Unterhaching schockiert Ingolstadt:Trompetensolo im Sportpark

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Zwei Tore, ein Sieg: Unterhachings Markus Einsiedler sorgte mit seinen beiden Treffern gegen Ingolstadt für die Pokal-Überraschung. (Foto: Marc Müller/dpa)

Viertligist Unterhaching wirft Bundesligist Ingolstadt dank Toren von Markus Einsiedler mit 2:1 aus dem DFB-Pokal

Von Philipp Schneider

Hätte jemand am Sonntag gegen halb sechs am Nachmittag nur einen flüchtigen Blick in den Sportpark in Unterhaching geworfen, er hätte gesehen, dass Ingolstadts Trainer Ralph Hasenhüttl einen Innenverteidiger einwechselt, und wohl gedacht: Ah, klare Angelegenheit! 5:0 für Ingolstadt gegen Unterhaching! Tatsächlich spielte ja der frisch aufgestiegene Erstligist gegen den Regionalligisten aus der Münchner Vorstadt - DFB- Pokal, erste Runde. Klare Angelegenheit offensichtlich, zumal Hasenhüttl in besagter 54. Spielminute eben Romain Bregerie für den Stürmer Lukas Hinterseer aufs Feld schickte. Wäre der Besucher noch etwas länger geblieben, er hätte sich gewundert, dass sich Verteidiger Bregerie als Mittelstürmer einfügte. Oder darüber, weshalb der Stürmer Elias Kachunga gar nicht eingewechselt wurde - und Tomas Pekhart noch zehn Minuten auf der Bank verblieb, obwohl es 2:0 für den Viertligisten stand.

Aber vielleicht müssen solche Pokalspiele immer ein bisschen rätselhaft bleiben, in denen ein kleiner Klub wie Unterhaching einen großen Klub wie Ingolstadt mit 2:1 aus dem Wettbewerb befördert. Nach zwei Toren von Markus Einsiedler (30., 47.), einem 26-jährigen Stürmer, der von 1860 Rosenheim kam, und dem Anschlusstor von Moritz Hartmann (82.).

Die letzten Minuten seiner ersten Partie als Trainer eines Bundesligisten lief Hasenhüttl unruhig an der Seitenlinie entlang. Innerlich wohl darüber grübelnd, welch kuriosen Nachmittag er soeben verbracht hatte in jenem Fußballstadion, wo er von 2007 bis 2010 seine Trainerkarriere gestartet hatte. Einem Nachmittag, an dessen Ende eine junge Amateurmannschaft, die im Sommer nach dem Abstieg hastig aus der eigenen U19 rekrutiert worden war, freudentrunken über den Rasen tanzte. "Das war heute zu wenig, der Leistung eines Bundesligisten nicht würdig", sagte Hasenhüttl: "Das war nicht der FCI, den vergangene Saison alle lieben gelernt haben."

Wohlwollend war Hasenhüttl im Sportpark begrüßt worden, freundlich applaudierten die Zuschauer, niemand pfiff, als er über den Rasen schritt, um einen Blumenstrauß in Empfang zu nehmen. Und dem Solo eines Trompeters in Tracht zu lauschen, der Happy Birthday trompetete. Hasenhüttl hatte am Sonntag nämlich auch noch Geburtstag, seinen 49.

Geburtstag, allerdings seinen 29., hatte auch Bregerie: Er war ja einer von lediglich vier neuen Spielern, die die Schanzer vor dem Start in ihr Abenteuer in der Bundesliga erworben haben. Und der mit Kachunga auf der Bank saß, womöglich auch, weil Hasenhüttl seine Aufstiegself nicht unnötig durcheinander wirbeln wollte. Dafür aber vertraute er seinem neuen Torwart Örjan Nyland anstelle von Ramazan Özcan.

Das Hachinger Publikum quittierte jeden zarten Vorstoß der eigenen Mannschaft über die Mittellinie mit frenetischem Jubel. Mit zehn Feldspielern in der eigenen Hälfte verrammelte die Mannschaft von Trainer Claus Schromm das Mittelfeld. "Wir sind heute von unserem sportlichen Konzept etwas abgewichen", befand Schromm anschließend trocken. Ein feinfühliger Pass von Pascal Groß gelangte dann aber trotz des Konzepts vor die Füße von Hartmann - der aber setzte den Schuss neben den rechten Pfosten (12.).

"Wir müssen viel laufen, Geduld mitbringen und den Gegner bearbeiten", hatte Hasenhüttl prophezeit. Seine sehr geduldigen Spieler liefen dann aber nicht übertrieben viel, begannen aber zumindest damit, den Gegner zu bearbeiten: Markus Suttner, der neue Linksverteidiger, der zuvor 14 Jahre für Austria Wien gespielt hatte, gab eine Kostprobe seines robusten Wirkens und schubste Alexander Sieghardt kurz vor dem Sechzehner von den Füßen. Laute Buh-Rufe wurden angestimmt auf der Hachinger Tribüne; der fällige Freistoß landete unter Applaus in der Mauer.

Es gibt mitreißende Pokalspiele und zähe. Dieses war eher zäh, was auch der enormen Hitze geschuldet sein mochte. Und dann die überraschende Wendung: Nach einem lässigen und unpräzisen Rückpass von Suttner auf Hübner erlief Einsiedler den Ball. Nach einem kurzen Spurt schob er ihn lässig und präzise an Nyland vorbei ins Netz - 1:0. Weiter nach vorne schoben die Ingolstädter nun ihre Reihen, ihr 4-3-3, vor allem der zuvor eher defensiv orientierte Roger rückte auf. Die Partie nahm Fahrt auf, ein Schuss von Christiansen wurde im Fünfmeterraum geblockt (31.), aber auch in Ingolstadts Defensive klafften nun immer wieder Lücken: Hachings Orestis Kiomourtzoglou verfehlte knapp aus spitzem Winkel (39.). Ingolstadts beste Gelegenheit bot sich, als Alexander Winkler einen Kopfball von Marvin Matip noch von der Torlinie schlug (40).

Auch später verteidigte Haching mit viel Einsatz - und legte nach der Pause nach: Dass Einsiedler bei seinem zweiten Treffer klar im Abseits stand, wollte Hasenhüttl nicht als Ausrede gelten lassen. "Diese Mannschaft ist immer daran gemessen worden, wie sie auf Rückschläge reagiert." Und die erste Partie in der Bundesliga steht dem neuen Bundesligisten ja noch bevor.

© SZ vom 10.08.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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