Werder Bremen:Ausflug in die eigenen Abgründe

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Bei der 1:2-Niederlage in Basel offenbart Werder Bremen erneut eklatante Abwehrschwächen.

Tobias Schächter

Eine halbe Stunde vor Mitternacht tänzelte Klaus Allofs in den Katakomben des Basler St. Jakob Stadions nervös von einem Bein aufs andere. Angesichts des gerade Erlebten fühlte der Manager des SV Werder Bremen eine innere Zerrissenheit, die in der Aussage gipfelte: "Das einzig Gute an diesem Abend ist das Ergebnis." Dieses trotz einer 1:2-Niederlage beim FC Basel im Hinspiel der Champions-League-Qualifikation völlig ironiefrei formulierte Resümee bündelt das Dilemma, in dem sich die Hanseaten nun befinden. Einerseits stehen die Chancen auf ein Weiterkommen nach Kloses Tor in der 73. Minute nicht schlecht, schließlich genügt dazu im Rückspiel in zwei Wochen schon ein mickriges 1:0. Andererseits geriet der Auftritt der Bremer beim Schweizer Meister lange Zeit zu einem Ausflug in die Abgründe dieser Mannschaft, der nicht nur bei Allofs viele Fragezeichen zurückließ.

Der SV Werder ist am Rheinknie nur knapp an einer Havarie vorbeigeschrammt. Die Jungfernfahrt auf internationalen Gewässern offenbarte eklatante Schwächen in der Bremer Abwehr. Der nach dem Abgang von Valérien Ismaël zum Abwehrchef aufgestiegene Finne Petri Pasanen bewies, dass wort- und gestenlos eine Defensive nicht zu organisieren ist. Zumal, wenn man als Nebenmann einen 22-jährigen Brasilianer hat, der erst seit einigen Tagen an der Weser weilt. Ronaldo Aparecido Rodrigues, genannt Naldo, stand fast zu jedem Zeitpunkt des Spiels am falschen Ort und wirkte so unbeweglich wie einst der Sohn Willhelm Tells mit dem Apfel auf dem Kopf. So war es beim 1:0 in der 28. Minute, als Petric die Kugel über Naldo lupfte, Chipperfield zunächst an Torwart Reinke scheiterte, bevor Degen aus dem Hintergrund zur Führung traf. Und so war es beim 2:0 (53.), als Petric zu Rossi in den völlig unbewachten Werder-Strafraum passte - und der eingewechselte Argentinier Werders Torwart Reinke den Ball durch die Beine schummelte.

Klose als Alleinunterhalter im Sturm

"Zu viele Dinge, die einfach nicht passieren dürfen", hatte Klaus Allofs an diesem Mittwochabend gesehen. Unerklärlich sind ihm vor allem Leistungen wie die des ehemaligen türkischen Nationalspielers Ümit Davala, der den Ball regelmäßig entweder zum Gegner passte oder ins Seitenaus. Den desolaten Auftritt des Abwehrverbundes machte der neue Linksverteidiger Jelle van Damme komplett: Den Belgier nahm Trainer Schaaf in der Halbzeit wieder vom Feld, weil er, völlig übermotiviert, am Rande eines Platzverweises stand. "Das war alles viel zu wenig", meckerte Schaaf, der zusehen musste, wie der für den verletzten Frank Baumann eingesetzte Jurica Vranjes, sowie Tim Borowski und Ersatzkapitän Thorsten Frings der Wucht und der Leidenschaft des Basler Mittelfelds lange nichts entgegenzusetzen hatten. Vorne bemühte sich Miroslav Klose alleine, da auch Ivan Klasnic' Leistung unerklärlich schwach war. Erst als die Kräfte der famosen Basler nachließen, van Damme durch Schulz und Davala durch Owomoyela ersetzt waren, kam Werder besser ins Spiel.

Durch den Aderlass der letzten Jahre hat der FC Basel nicht mehr die funkelnde Mannschaft, die vor drei Jahren glanzvoll in der Champions-League reüssierte. Aber am Mittwoch bewies sie, dass sie fähig ist, an die magischen Momente von damals anzuknüpfen. "Wir können auch in Bremen gewinnen", sagte Trainer Christian Gross, der nicht im Ruf steht ein Träumer zu sein. Sie glauben an ihre Chance. Durch den 1:0-Sieg des Emporkömmlings aus Thun in Malmö ist der Ehrgeiz der Basler Spieler angestachelt, zum ersten Mal mit zwei Schweizer Vereinen in der Gruppenphase vertreten zu sein. "Wir haben gezeigt, dass wir uns hinter dem Tabellenführer der Bundesliga nicht verstecken müssen", sagte Torschütze David Degen, "es heißt auf deutscher Seite ja immer: die kleinen Schweizer." Für Werder, das einen knapp 26 Millionen Euro teuren Kader finanzieren muss, wäre ein Ausscheiden ein großer Verlust. Letzte Saison spielte man durch den Einzug ins Achtelfinale rund 17 Millionen Euro ein. Derlei Probleme beschäftigen in Basel keinen, leben sie dort doch vorwiegend von dem Geld der milliardenschweren Gisela Oeri. Für Klaus Allofs gibt es also tatsächlich Gründe nervös zu sein.

© SZ vom 12.8.2205 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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