US-Team:Auszeit für den Traum

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Könnte einer der prägenden Figuren der WM werden: Abby Wambach. (Foto: Elsa/AFP)

Rekordspielerin Abby Wambach hat bei der WM-Vorbereitung zu einer besonderen Maßnahme gegriffen.

Von Kathrin Steinbichler, Ottawa

Vor jeder Frauenfußball-Weltmeisterschaft - wird ähnlich wie bei den Männern - dieselbe Frage gestellt: Wer wird diesmal die Spielerin, die das Turnier prägen und ihrer Mannschaft einen Schub geben wird? In der Vergangenheit gab es bei dieser Frage im Frauenfußball oft schnell eine Einigung auf höchstens eine Handvoll Namen - die Leistungsdichte an der Spitze war einfach lange Zeit zu gering. Bei dieser siebten Frauenfußball-WM in Kanada allerdings herrscht vorab Rätselraten. Dadurch, dass erstmals 24 Mannschaften antreten statt wie bisher 16, können sich in der Vorrunde noch mehr Spielerinnen empfehlen, in Spielen, die vermutlich klare Ergebnisse bringen dürften.

"Sie können davon ausgehen, dass der Rest der Welt einige beeindruckende Spielerinnen hat", erklärte kürzlich US-Nationaltrainerin Jill Ellis, deren Team in der Nacht zu Montag (1.30 Uhr MESZ) in Winnipeg gegen Australien startet. Anders als früher, als die USA gerne mal ihren Dominanzanspruch im Frauenfußball auch verbal vor sich hergetragen haben, schlägt Ellis leisere Töne an. Es sind Töne des Respekts - und auch der Versuch, der siegfixierten US-Öffentlichkeit klar zu machen, dass es für den Olympiasieger nicht unbedingt eine Selbstverständlichkeit ist, bei dieser WM auf benachbarten Boden ebenfalls den Titel zu holen.

Nicht nur die spielerische Qualität vieler Fußballerinnen in den Topnationen habe sich verbessert, sagt Ellis: "Ich gehe davon aus, dass das Publikum ein erstaunliches Level von Athletik zu sehen bekommen wird." Und Athletik, die lieben sie in Amerika. Athletik wird vor allem anerkannt, denn sie gilt als etwas, das im Sport selbst ohne Talent erreicht werden kann. Wer nicht athletisch ist, hat nicht genug gearbeitet, so sehen sie das in den USA. Und das US-Team, das hat hart gearbeitet.

Seit Monaten hat Ellis ihren Kader immer wieder für Lehrgänge zusammengezogen, daneben absolvierten die Spielerinnen Werbe- und Medientouren quer durch das Land, um ihre um Geld und Interesse kämpfende Sportart und die Frauen-Profiliga zu bewerben. Kapitänin und Rekordstürmerin Abby Wambach, die in den vergangenen Jahren regelmäßig bei der Wahl zur Weltfußballerin unter den ersten drei landete, entschied sich sogar zu einem besonders bemerkenswerten Schritt: Die 35-Jährige hat während der zurückliegenden ersten Saisonhälfte in den USA ihren Ligavertrag beim Seattle Reign FC ausgesetzt, um kein Verletzungsrisiko einzugehen und sich voll und ganz auf die Vorbereitung zur WM und die dazugehörigen Testspiele zu konzentrieren. Ein diskussionswürdiger Schritt, der in den USA allerdings Verständnis erntet. Diese WM in Kanada wird Wambachs letzte sein, dieser Titel fehlt ihr noch, und sie will diesen Traum, sagt sie, "unter allen Umständen wahr machen".

Abby Wambach hat also geschuftet für diese WM und Opfer gebracht. Ob sie eine der Spielerinnen sein kann, die das Turnier prägen und ihrer Mannschaft einen Schub geben wird? "Darauf können Sie wetten", sagt US-Trainerin Jill Ellis.

© SZ vom 07.06.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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