Uefa-Cup:Stimmungsvolle Schafzüchter

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Die schottische Presse sprach nach dem Uefa-Cup-Sieg der Bayern ehrfürchtig von "Mighty Munich". Abseits des Rasens hinterließ Aberdeen den mächtigeren Eindruck.

Michael König

Schwer zu sagen, ob die schottischen Medien über Uli Hoeneß' Wutausbruch auf der Jahreshauptversammlung des FC Bayern berichtet haben. Sehr wahrscheinlich ist das nicht. Trotzdem schienen hunderte Aberdeen-Anhänger den Münchnern mal zeigen zu wollen, wie man in Schottland die von Hoeneß zitierte "Scheiß Stimmung" verhindert.

Mit Pflanze und Pokal: Aberdeen-Anhänger feiern ihr Team in München. (Foto: Foto: dpa)

Schon mittags gab es auf dem Marienplatz in der Innenstadt eine kostenlose Einführung in die schottische Sangeskunst. "Ten men went to mow, went to mow a meadow" - das Rasenmäherlied, denn "wir sind als Bauern und Schafzüchter bekannt", glucksten Graham und Billy.

Wie viele andere Aberdeen-Fans hätte man sie glatt für Bayern-Anhänger halten können. Zu den roten Aberdeen-Trikots trugen die Gäste Bayern-Schals und Filzhüte mit dem Emblem des gegnerischen Vereins. Sich mit Devotionalien des Gegners zu schmücken, würde Bremern oder Dortmundern vermutlich nicht im Traum einfallen. Den Schotten schon: "Ist doch ein toller Klub", sagte Graham grinsend. "Außerdem sind die Leute hier so freundlich, genau wie bei der Weltmeisterschaft."

Schottische Sangeshoheit

Die wenigen FCB-Trikots, die über den Marienplatz getragen wurden, wahrten Distanz. Manch einer machte von der feiernden schottischen Meute ein Erinnerungsfoto. Im U-Bahn-Waggon in Richtung Arena brüllten drei Bayern gegen 30 Schotten. Der Lieblings-Refrain: "Luca Toni is a cunt!" - sehr frei übersetzt: "Luca Toni ist ein Schweinehund!"

Im Stadion spielte Toni keine große Rolle. Die Aberdeen-Fans eine umso größere. 6.000 Schotten gegen 60.000 mutmaßliche Bayern-Fans - zu hören waren lange Zeit nur die Gäste. "Stand free, wherever you may be, 'cause we are the famous Aberdeen". In der 12. Minute traf Lucio für Bayern zum 1:0. Der Jubel hielt 48 Sekunden, wurde dann von den Anfeuerungen der Schotten übertönt. In der 36. Minute das 2:0 durch van Buyten - diesmal dauerte es fünfeinhalb Minuten, bis Aberdeen die Sangeshoheit wiedererlangte.

Man ahnte, was die FCB-Fanclubs auf der Jahreshauptversammlung kritisierten, wenn man auf die Lautstärke-Differenz zwischen Schotten und Deutschen achtete. Allein, den Anhängern der "Dons" fehlten in der zweiten Halbzeit die Gelegenheiten. Luca Toni war längst ausgewechselt, die Namen der übrigen Offensivkräfte waren offenbar nicht geläufig. Allerdings wäre "Lukas Podolski is a cunt" für das singende schottische Mundwerk vielleicht auch zu sperrig gewesen. Von "Bastian Schweinsteiger" ganz zu schweigen.

Lovell erleichtert den Genuss

Podolski sorgte in der zweiten Halbzeit für ein Raunen im Bayern-Fanblock, als er sich in der Abwehr fest rannte und den besser postierten Hamit Altintop übersah. Später, nach einem Patzer von Aberdeens Torwart Jamie Langfield, klappte es: Er traf 3:0 in der 71. Minute. Kurz darauf folgte sogar das 4:0, per Kopf.

"Wir sind nicht hierher gekommen, weil wir einen Sieg erwarten", hatte Graham mittags auf dem Marienplatz gesagt. "Wir wollen einfach die Stadt und das fantastische Stadion genießen." Steve Lovell machte ihnen das in der 83. Minute ein bisschen leichter, als er zum 1:4 aus Gäste-Sicht traf. "Stand free" aus vollem Halse, das 5:1 der Bayern durch van Bommel (85.) wäre darin fast untergegangen.

Nach dem Spiel versuchte Lukas Podolski auf dem Weg aus der Arena, Fragen der Presse möglichst ohne Aussage zu beantworten. Von einem "Nicht-Interview" sprach ein gehässiger Reporter. Wie man sich höchst undiplomatisch zu einem Spiel äußert, machten währenddessen vor der Tür einige Aberdeen-Anhänger vor.

Der Refrain ihres Abschiedsliedes: "Sheep shagging bastards, we're only sheep shagging bastards..."

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