Weltfußballer:Mit der Passion eines Sprechautomaten

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Bei der Weltfußballer-Gala fehlen die gesperrten Top-Funktionäre, und die nominierten Spieler liefern die ewig gleiche Show.

Von Thomas Kistner, Zürich

Messi, Neymar und Cristiano Ronaldo waren da. Und sonst? Stadtpräsidentin Corine Mauch war auch da, und Robert Breiter, vermeldeten die Schweizer Medien. Breiter ist der Hausjurist des eidgenössischen Fußballverbandes, den er beim Gala-Abend Ballon d'Or vertrat. Doch echte politische und sportpolitische Prominenz machte sich rar im Züricher Kongresshaus, wo Lionel Messi zum fünften Mal die Trophäe abräumte und diesmal der enttäuschte Dauerrivale Ronaldo durchs Hintertürchen davoneilte. Bei einem Event, das Verbandspräsidenten aus Fußballnationen wie Deutschland, England oder Italien schwänzen, lässt sich auch Thomas Bach nicht mehr blicken. Im Vorjahr war der Boss des Internationalen Olympischen Komitees mitten drin im Blitzlichtgewitter. Aber da war die Weltfußballer-Kür auch noch das pompöse Familienfest, als das sie ihr Zeremonienmeister Sepp Blatter Jahre lang inszeniert hatte. Mit jeder Menge hohen, wenn auch tendenziell etwas verblühten Weggefährten.

Am Montag musste Blatter draußen bleiben, er ist ebenso für acht Jahre gesperrt von allen Fußballaktivitäten wie der vormals zweitmächtigste Mann im Weltfußball, Michel Platini. Suspendiert auch der langjährige Generalsekretär (und Gala-Hilfsconferencier) Jérôme Valcke, der den Tanz um den Goldenen Ball der Pariser Verlagsgruppe Amaury ans Fifa-Reich anbinden half. Das politische Spitzenpersonal ist im ethischen Ausstand - und was noch alles droht, will man am liebsten verdrängen in der von globalen Korruptionsermittlungen erschütterten Fußballwelt.

Es habe diesmal eine Menge Absagen gegeben, hieß es aus gut unterrichteten Fifa-Kreisen. Tatsächlich schafften es nicht einmal alle Präsidentschaftskandidaten nach Zürich, obwohl sie ja hier beim Fifa-Wahlkongress am 26. Februar um den Fußballthron ringen müssen. Ausgerechnet Scheich Salman aus Bahrain fehlte in Reihe fünf, wo sich die Mitbewerber Gianni Infantino (Schweiz), Tokyo Sexwale (Südafrika), Jérôme Champagne (Frankreich) und Prinz Ali von Jordanien verteilten. Bisher galt Salman als favorisiert, der Chef des 50 Nationen starken Asienverbands AFC hat auch guten Zugriff auf die Voten Afrikas. Nun nährt sein Fernbleiben Spekulationen. Ein Thronkandidat hat Präsenzpflicht bei solchen Terminen; weil es da zwar nichts zu gewinnen, aber viel zu verlieren gibt. So nutzte der zweite Asiate, Prinz Ali, die Gala-Nacht zu Wahlkampfgesprächen im Edelhotel Baur au Lac, wo traditionell die Fifa-Spitzen residieren und neuerdings öfter mal zivile Polizeibeamte den morgendlichen Weckdienst übernehmen.

Ob Salmans Absenz nur ein protokollarischer Lapsus ist oder eine Trendwende signalisiert? Schwer zu sagen. Prinz Ali sähe es gerne so. Wie Mitbewerber Infantino, auf den Funktionärsfreunde wie Fifa-Vorstand Wolfgang Niersbach stundenlang vergeblich in der Lobby warteten. Aber Infantino, Uefa-Generalsekretär und einziger Anwärter Europas, muss jetzt im Wahlkampf alles geben, nach Monaten quälender Ungewissheit ließ ihn Platini endlich von der Leine, indem er seine (ruhende) Kandidatur um den Fifa-Thron zurückzog.

Mit seinem fünften Sieg hat Messi Ronaldo endgültig abgehängt

Hinter den Kulissen ist alles in Bewegung, auf der Bühne der Gala läuft dagegen die Endlosschleife. Diesmal mimte der Brasilianer Neymar den Ergänzungsspieler im Privatduell Messis gegen Ronaldo; das Duo ist ja seit fünf Jahren unerreicht. Mit dem fünften Erfolg dürfte der Argentinier den Kampf entschieden haben. Dass Ronaldo, der bei der nächsten Kür 31 Jahre alt ist und Verschleißprobleme im Knie offenbart, noch gleichziehen könnte mit dem zwei Jahre jüngeren Vereinsheiligen des FC Barcelona, ist unwahrscheinlich. Auch die nähere Zukunft dürfte Messi gehören, der sich, nach veritabler Schaffenspause im WM-Jahr 2014, erstaunlich flott in neue Höhen entwickelt hat. Das Glanzlicht im Triumphjahr 2015 setzte er im Champions-League-Halbfinale im März gegen den FC Bayern, als er das Hinspiel im Alleingang entschied und beim zweiten Tor eine ganze Reihe von Weltklassekickern wie Schulbuben auf den Hosenboden schickte.

Eine besonders kurze Endlosschleife weist das Audioprogramm dieser Gala auf. "Hart gearbeitet" hat ausnahmslos jeder der edel aufgebrezelten Kicker, keiner verdankt seinen Erfolg der individuellen Klasse, sondern allein der steten "Hilfe meiner Teamkollegen". Im Übrigen ist es selbstverständlich "eine Ehre, nominiert worden" zu sein. So stellt sich die Sache bei den Interview-Imitaten auf der Bühne dar; als Sprechblase entpuppt sich das ebenso gewohnheitsmäßig dann nach Öffnung des Umschlags. Während Gewinner Messi strahlend die harte Arbeit und die hilfreichen Kollegen lobte, wählte Ronaldo den Lieferantenausgang. Ähnlich wie zwei Jahre zuvor Bayern-Spieler Franck Ribéry, der tatsächlich an eine Chance gegen die zwei Dauerdarsteller geglaubt hatte. Die Münchner übrigens waren in Zürich zweimal präsent: als Programmlücke. Bei der Trainerkür fehlte der nominierte Pep Guardiola (ebenso wie der Sieger, Barça-Kollege Luis Enrique). Und der Weltauswahl 2015 ging allein Torwart Manuel Neuer ab. Beide Bayern trainierten lieber in Katar, einem Ort, der auch nicht ganz unbelastet ist.

So läuft sich die Show rund um die Selbstanbetung des Weltfußballs allmählich selbst tot. Themen, die den Erwartungshorizont von Fans in Klubbettwäsche übersteigen, sind tabu. Der Fifa-Skandal wurde nirgendwo thematisiert; auf eine Reporterfrage bei der vorabendlichen Pressekonferenz der drei Superkicker ließ sich nur Ronaldo eine Antwort aus dem Handbuch für Medienberater entlocken: Als Profi sei er ganz auf Sport fokussiert, auch gebe es Korruption "überall auf der Welt, nicht nur im Fußball". Nur, dass sie nicht überall die Geschäftsgrundlage ist.

Mit Blatter, keine Frage, fehlt der Gala alles Gockelhafte. Das Schillernde. Auch die Vergabe des Präsidentenpreises entfiel. Interimschef Issa Hayatou aus Kamerun zelebrierte das Hochamt mit der Passion eines Sprechautomaten. Und im Publikum saßen diskrete Freunde des Fifa-Hauses wie Fedor Radmann, Sportagent und Intimus' Franz Beckenbauers, dessen Rolle in der Sommermärchen-Affäre noch zu beleuchten ist. Zwei Reihen davor: Hans-Joachim Eckert, Chef der Fifa-Ethikrichter, der mit seinem Urteil die Schockstarre ausgelöst hat. So einer ist sowieso keiner für den Fifa-Präsidentenpreis.

© SZ vom 13.01.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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