Wahl von Theo Zwanziger:Enthaltung nur in Bochum

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Null Gegenstimmen, viele Sentimentalitäten: Der DFB-Bundestag wählt Theo Zwanziger zum Präsidenten.

Philipp Selldorf

Horst R. Schmidt, der Generalsekretär des DFB, kultivierte ein wenig die Rolle des Zeremonienmeisters, als er am Freitag gegen viertel vor eins zur Tat des Tages schritt. Der nun folgende Vorgang sei ,,zweifelsohne der Höhepunkt und der eigentliche Anlass'' der Zusammenkunft im Frankfurter Congress Centrum, gab Schmidt angemessen feierlich bekannt und setzte den Tagesordnungspunkt 4b, ,,Neuwahl des Präsidenten'', ins Werk. Das klang allerdings spannender als es tatsächlich sein konnte, denn eine Wahl fand gar nicht statt beim außerordentlichen Bundestag des DFB. Es stand ja lediglich ein einziger Kandidat zur Abstimmung, der bisherige geschäftsführende Präsident Theo Zwanziger, und diese Alternativlosigkeit hatte manchen der 250 im Saal ,,Harmonie'' versammelten Delegierten vor die Sinnfrage gestellt. Was er erwarte von der Wahlveranstaltung, wurde etwa Bayern Münchens Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge gefragt, als er am Vormittag am Ort eintraf. ,,Ein SED-Ergebnis'', erwiderte er trocken.

Das war keine Polemik, sondern eine realistische Einschätzung. Als Schmidt um das Votum der Anwesenden bat, konnten sich die Helfer das Zählen sparen. Zwanziger, 61, erhielt ein eindeutiges Mandat des Konvents: Es gab keine Gegenstimme, weder aus dem Amateur- noch aus dem Profilager, und so fiel Ansgar Schwenken, Vorstandsmitglied des VfL Bochum, die Rolle des einsamen Dissidenten zu, indem er es als einziger wagte, die Karte mit der Aufschrift ,,Enthaltung'' hochzuhalten. Da die Wahl nicht geheim, sondern offen war, erntete er als heroischer Außenseiter eine Menge erstaunter Blicke. Während Schwenken sich auf seine Grundrechte berief und ein wenig nebulös erklärte, er habe die Entscheidung für den VfL aus ,,persönlichen Gründen'' getroffen, spottete ein DFB-Präsidiumsmitglied: ,,Der kriegt keine Freikarten mehr für unsere Spiele.''

Schwenken braucht aber keine Sorge vor Vergeltung zu haben, der neue Präsident ist ihm sogar dankbar. ,,Ein bisschen unheimlich'' sei das Wahlergebnis, meinte Zwanziger, ,,gut, dass es wenigstens eine Stimmenthaltung gab, sonst wüsste ich ja gar nicht, wie es weitergehen soll.'' Das Ergebnis betrachtet er darüber hinaus als ,,Herausforderung'' - mindestens insoweit, als dass er es beim nächsten, dann wieder ordentlichen DFB-Bundestag sicherlich gern wiederholen möchte. Denn den Vorsitz im DFB betrachtet er als ,,das schönste Amt, das die Gesellschaft in Deutschland zu vergeben hat''. Innere Bewegtheit konnte Zwanziger daher auch nicht verbergen, als er nach der in weniger als einer Minute vollbrachten Wahl zwecks Danksagungen ans Rednerpult trat. Eigentlich ist der Rheinländer aus Altendiez kein sentimentaler Charakter, er fällt eher durch seine Dynamik, sein Tempo und seine Ungeduld auf. Aber nun stockte ihm doch die Stimme und er musste schwer schlucken, um seine Sätze zu formulieren, besonders dann, als er auf seinen Vorvorgänger Egidius Braun zu sprechen kam, der als Ehrenpräsident dem DFB-Präsidium angehört und Zwanziger ebenfalls sein Ja-Wort gegeben hatte.

Braun hatte Zwanziger vor einem Jahrzehnt in die Führung des DFB eingereiht, und eine Unterhaltung, welche die beiden Männer damals auf einem gemeinsamen Jagdausflug führten, war für Zwanzigers Weltbild offenbar so inspirierend, dass er sich immer wieder auf das Gespräch beruft. Jetzt stattete er Braun seinen Dank ab ,,für eine menschliche Beziehung, die mit dem Begriff Freundschaft schon nicht mehr richtig beschrieben werden kann''. Und dann, an Braun gewandt: ,,Dass ich nun hier stehe, das ist ihr Verdienst.''

Ohnehin wäre aber wohl niemand auf die Idee gekommen, eine geistige Verwandtschaft bei seinem Mit-Präsidenten (und formellen Erblasser) Gerhard Mayer-Vorfelder zu suchen. Mit ihm hat Zwanziger wenig gemein, um so beachtlicher ist es also, dass sie die beiden Jahre an der Spitze des Verbandes produktiv und friedlich überstanden haben. Bis zur Frankfurter Versammlung hielt das Zweckbündnis, und es war dabei kein Widerspruch, dass Zwanziger in seiner kurzen Laudatio gelegentliche Probleme im Binnenverhältnis eingestand: ,,Ich bin kein Heuchler: Es gab auch schwierige Situationen'', sagte er, ,,aber unter dem Strich ist es gut gegangen.'' Mayer-Vorfelder nannte die Beziehung ,,ersprießlich'' und ließ sich sodann unter Applaus in den Ruhestand verabschieden, der in Wahrheit keiner ist. Zwar endet im Januar sein Auftrag als Abgesandter des DFB in der Exekutive des Weltverbandes Fifa - diesen Posten wird dann wohl Franz Beckenbauer übernehmen (,,Ich werde versuchen, gewählt zu werden''); aber Mayer-Vorfelder wahrt durch den bis 2009 reservierten Sitz in der Exekutive der Uefa seinen Funktionärs-Status. ,,Nicht mehr so sehr im Mittelpunkt zu stehen, ist auch nicht schlecht'', rief ihm Zwanziger zu. Ob ihm bewusst war, dass dieser Satz - aus seinem Mund - gleich doppelt ironisch klang?

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