Werder-Krise:Mit Gänsehaut Letzter

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Der Bremer Interimstrainer Nouri sorgt für gute Stimmung. Doch sein Verbleib ist nach späten Mainzer Toren und der vierten Saisonniederlage ungewiss.

Von Jörg Marwedel, Bremen

Da war sie plötzlich wieder, die Green-white-wonderwall-Stimmung im Weserstadion, jene grün-weiße Wunder-Atmosphäre, die dem SV Werder im vergangenen Mai mutmaßlich den Verbleib in der Bundesliga gesichert hatte - und die zuletzt verloren gegangen war. Gerade hatte die Bremer Mannschaft in der Nachspielzeit durch einen Treffer von Pablo de Blasis 1:2 gegen Mainz 05 verloren, da erhoben sich die Fans und klatschten und klatschten und klatschten. Als habe ihr Team gerade nicht die vierte Niederlage im vierten Saisonspiel hinnehmen müssen, sondern die Mainzer überrollt.

Das war natürlich nicht geschehen. Dennoch konnte Alexander Nouri, der zumindest vorübergehend als Nachfolger des beurlaubten Viktor Skripnik Werders Cheftrainer ist, zu Recht sagen, "dass unsere Message an die Anhänger rübergekommen" sei: Seine Elf habe gezeigt, "dass sie gewillt ist, zu fighten und jeden Zweikampf anzunehmen". Das Problem umriss Nouri aber auch: "Wir haben die ganze Brutalität des Sports zu spüren bekommen."

75 Minuten hatten die von Nouri aufgeweckten und auch defensiv ungewohnt disziplinierten Bremer nach einem fantastischen Tor von Izet Hajrovic (12.) geführt. Doch die angeschlagenen Werderaner, die im Moment fast die Hälfte des Teams ersetzen müssen, wirkten mit zunehmender Spieldauer immer müder.

Lieber nichts sehen: Werders Interimstrainer Alexander Nouri kann es nicht fassen, dass seine Mannschaft den Sieg aus der Hand gibt. (Foto: imago)

Nouri wurde auf die Tribüne geschickt - seine Körpersprache war dem Referee zu heißblütig

Man habe nur noch "versucht, das 1:0 zu verwalten", analysierte Mittelfeldspieler Zlatko Junuzovic. Und das ging in der 87. Minute schief, als der Mainzer Angreifer Jhon Cordoba ein Duell mit Niklas Moisander gewann und Yunus Malli anspielte. Auch beim Rettungsversuch kam Verteidiger Moisander zu spät, Mallis Schuss brachte das 1:1 - und der lange erhoffte Sieg wurde zur Illusion. Das folgende 1:2 ließ Werder sogar mit leeren Händen heimgehen.

Natürlich hat Bremens Torschütze Hajrovic noch ein bisschen besser über den neuen Chef gesprochen als die Kollegen. Schließlich war es eine von zwei ungewöhnlichen Ideen, die Nouri bei der Aufstellung hatte, Hajrovic aufzustellen. Der bosnisch-schweizerische Stürmer, den Skripnik am liebsten fortgeschickt hätte, umschrieb die Qualitäten des neuen Fußballlehrers Nouri so: Er habe als Mensch überzeugt, die Einzelgespräche mit ihm "brachten uns Mut und freie Köpfe". Seine Ansprache vor dem Spiel habe "Gänsehaut pur" bewirkt: "Jeder von uns wollte nur noch rausgehen und sich den Hintern aufreißen." Auch Ousman Manneh, 19, der gambische Flüchtling, den Nouri bisher in Bremens Drittliga-Reserve gefördert hatte, tat Werders Spiel erkennbar gut.

Gebrüll des Siegers: Der Mainzer Torschütze Pablo de Blasis bejubelt die Last-Minute-Wende. (Foto: imago)

Wie aber geht es nun weiter mit dem Motivator Nouri, der fast das gesamte Spiel aufmunternd in die Hände klatschte und am Schluss vom strengen Schiedsrichter Wolfgang Stark auf die Tribüne geschickt wurde, weil seine Körpersprache anscheinend zu heißblütig war? "Alex" habe das gut gemacht, sagte Geschäftsführer Frank Baumann, "wir hatten uns einen Impuls erhofft, der war zu sehen". Trotzdem könnte es nach dem Wochenende einen anderen Neuen auf der Trainerbank geben.

"Wir entscheiden, was die beste Lösung für Werder ist", sagte Baumann - das ließ alle Möglichkeiten offen. Immer wieder benutzte der Sportchef das Wort "normal". Normal sei beispielsweise gewesen, dass das Team eine Reaktion auf die zuletzt miserablen Spiele gezeigt habe. Egal, wer da auf der Bank sitze, schob Baumann nach.

Am Samstag muss es Werder wieder mit einer dezimierten Mannschaft versuchen

Immerhin bekam Nouri auch Zuspruch vom Gegner. Der Mainzer Manager Rouven Schröder, im Vorjahr noch in Bremer Diensten, schätzt Nouri enorm: "Ich traue ihm alles zu. Er ist sehr akribisch, sehr ehrgeizig, gibt alles für den Fußball." Nouris Mainzer Kollege Martin Schmidt sieht trotz des letzten Tabellenplatzes keineswegs schwarz für die Bremer: Er habe "viel Talent" beim Gegner entdeckt. Und sein Berufskollege habe Emotion reingebracht. Deshalb sei ihm klar gewesen, dass die Partie gegen ein "neu motiviertes und aufgeputschtes Team" schwer werden würde.

Am Samstag, im nächsten Heimspiel gegen Wolfsburg, muss Nouri es wieder mit einer von Verletzungen und Sperren dezimierten Mannschaft versuchen. Große Hoffnung, dass einer der vermissten Leistungsträger zurückkommt, konnte Baumann einstweilen nicht machen. Mit einer Rückkehr seines Angreifers Claudio Pizarro beispielsweise, der unter muskulären Problemen leidet, rechnet Baumann frühestens im Laufe des Oktober.

© SZ vom 23.09.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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