1860 weiter im Abstiegsstrudel:Die zweite Liga spielt verrückt

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Zusammenhalt im Abstiegskampf: Die Spieler des TSV 1860 München feiern ihren wichtigen Sieg gegen den FSV Frankfurt. (Foto: Dennis Grombkowski/Getty Images)

In einer Liga, in der derzeit jeder jeden schlagen kann, gewinnen die Münchner Löwen zwar auswärts in Frankfurt - können aber trotzdem nächsten Sonntag abgestiegen sein.

Von Fabian Swidrak, Frankfurt/München

Torsten Fröhling hielt sich kurz auf der Pressekonferenz nach dem Spiel, verließ dann hurtig den Raum und wenig später ebenso zügig das Stadion. So zügig, dass er auf dem Weg nach draußen mit der Jacke an der Türklinke hängen blieb. Offenbar hatte es der Trainer des TSV 1860 München eilig. Bereits um 21.20 Uhr fuhr der Mannschaftsbus durch die Tore des Frankfurter Stadions in Richtung Autobahn nach München. Der Schlusspfiff war da gerade eine Stunde her. Die drei Punkte hatten sie eingepackt und sich dann flugs aus dem Staub gemacht. "Der Sieg war heute das einzig Wichtige", hatte 1860-Sportchef Gerhard Poschner vor der Abfahrt noch gesagt. Auch er hatte es eilig, diesen Sieg möglichst schnell abzuhaken. "Der zählt jetzt auch schon nichts mehr", sagte er. Ob er da schon ahnte, was am nächsten Tag passieren würde?

Mit 1:0 (0:0) haben die Münchner am Freitagabend ihre Zweitliga-Partie beim FSV Frankfurt gewonnen. Ein fast schon überlebenswichtiger Sieg angesichts der bedrohlichen Situation, in der sich der Verein seit Wochen befindet und die sich mit der Niederlage gegen Union Berlin am vergangenen Wochenende weiter zugespitzt hatte. Erstmals seit dem elften Spieltag war 1860 wieder auf einen direkten Abstiegsplatz gerutscht.

Vier Auswärtssiege für die letzten vier Mannschaften in der Tabelle

Daran hat sich trotz des Erfolgs in Frankfurt nichts geändert. 1860 ist weiter Vorletzter und hängt am Tropf der Konkurrenz, ist angewiesen auf deren Fehler. Die am Samstag aber ausblieben. Vor dem Fernseher sah Fröhling am Samstagnachmittag, wie nach dem VfR Aalen bei Fortuna Düsseldorf (0:2) am Freitag auch der FC St. Pauli in Kaiserslautern (0:2) und der FC Erzgebirge Aue bei Union Berlin (1:2) ihre Auswärtsspiele gewannen.

Vier Auswärtssiege der vier am schlechtesten platzierten Mannschaften am drittletzten Spieltag: Viel spannender - und verrückter - geht Abstiegskampf wohl nicht. "Unglaublich. Alle wehren sich mit Händen und Füßen", sagte St. Paulis Trainer Ewald Lienen nach dem Überraschungssieg in Kaiserslautern, immerhin ein Aufstiegsanwärter. "Es ist schon kurios, was in der zweiten Liga aktuell passiert. Jeder kann jeden schlagen", befand Aues Torwart Martin Männel.

Noch steht kein Absteiger aus der zweiten Liga fest. Aalen hat als Tabellenletzter 31 Punkte, die Löwen haben 33, Aue (16.) und St. Pauli auf Rang 15 beide 34 Zähler und genau so viele wie Fürth, das am Sonntag in Heidenheim spielt. Selbst der FSV Frankfurt auf Platz 13 ist noch nicht sicher gerettet. Gesichert ist dagegen: Aus eigener Kraft kann 1860 den Klassenerhalt nicht mehr schaffen.

Die Konkurrenz als Aufputschmittel

Selbst in Frankfurt hatten die Münchner lange um den Sieg zittern müssen. Erst in der 84. Minute gelang dem eingewechselten Valdet Rama nach klugem Zuspiel von Daniel Adlung der erlösende Treffer. Schlusslicht VfR Aalen führte da schon längst mit zwei Toren Vorsprung bei Fortuna Düsseldorf und war in der virtuellen Live-Tabelle sogar an 1860 vorbei gezogen - Sechzig zwischenzeitlich Letzter. "Das kann doch nicht wahr sein, haben wir gedacht, als das auf der Anzeigetafel stand", erzählte Guillermo Vallori später. "Spätestens da wussten wir, dass wir nochmal alles geben müssen." Die Konkurrenz als Aufputschmittel.

Jetzt aber haben sie Frankfurt abgehakt, nur noch Nürnberg zählt. Am nächsten Sonntag reisen die Franken zum ersten von zwei Endspielen für die Löwen nach München. Für das vielleicht vorerst letzte Heimspiel in der zweiten Liga hat der TSV bereits mehr als 40.000 Karten verkauft.

Nächsten Sonntag könnte 1860 abgestiegen sein

"Wahrscheinlich müssen wir noch zwei Siege einfahren", vermutete Kapitän Christopher Schindler noch vor den Ereignissen vom Samstag. Dass es am letzten Spieltag zu den um den Aufstieg in die Bundesliga kämpfenden Karlsruhern geht, macht die Situation für 1860 kaum leichter. "Gegen Frankfurt haben wir endlich gemacht, was wir uns auch schon für Berlin vorgenommen hatten", sagte Schindler weiter. "Wir haben die Zweikämpfe mit der nötigen Härte geführt und dem Gegner auch mal wehgetan. Den Biss und diese Mannhaftigkeit müssen wir in die beiden letzten Spiele mitnehmen."

Auch Fröhling lobte den Einsatz seiner Mannschaft, weil es spielerisch erneut wenig zu loben gab. "Die Jungs konnten am Ende kaum noch vom Platz gehen. So muss das sein." Nach der Partie gegen Nürnberg wird es ihnen egal sein, ob sie noch gehen können oder nicht. Sie werden sich aber nicht mehr beeilen müssen und hurtig einen Fernseher aufsuchen, um zu sehen, was das eigene Resultat wert ist. Am vorletzten Spieltag treten alle Mannschaften der Liga zeitgleich an. Um 17.15 Uhr könnte der TSV 1860 München, wenn alles schlecht läuft, in die dritte Liga abgestiegen sein.

© SZ vom 10.05.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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