Winter ohne Schnee:Auf der Suche nach dem weißen Gold

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Skispringer, Langläufer und Alpine tanzen um das bisschen Winter, das dieser warme Dezember ihnen lässt.

Thomas Hahn

Über das Wetter zu reden, ist in diesen Tagen schon eine etwas größere Sache als der übliche Small Talk, vor allem unter Ski-Profis . Dieser Winter ist in Mitteleuropa noch kein richtiger gewesen, was schlecht in den Wettkampfkalender der einschlägigen Wintersportverbände passt, weil deren Aktivitäten ohne Schnee schwierig zu verfolgen sind. 14 Weltcups hat allein der Weltskiverband Fis diese Saison schon absagen müssen. Es gibt schlimmere Folgen des Klimawandels als ausgefallene Skirennen, aber die Branche grübelt und kämpft verbissen um das bisschen Winter, das derzeit zu kriegen ist. Ein Überblick.

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Lastwagen und Schneekanonen sind die wichtigsten Waffen im Kampf ums weiße Gold, und besonders die Österreicher wissen sie zu führen. Dieses Alpenvolk hat es damit nämlich zu verhindert, dass dieses Wochenende gar nichts los ist im Weltcup. Hochfilzens Wettkampf-Organisatoren haben Schnee vom Großglockner geholt und sind nun stolze Besitzer eines sorgsam planierten Stücks Winter inmitten grüner Landschaften, auf dem nicht nur die geplanten Biathlon-Rennen dieses Wochendes stattfinden, sondern zusätzlich jene, die eine Woche später in der Slowakei vorgesehen waren. Hochfilzen ist also auch Osrblie. Und die Reiteralm ist Val d'Isère. Die Alpinexperten aus der Steiermark haben die Superkombination der Männer übernommen, die ursprünglich in Frankreich stattfinden sollte, und dürfen sich am Sonntag als Könige des Kunstschnees feiern lassen. Das wollen ausgewählte italienische Weltcup-Veranstalter auch: Der Langlaufort Cogne holt sein ausgefallenes Wochenendprogramm am Mittwoch auf einer 2,5-Kilometer-Runde selbst nach. Und aus Gröden hört man, dass die Saslong-Piste für Super-G und Abfahrt am kommenden Freitag und Samstag bereitet ist. Einziges Problem: In der dünnen Auflage lassen sich die Sicherheitsnetze noch nicht verankern. Wozu man den Schnee alles braucht.

In Kühtai und Obertauern haben die Alpinfrauen des Deutschen Skiverbandes diese Woche noch so viel Winter angetroffen, dass sie gut trainieren konnten. Am Donnerstag sind sie trotzdem abgereist ins wettkampffreie Wochenende. Sie wollten den Skitouristen Platz machen, denn Cheftrainer Mathias Berthold findet: Die haben es auch nicht leicht.

Herr Hierzegger ist die Frau Holle des Langlaufs, wobei Herr Herbert Hierzegger, Hotelier und Loipen-Betreiber auf der Tauplitzalm, seinen Schnee eher selten aus Kissen und anderen Daunenprodukten bezieht, sondern schon noch vom Himmel. Er sammelt halt recht eifrig, so eifrig, dass zur Zeit fast die gesamte Langlauf-Elite auf seiner 10-Kilometer-Runde trainiert, Sportler aus zwölf Nationen inklusive Deutschland. ,,I muaß dir sogn'', sagt Herr Hierzegger, ,,wo's wirklich gut geht, woaß i keinen Ort.'' Außer seinen halt in halbwegs verträglicher Höhenlage, weil die Tauplitzalm oberhalb Bad Mitterndorfs in der Steiermark so günstig liegt, dass er sagen kann: ,,Wir sind an und für sich einer der schneesichersten Skiorte Europas auf den 1600 Metern Seehöhe.''

Anfang November hat es einen Meter geschneit, ein paar Tage später noch einen, und diesen Schnee hat der Herr Hierzegger sofort auf die Loipen geschaufelt und maschinell befestigt, ,,dass er nicht weggeht''. Wärme und Regen hat sein Schnee so überdauert. Nach eigener Messung liegen jetzt noch 30 Zentimeter auf der Loipe, die Herr Hierzegger jeden Tag mit seinem 300er Kässbohrer sorgsam spurt. Er hat alles im Griff, zumal für Samstag wieder Schneefall angekündigt ist. Herr Hierzegger ist sich seines Winters sehr sicher. Er sagt nur: ,,Unbedingt einen heißen Regen brauchen wir nicht.''

Eine Porzellanspur ist auch in schwachen Wintern schwer zu bekommen, weil die meisten Skisprungschanzen, auf denen man auch ohne Schnee springen kann, winterfest gemacht worden sind: Die Wasserleitungen sind abgedreht, damit der erste Frost sie nicht beschädigt. - aber Wasser braucht der Sommerspringer, weil sonst die Reibung bei der Landung auf den Matten zu groß ist. Insofern hat der deutsche Skispringer Georg Späth Glück gehabt, dass Bundestrainer Peter Rohwein in der Schweiz doch noch eine intakte Mattenschanze gefunden hat.

Sonst wäre er wohl an den Polarkreis strafversetzt worden, um dort auf Schnee seine Absprungfehler zu bearbeiten, wegen derer er zuletzt schlechte Ergebnisse lieferte. Späth hat nämlich Übung nötig, am Donnerstag ist er zu seinen Sondereinheiten aufgebrochen. Der Rest des Teams vertreibt sich die Zeit mit Athletiktraining zu Hause. Außer Michael Uhrmann, der nach einem durchwachsenen Saisonstart ebenfalls verunsichert ist. Rohwein hat gehört, dass die Normalschanze von Ramsau mit Kunstschnee belegt ist, also soll Uhrmann ab Sonntag dort trainieren. Mit den Österreichern. So weit ist es schon gekommen.

Der Wetterbericht ist wichtig für planende Bundestrainer, also auch für Hermann Weinbuch, Nordische Kombination: Er hat zwei im Blick. Einer verheißt mehr Kälte in der nächsten Woche, der andere weniger, und Weinbuch glaubt natürlich lieber dem einen. Denn wenn der Weltcup übernächstes Wochenende in Ramsau ausfällt, ,,dann stehe ich ein bisschen auf dem Schlauch''. Diesen zu warmen Winter findet er gar nicht witzig, grundsätzlich nicht, aber auch wegen seines Teams nicht: Seine Athleten sollten zu Hause auf Schnee springen und laufen in diesen wettkampffreien Tagen, jetzt haben sie Pläne mit den Inhalten Skirollern und Schrittsprünge bekommen.

In Finnland, da gibt's Schnee

Für Sonntag hat Weinbuch die Abreise des Teams nach Ramsau anberaumt, zur künstlich beschneiten Normalschanze. Herr Hierzeggers Tauplitzalm ist nur eine Autostunde entfernt. Und dann hat Weinbuch gehört, dass in Filzmoos nahe Ramsau was geht - sofern es niemanden stört, dass die Ski hinterher wie eine zerkratzte Schallplatte aussehen. ,,Da könnte man mit alten Ski mal laufen.'' Ansonsten ist Weinbuch ein bisschen verzweifelt: ,,Du musst mir Schnee wünschen'', sagt er. ,,Dass ich irgendwo was finde.''

Im Ausland gibt's Schnee. In Finnland, aber da kommen die nordischen Skisportler ja gerade her, nach den Weltcups von Kuusamo und Lillehammer, und zu viel skandinavischen Dunkelheit schlägt aufs Gemüt. Amerikanische Wintersportorte melden gute Bedingungen, in Sapporo, Schauplatz der Ski-Nordisch-WM, schneite es am Freitag bei minus fünf Grad, und an der Südpolar-Station Amundsen-Scott, Antarktis, bei minus 29. Aber da sind die Loipen wahrscheinlich nicht gespurt.

© SZ vom 9.12.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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