US Open: Männer:Kleiner Kegel

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Schattenspiel: Nein, der Stand der Sonne konnte keine Begründung für das matte Spiel von Philipp Kohlschreiber gegen Roger Federer liefern. (Foto: Mike Segar/Reuters)

Zum zehnten Mal versucht, zum zehn Mal gescheitert: Philipp Kohlschreiber enttäuscht gegen Roger Federer vor allem sich selbst.

Von Jürgen Schmieder, New York

Wenn Tennisspieler Niederlagen erklären müssen, beklagen sie gerade bei bedeutenden Turnieren bisweilen die unglückliche Auslosung. Drüben, auf dem anderen Platz, prügelt ein ungesetzter Teilnehmer einen Qualifikanten vom Platz - während ich armes Häschen schon wieder gegen den Besten der Welt antreten muss. Es nicken dann alle, weil jeder versteht, dass ein Sieg gegen Roger Federer nur dann möglich ist, wenn alle Planeten auf einer Linie stehen und die Sonne nicht ganz so hell scheint. Die Planeten standen auf einer Linie an diesem Samstagnachmittag, auch die Sonne versteckte sich ein bisschen, Federer wirkte verwundbar. Am Ende lautete das Ergebnis dennoch 6:3, 6:4, 6:4 für den Schweizer. Es war gut, dass sich der Deutsche Philipp Kohlschreiber danach nicht über die Auslosung beklagte und auch keine anderen Floskeln bediente, sondern ehrlich sagte, was passiert war: "Ich bin sehr enttäuscht, weil ich das Gefühl hatte, dass Roger nicht die beste Partie seines Lebens gezeigt hat. Er hat mich nicht weggeschossen und auch nicht weggespielt, ich habe mich selbst aus dem Turnier gekegelt." Kohlschreiber hatte passabel gespielt, er sorgte für einige spektakuläre Ballwechsel und war der erste Akteur, dem mal wieder ein Break gegen Federer gelang (nach 78 gewonnenen Aufschlagspielen nacheinander). Insgesamt markierte er nur fünf Punkte weniger als Federer, doch der gewann eben die bedeutenden Ballwechsel.

Federer könne sich in manchem Moment eben darauf verlassen, dass er Federer sei - "er spielt nicht den besten Ball und rückt dennoch nach ans Netz, weil er dort einfach eine Präsenz hat", sagte Kohlschreiber: "Dann steht da vorne eben Roger Federer und nicht irgendwer." Will sagen: Andere Akteure hätte Kohlschreiber passiert, gegen Federer jedoch fühlt er sich herausgefordert, noch präziser zu agieren - und macht deshalb einen Fehler.

Nur aufgrund dieser Präsenz kann Federer hin und wieder diesen Halb-Volley-Return mit dem Spitznamen SABR (Sneaky Attack by Roger) einstreuen, wenn er den Aufschlag des Gegners direkt angreift. So eine Attacke überrascht, doch sie funktioniert nur, weil Federer diese Attacke durchführt. "So dramatisch ist es nun auch wieder nicht", sagte Kohlschreiber: "Er hat es während der Partie nur zwei Mal versucht - und einmal gab es einen Netzroller von mir, weshalb der Aufschlag wiederholt wurde." Eine Kleinigkeit also, über die dennoch viele Menschen sprechen und die nicht wenige Kontrahenten fürchten. Novak Djokovic etwa hat bereits angekündigt, sich eine Reaktion zu überlegen.

All diese Kleinigkeiten bedeuten auch: Hätte Kohlschreibers Gegner am Samstag so agiert, wie er es getan hat, und wäre sein Name nicht Federer gewesen, dann wäre das Ergebnis ein anderes gewesen als eine deutliche Drei-Satz-Niederlage. Der Augsburger hätte vielleicht nicht gewonnen, aber er hätte diese Partie ausgeglichener gestalten können, womöglich gar müssen.

Das führt zurück zur Anfangsbemerkung und der Tatsache, dass Kohlschreiber schon Pech hat mit der Auslosung bei den US Open. 2013 schied er gegen Rafael Nadal aus, im vergangenen Jahr gegen Novak Djokovic, nun gegen Federer. Nur: Das ist kein Pech, sondern die seit Jahren gültige Setzstruktur. Wer an Rang 22 gesetzt ist wie Kohlschreiber in den vergangenen beiden Jahren, der trifft eben jeweils auf John Isner und erst im Achtelfinale auf Nadal und Djokovic - und wer auf Rang 29 steht, der spielt schon in der dritten Runde gegen die Nummer zwei. Um diese frühen Duelle zu vermeiden, wäre eine Verbesserung der Weltranglistenposition nötig. Für Kohlschreiber bedeutet das, auch bei kleineren Masters-Turnieren mal weiter zu kommen als bis zur dritten Runde. Genau das nämlich hat der 31-Jährige in diesem Jahr noch nicht geschafft.

© SZ vom 07.09.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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