US Open im Golf:Mama wartet zu Hause

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Dustin Johnson, Jason Day, Rory McIlroy: Bei der 117. US Open scheitern die drei Führenden der Weltrangliste und viele weitere Top-Golfer aus unterschiedlichen Gründen früh am Cut.

Von Gerald Kleffmann, Erin/München

Gibt es einen Trend? Diese Frage bekam Jordan Spieth vor diesen 117. US Open von einem amerikanischen Reporter gestellt. Spieth ist ein intelligenter 23-jähriger Mann aus Dallas, aber diesmal konnte er keine klare Antwort geben. "Ich bin mir nicht sicher", sagte er, "ich weiß nicht, ob es ein Trend ist oder - oder ob es auf dem Weg zu einem Trend ist - oder ob es einfach passiert ist", also per Zufall. Dann fiel Spieth aber eine Statistik ein. Vor gar nicht so langer Zeit hätten nur ein paar wenige Spieler die wichtigsten Titel im Golf unter sich ausgemacht. Ja, so war das. Spieth zählte auch zu diesem illustren Kreis. Die vergangenen sechs Majors aber, von denen es vier pro Jahr gibt, gewannen stets Profis, die noch nie ein Major gewonnen hatten. Auf eine Prognose, ob es eine Verschiebung der golferischen Mächte gebe, wollte sich Spieth nicht festnageln lassen, in Erin Hills, Wisconsin. "Ich denke, man könnte den Würfel rollen lassen."

Zu weit, zu kurz, zu früh raus: Dustin Johnson, Weltranglistenerster, hatte bei der US Open nach der zweiten Runde keine Chance mehr auf den Gesamtsieg. (Foto: Richard Heathcote/AFP)

Um im Bild zu bleiben: Die Würfel sind nach drei der vier Runden so gefallen, dass zumindest diese Fakten feststehen: Dustin Johnson, Nummer eins der Welt: Cut (lag bei +1) verpasst. Um drei Schläge. Rory McIlroy, der zwischen 2011 und 2014 vier Major-Titel errang: Cut verpasst. Um vier Schläge. Jason Day, vor einem Jahr auf dem Weg zu absoluter Dominanz: Cut verpasst. Um neun Schläge. Ebenso bemerkenswert: Keiner der Majorsieger von 2016 überstand den Qualifikationsschnitt, wenn die Zahl des Feldes halbiert wird. Henrik Stenson (zwei Schläge zu viel) und Jimmy Walker (fünf) spielten immerhin beide Runden zu Ende. Danny Willett, gab auf, nachdem er nach der ersten Runde mit 81 Schlägen fast ganz hinten lag. Die Wahrscheinlichkeit, dass wieder ein Neuling triumphiert auf der achterbahnschiefen, US-Open-typisch anspruchsvollen Anlage, lag hoch wieder einmal. Vor der Schlussrunde waren die ersten 16 Platzierten allesamt Major-titellose Profis.

Ebenfalls früh ausgeschieden: Weltranglistendritter Jason Day. (Foto: Streeter Lecka/AFP)

Auch der in der Form nun öfter schwankende Spieth enttäuschte, wenngleich er den Cut hauchdünn schaffte. Mit einer 76er Runde am Samstag nahm sich der zweimalige Major-Sieger aber aufgrund seines untypisch schwachen kurzen Spiels rund ums Grün jede Restchance auf eine gute Platzierung - bestätigte damit letztlich aber auch, dass er mit all seinen Antworten zur T-Frage richtig lag. Denn das ist ja wirklich das bemerkenswerte Bild, das sich in Erin Hills manifestiert hat: Das Trendchen mausert sich wirklich zum Trend, wenn auch per Zufall. Es rollt ja nicht geschlossen eine neue, hungrige Generation heran, sondern es tummeln sich sehr viele fähige Profis in Lauerstellung, die nun ihre Chance nutzen - weil die da ganz oben ganz eigene gedankliche Ablenkungen und Sorgen haben, die aus irgendeinem schicksalhaften Grund alle zeitgleich aufgetreten sind.

Komplettiert das weit hinter den Erwartungen zurück gebliebene Trio von der Weltranglistenspitze: Rory McIlroy. (Foto: Streeter Lecka/AFP)

Dustin Johnson etwa hatte mehrere Wochen pausiert. Beim Masters musste er passen, nachdem er ausgerutscht war und sich am Rücken verletzt hatte. Dann war er zum zweiten Mal Vater geworden. Seine Vorbereitung auf die US Open waren ein paar Runden und ein bisschen Training, bis zuletzt war offen, ob er aufgrund des Geburtstermins in Erin Hills spielen würde. Johnson nahm seine vorzeitige Abreise entspannt hin, "ja, ich bin sicher, Mama wartet zu Hause auf mich, damit ich ihr helfen kann", sagte er und meinte damit Gattin Paulina, Tochter der Ex-Eishockey-Größe Wayne Gretzky. McIlroy zwang eine Rippenverletzung zur Pause, sein Körper sei noch nicht voll belastbar, statt fünf Körben mit Bällen schlage er zwei auf der Range. Sein Schwung sei nicht durchgängig frei gewesen, hinzu kamen Schwierigkeiten mit dem Putten. Probleme anderer Natur hatte Stenson, der Schwede leidet an Heuschnupfen und da war das blühende hohe Gras entlang der Fairways eine Herausforderung für den British-Open-Champion 2016. Aus tragischeren Gründen fehlte dem Australier Day in den vergangenen Wochen der letzte Fokus, seine Mutter musste eine schwere Operation nach einer Lungenkrebs-Diagnose überstehen. Dening geht es besser, Day hatte sich dementsprechend gut gefühlt nach einer intensiven Vorbereitung, die er gar als seine beste vor einem Major benannte. Wenn aber nur ein Puzzleteil im Golf nicht passt, so komplex ist dieser Sport, ist der Misserfolg näher als der Erfolg. Day streute die Abschläge zu oft, ihm fehlte Präzision. Wie Johnson und McIlroy blickt er aber optimistisch nach vorne. Für ihn steht fest, dass es keinen tieferen Trend zu einer Verschiebung der Golfmächte gibt. "Wenn man sich die letzten sechs Major-Sieger ansieht", sagte Day, "sind alle verschiedenen Alter dabei, verschiedene Spieltypen." Die anderen, soll das heißen, sollten sich nicht zu früh freuen.

© SZ vom 19.06.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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