96 verliert 0:3 gegen den HSV:"Wenn einer da ist, der es besser kann..."

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Gegen eine in Auflösung begriffene Mannschaft hat Hamburgs Nicolai Müller leichtes Spiel und umkurvt Hannovers Torwart Zieler - das 3:0. (Foto: Stuart Franklin/Getty Images)

Hannover kassiert unter Thomas Schaaf die zehnte Niederlage im elften Spiel, der Abstieg ist kaum noch zu verhindern. Wirft der Trainer hin?

Von Filippo Cataldo

Geht das überhaupt? Erhobenen Hauptes die Bundesliga verlassen? Absteigen ohne sich den branchenüblichen Selbstzerfleischungsprozessen hinzugeben? Bei Hannover 96 scheinen die Verantwortlichen zumindest gewillt zu sein, es zu versuchen.

Schon vor dem 0:3 im sogenannten Nord-Derby gegen den Hamburger SV am Samstag war das Szenario des Klassenerhalts für Hannover ähnlich wahrscheinlich wie die Rückkehr Gerhard Schröders in die aktive Politik. Nach der nunmehr zehnten Niederlage im elften Spiel unter Trainer Thomas Schaaf ist Hannover zwar sechs Runden vor Saisonende rechnerisch noch immer nicht sicher abgestiegen, doch dass der frühere Bundeskanzler seinem Lieblingsklub nächste Saison bei Spielen gegen St. Pauli die Daumen drücken muss, dürfte selbst dem uneinsichtigen Wahlverlierer von 2005 bewusst sein.

"Wir müssen weitermachen. Alles andere wäre Abschenken."

"Mit jeder Partie, die wir verlieren, wird die Hoffnung weniger - ist doch völlig klar", sagte Schaaf. Dennoch forderte er: "Wir müssen doch jetzt weitermachen. Alles andere wäre Abschenken." Es blieb die Frage, ob er den Klub nach 14 Jahren Bundesligazugehörigkeit in die zweite Liga führen darf. Bereits unter der Woche hatte Schaaf erklärt, im Falle des Abstiegs den Platz für einen Neuanfang freimachen zu wollen. Einen sofortigen Rücktritt schloss er aber auch am Samstag wieder aus. "Ich halte mich an meinen Vertrag", sagte er, ergänzte aber: "Wenn einer da ist, der das besser kann, soll er es machen."

Das ist wohl auch die Frage, die sich auch Präsident Martin Kind und Manager Martin Bader stellen. "Erst einmal geht es mit Schaaf weiter", sagte Kind. Bader hatte schon vor dem Spiel bei Sky erklärt, dass die Wahrscheinlichkeit des Klassenerhalts "sehr gering" sei und es darum "relativ unerheblich" wäre, "da noch einen Trainerwechsel zu machen." Nach der Niederlage, der siebten hintereinander im eigenen Stadion, kündigte er ein Gespräch mit Schaaf und Kind an. "Wir werden uns wie immer über die aktuelle Situation unterhalten. Ich glaube, das ist auch nachvollziehbar."

Mal wieder "komplett zusammengebrochen"

Ein vielseitig interpretierbarer Satz. Versucht es Hannover womöglich doch noch einmal mit einem anderen Trainer? Nicht, um nicht mehr abzusteigen, sondern um am Ende nicht vielleicht als schlechteste Rückrundenmannschaft aller Zeiten abzusteigen und nicht den kompletten Kredit bei den Fans zu verspielen? Beides wäre angesichts des aktuellen Trends durchaus noch drin.

Nur: Was hat sich wirklich geändert in diesen neunzig Spielminuten, in denen Hannover eine Stunde lang ordentlich spielte, um dann nach dem 0:1 "komplett zusammenzubrechen", wie der Trainer sagte? "Es ist schwer zu verstehen, aber es passiert eben. Bis dahin haben wir ein ordentliches Spiel gemacht. Leider haben wir unsere Chancen aber nicht genutzt", sagte Schaaf, der wie schon im Vorjahr in Frankfurt auch bei 96 den Verdacht nicht ausräumen konnte, dass er und seine Lehre nur in Bremen richtig verstanden werden.

Bis zur 61. Minute waren die 96er gegen beinahe erschreckend schwache Hamburger tatsächlich die bessere, weil agilere und lebhaftere Mannschaft gewesen. Die beiden Stürmer Adam Szalai und Hugo Almeida hatten, oft in Szene gesetzt vom auffälligen Hiroshi Kiyotake, einige Male Hamburgs Torhüter René Adler zumindest in Bedrängnis gebracht. Wie etwa in der 17. Minute, als der frühere Nationalkeeper einen vielversprechenden Schuss Almeidas parierte. Oder wie zwei Minuten später, als sich Adler in Hiroki Sakais scharfe Hereingabe warf, ehe Almeida oder Szalai zum Schuss kommen konnten.

Die Fans besingen Torwarttrainer Jörg Sievers

Die Hamburger hatten es dem Tabellenletzten sehr leicht gemacht, doch in der 61. Minute gelang Cléber nach einem Eckball Aaron Hunts mit einem wuchtigen Kopfball der Führungstreffer. Hannover war zum 25. Mal in dieser Saison in Rückstand geraten, es folgte die 21. Niederlage. In der 73. Minute traf Ivo Ilicevic nach einer scharfen Hereingabe von Sven Schipplock aus kurzer Distanz zum 2:0, zwei Minuten später sorgte Nicolai Müller nach einem Konter für den Endstand. Die Hamburger feierten und tanzten mit ihren Fans, als ob sie den Klassenerhalt geschafft hätten - was bei nun sieben Punkten Vorsprung auf Rang 16 eine gewisse Berechtigung hat.

Schaaf verschwand im Eilschritt in der Kabine, seine Spieler durften sich von den Anhängern unfreundliche Sätze wie "Außer Sievers (Torwarttrainer Jörg Sievers, die Red.) könnt ihr alle gehen" anhören. Dessen Schüler Ron-Robert Zieler fand klare Worte: "Die Situation ist total beschissen. Was wir hier Woche für Woche abliefern, ist nicht gut genug. Wir müssen uns an die eigene Nase fassen."

© SZ vom 03.04.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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