." Für die Fotografen hatten sie noch ein rotes Herz mitgebracht, selbst gebastelt natürlich, es war ja auch Valentinstag.

Dass die Athleten anderer Nationen verdutzt gucken, wenn so ein strickender Trainer im Schnee auftaucht, ist klar. Lacher ist Koskinen gewohnt, aber nach der ersten Überraschung seien die Reaktionen ohnehin positiv. "Jeder scheint es zu mögen, die Leute sind eher interessiert", sagt er. Nur eines macht ihm in Pyeongchang zu schaffen: Auf dem Berg muss er manchmal die Handschuhe anziehen. Wenn die Kälte reinzieht, bleibt das Strickzeug in der Tasche.

© SZ vom 15.02.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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