Uefa-Entscheidungen:Unfallschutz für Engländer

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Die Aufstockungspolitik der Uefa ist riskant: Denn sie bedeutet die völlige Entwertung der oft hochdramatischen EM-Qualifikation.

Klaus Hoeltzenbein

Was man mit Märkten so alles machen kann, ist momentan an den Weltbörsen zu erleben. Man kann sie schrumpfen, blähen, dehnen und biegen, Blasen bilden und diese wieder platzen lassen. Ein leidenschaftlicher Blasenbilder ist der Fußball, namentlich sind es dessen Präsidenten Blatter (Weltverband Fifa) und Platini (Europaverband Uefa), und diese beiden wetteifern geradezu darum, wer die größte Blase bilden kann. Vordergründig vorne lag lange Blatter, er hat seine Weltmeisterschaft für 32 Teams zugänglich gemacht.

Nie mehr traurige Engländer? Nach den Uefa-Entscheidungen ist die Gefahr geringer geworden, die EM zu verpassen. (Foto: Foto: dpa)

Spätestens jetzt aber, beim Blasenbilderkongress in Bordeaux, hat ihn Platini abgehängt. Sein Turnier, die Europameisterschaft, soll ab 2016 mit 24 Mannschaften gespielt werden. Knapp die Hälfte der 53 Uefa-Mitglieder wird dann bei einer Endrunde startberechtigt sein. Würde die Fifa diesem Gedanken folgen, gäbe es bei der WM demnächst fast hundert Starter (die Fifa zählt 203 Mitglieder) - selbst der ewige Windmacher Blatter kommt bei dieser galoppierenden Inflation nicht mehr mit.

Bläh- und Blasenpolitik

Blatter ist ja schon froh, wenn er für seine 32 Mannschaften im Sommer 2010 bei der WM in Südafrika die angemessenen Behausungen findet, die Fertigstellung der zehn Stadien ist erst in letzter Sekunde versprochen. Nicht einmal dies können die Ukraine und Polen, Organisatoren der EM 2012, noch garantieren, weshalb sich die Uefa vorbehält, die Zahl der geplanten Stadien demnächst von acht auf sechs zu reduzieren. Wenn es aber schon solche Probleme bereitet, ein Turnier für 16 zu präsentieren, wer kann dann außer Europas Kernländern (England, Frankreich, Italien, Spanien, Deutschland) eine auch nur im Ansatz seriös finanzierte Heimat für 24 Teams finden?

Platinis Bläh-und-Blasen-Politik zielt in viele Richtungen. Zunächst soll sie jene Fußball-Zwerge mit der besseren Aussicht auf einen EM-Start belohnen, die den Franzosen 2007 mit ihren Stimmen ins Amt hievten. Zugleich aber ist die Turnier-Erweiterung eine Versicherung gegen die Wiederholung eines Betriebsunfalls wie zur EM 2008, für die sich ausgerechnet England, der größte Devisenbringer, nicht qualifizieren konnte.

Für einen solchen Unfallschutz nimmt Platini die fast völlige Entwertung der - siehe England - oft hochdramatischen EM-Qualifikation in Kauf. Reserviert ist dafür bisher ein Zwei-Jahres-Zyklus; sobald aber von 53 Bewerbern 24 sicher in der Endrunde dabei sind, wird das ein öder Schaulauf und kein Wettkampf mehr.

Platinis Uefa glaubt, der Markt werde dies schlucken. Es ist ein Angebot, weiterhin aber entscheidet der Kunde, mit wem er seine Zeit verschwendet.

© SZ vom 27.09.2008 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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