Uefa-Cup:Mit Hilfe eines Grenzfalls

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Der FC Bayern kommt ohne Ribéry, Kahn und van Bommel nur zu einem 2:2 beim FC Aberdeen. Der Ausgleich fiel nach einem umstrittenen Handelfmeter.

Andreas Burkert

Der FC Aberdeen wird vermutlich nicht das Achtelfinale des Uefa-Cups 07/08 erreichen, nach dem 2:2 (2:1) im Hinspiel der Zwischenrunde daheim gegen die Bayern müssen die Schotten wohl am nächsten Donnerstag in der Münchner Arena fürs Weiterkommen wohl gewinnen. Dennoch verließen "The Dons", wie die Mannschaft von ihren zahlreichen Verehrern genannt wird, gestern Abend beifallumrauscht den tiefen Rasen des heimischen Pittodrie-Stadions. Mit einer couragierten Leistung hatte der Fünftplatzierte der kleinen, schottischen Liga den Rekordmeister aus der immer noch großen, stolzen Bundesliga in gleich mehrere Verlegenheiten gestürzt. Erst am Ende musste Aberdeen seinem enormen Kraftaufwand Tribut zollen und sich nach zweimaliger Führung mit dem ehrenwerten Remis gegen enttäuschende Gäste bescheiden.

Luca Toni muss die Zähne zusammen beißen - gegen Aberdeen ist nicht mehr drin als ein 2:2. (Foto: Foto: Getty)

Für die Hafenstadt und ihre 200 000 Einwohner ist die Begegnung mit den berühmten Bayern eine sehr große Sache gewesen. Seit Tagen zählten die Zeitungen den Countdown runter mit bunten Episoden unter dem Motto "Bayern are back!"; der örtliche "Evening Express" berichtete täglich auf elf Seiten über das Wiedersehen und legte am Spieltag sogar eine Nachdruck jener Ausgabe bei, die den Münchner Viertelfinal-K.o. im Cupsieger-Wettbewerb 1983 gegen Aberdeen mit der deutschen Zeile "Wunderbar!" bejubelte.

Am Nachmittag lief schließlich in der Zentrale des Aberdeen Football Club ein Fax von Manchester Uniteds Teammanager Alex Ferguson ein, der vor 25 Jahren als junger Trainer den Triumph der "Dons" dirigierte. "Und denkt daran", schrieb er am Ende seiner siebenzeiligen Sympathienote, "es ist erst mit dem letzten Pfiff vorbei."

Die Hoffnungen auf eine kleine Sensation war trotz aller Euphorie nicht allzu groß, vier Stammspieler fehlten Aberdeen, das zuletzt die in zwei Partien 2:9 Tore kassiert hatte. Das Wettbüro im Stadion bot angesichts dieser Ausgangslage etwa für die Kombination eines 3:0-Erfolges von Aberdeen inklusive des baumlangen Verteidigers Diamond als Schützen der Führung die Traumquote von 800 zu 1.

Für einen Außenseiter begannen die Schotten allerdings ziemlich forsch, der Chef der Wettbude dürfte jedenfalls erhöhten Puls gehabt haben in der von orkangleichem Geschrei begleiteten Startoffensive der Gastgeber. Michael Rensing, Ersatzmann des vergrippten Torhüters und Kapitäns Oliver Kahn, musste jedoch zunächst nicht eingreifen. (Auf der Bank saß übrigens doch der nachgereiste Amateurkeeper Thomas Kraft, 19, der am Mittwochabend wegen dichten Nebels über Aberdeen in London hatte übernachten müssen und erst am nächsten Mittag eintraf.)

Nach einem ersten Durchschnaufen ergriffen die Münchner die Initiative und nahmen die Aufgabe durchaus mit Entschlossenheit an. Rechtsverteidiger Lell lieferte die erste gute Szene mit einem Solo, das Altintop eine gute Schusschance ermöglichte. Nach zehn Minuten zog Lell dann einfach mal selbst ab aus knapp 30 Metern, Aberdeens Torwart Langfield lag quer in der Luft und boxte den scharfen Ball zur Seite (10.). Damit hatte Lell bereits mehr Offensivdrang gezeigt als Sagnol in seinen ersten vier Saisoneinsätzen, die Trainer Hitzfeld mit einer Denkpause für den Franzosen bis zum Ligaspiel am Sonntag in Hannover quittiert hatte.

Als sich die Partie gerade in die Hälfte des Underdogs verlagert hatte, ging dieser tatsächlich in Führung. Nach einem sehr britischen Flankenschlag - hoch und weit - verlor Lúcio ein Kopfballduell, den zweiten Ball behauptete Aluko und bediente schließlich im Durcheinander Walker - gegen dessen präzise Direktabnahme aus knapp 20 Metern war Rensing machtlos (25.). Die Schotten untern den 20 0479 Zuschauer im Pittodrie schrieen den mehr als hundert Jahre alten Bau mit ihrer Begeisterung beinahe zusammen.

Peinlicher Moment für Rensing

Die Lärmbelästigung steigerte sich kurz vor der Pause noch, als der herausragende Engländer Aluko das 2:1 schaffte (41.). Auch ihn hatte ein hohes Zuspiel erreicht, Lell ließ sich vom durchgestarteten Angreifer zu leicht ausspielen und bescherte Rensing einen eher peinlichen Moment: Der tückische Aufsetzer sprang recht zentral an ihm vorbei ins Netz (41). Dahin war somit die vage Souveränität der ersatzgeschwächten Bayern, die ihnen Kloses Ausgleich zu verliehen haben schien. Der Nationalstürmer, kurz nach dem 0:1 bereits einmal aus kurzer Distanz gescheitert, hatte eine Kopfballablage Toni zum 1:1 verwertet (29.).

Dennoch leisteten sich die Münchner zu viele Abspielfehler gerade mit den weiten Schlägen auf Toni (Lúcio); das förderte die Unruhe gegen einen robusten Gegner, der auch ohne Ball mit jeder Faser um jeden Zentimeter Raum kämpfte. Zé Roberto bemühte sich zwar redlich um kreative Momente, dabei wäre an der Seite des wechselhaften Van-Bommel-Vertreters Ottl vor allem die Absicherung des Feldmitte angezeigt gewesen; auch Jansen, der überraschend anstelle Lahm begonnen hatte, hatte auf der linken, von Schweinsteiger nur spärlich besetzten Außenbahn, zunächst erstaunlich viele Probleme.

Mit der Hereinnahme des ruhigen Ballverteilers Lahm für Lell nach der Pause sortierte sich das Münchner Spiel deutlich, auch Ottl gewann nun an Sicherheit. Für den erneuten Ausgleich benötigten die Bayern jedoch ein Geschenk des spanischen Unparteiischen Gonzalez, der bei einer Aktion von Maybury auf Handelfmeter entschied; ein Grenzfall, der Verteidiger war aus kurzer Entfernung angeschossen worden. Altintop ließ sich denn auch zweimal bitten und traf nach Langfields Parade erst im Nachsetzen (55.)

© SZ vom 15.2.08/aum - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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