Tuchels 4:0 zum Auftakt:In nur 33 Minuten angekommen

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Der neue BVB-Trainer feiert einen starken Einstand voller "Ausstrahlung, Begeisterung und Lust". Beim Duell der Borussias offenbart sich ein Klassenunterschied.

Von Ulrich Hartmann, Dortmund

"Damit war nun wirklich nicht zu rechnen", sagte Trainer Thomas Tuchel nach seinem ersten Bundesligaspiel mit Borussia Dortmund mit ernster Miene. Erst dann musste er grinsen. 4:0 gegen Borussia Mönchengladbach. 4:0 gegen einen Champions-League-Teilnehmer, 4:0 in einem Spiel, mit dem zigtausende Fans im größten deutschen Stadion über den Fortgang ihres geliebten Trainers Jürgen Klopp hinweg getröstet werden sollten. Da konnte sich der neue Trainer ein Grinsen einfach nicht verkneifen.

Tuchel hat nur 90 Minuten gebraucht, um in Dortmund anzukommen. Eigentlich sogar nur 33 Minuten, denn nach dieser Zeit hatten die Dortmunder gegen Gladbach bereits mit 3:0 vorne gelegen. Der BVB hat Gladbach vorgeführt. "Wir haben heute einen Maßstab gesetzt für unsere künftigen Leistungen", sagte Dortmunds Linksverteidiger Marcel Schmelzer fast ein bisschen irritiert. "Dortmund hat großartig gespielt, das war heute ein Klassenunterschied", stimmte sogar der gegnerische Torwart Yann Sommer in diese Lobeshymne mit ein. So viel Einmütigkeit ist selten nach einem Topspiel, in dem die Rollen so unterschiedlich verteilt waren.

"Dortmund ist der wahre Bayern-Jäger", das hatte Eberl schon geahnt

Im Vorfeld des Spiels hatte die Prognose des Mönchengladbacher Managers Max Eberl noch nach Understatement geklungen. "Dortmund ist der wahre Bayern-Jäger", hatte Eberl gesagt. Am Samstagabend allerdings, als die beiden Bundesliga-Borussen-Teams aus Dortmund und Gladbach ihren direkten Vergleich beendet hatten, wirkte Eberls Prognose ziemlich fundiert. Mit drei schnellen Toren hatten die bärenstarken Dortmunder den verwundernd schwachen Gladbachern sehr schnell die Nerven geraubt und sie am Ende souverän mit 4:0 (3:0) besiegt.

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(Foto: imago/Horstmüller)

Neue verschworene Einheit: Die Spieler von Borussia Dortmund bejubeln ein weiteres Tor gegen Mönchengladbach. Mittendrin: der junge Zugang Julian Weigl.

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(Foto: Dennis Grombkowski/Getty)

Idealer Einstand: Neu-Trainer Thomas Tuchel hat sichtlich Spaß an der zielstrebigen Darbietung seiner Mannschaft.

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(Foto: Maja Hitij/dpa)

Volltreffer: Marco Reus (r.) bringt den BVB früh gegen Gladbach in Führung. Granit Xhakas Abwehrversuch kommt zu spät.

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(Foto: Ina Fassbender/Reuters)

Letzte Saison hatte Dortmund das erste Spiel zuhause 0:2 verloren - es war ein Zeichen fürs ganze Jahr. Diese Saison sieht das gleich viel besser aus.

Gegen vollkommen indisponierte und passive Gladbacher köpft Aubameyang (l.) wenig später unbedrängt zum 2:0 ein.

Und es geht in Windeseile weiter: Aubameyang sprintet 60 Meter, legt quer auf Mkhitaryan (l.) der nur noch ins leere Tore einschieben muss.

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(Foto: Ina Fassbender/Reuters)

Ebenso mustergültig legt dem Armenier (l.) nach der Pause Reus noch einmal auf. Auch diese Chance lässt er sich nicht entgehen - 4:0.

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(Foto: Patrik Stollarz/AFP)

Das ist der Endstand bei einem rasanten Auftakt der Schwarz-Gelben.

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(Foto: Maja Hitij/dpa)

Bei Borussia Mönchengladbach geht es nach dem schlechten Start nun darum, die Fehler zu analysieren und das vorhandene Potenzial auszuschöpfen.

Unter der Nordtribüne, im Museum des BVB, konnte man am Samstag auch den vormaligen Trainer Jürgen Klopp im Zusammenschnitt der größten Klub-Erfolge in seiner unnachahmlichen Art jubeln sehen - auf der Leinwand - in natura war Klopp am Samstag allerdings nicht im Stadion, sondern noch im Urlaub, so dass die ungeteilte Aufmerksamkeit des Dortmunder Publikums dem neuen Trainer gelten konnte.

Bürki steht im Tor und ist fast arbeitslos

Tuchel hatte mit dem 19-jährigen Julian Weigl im zentral-defensiven Mittelfeld bloß einen einzigen neuen und tatsächlich blutjungen Feld-Spieler aufgeboten und Burschen wie Jonas Hofmann und Gonzalo Castro (bis zum Ende) auf der Bank belassen. Tuchel selbst also war (außer dem am Samstag allerdings nahezu arbeitslosen neuen Torwart Roman Bürki) zum Saisondebüt beim BVB die größte Veränderung: nämlich in Form eines 4-1-4-1-Systems mit einer Mittelfeldkette aus Marco Reus, Ilkay Gündogan, Shinji Kagawa und Henrikh Mkhitaryan von rechts nach links.

Bei den Borussen aus Mönchengladbach hatte der Trainer Favre den Mut gefunden, wie bereits im gewonnenen Pokalspiel beim FC St. Pauli die jungen Neuen Marvin Schulz, 20, und Andreas Christensen, 19, zum Innenverteidiger-Duo zu erklären. Der alte Holländer Roel Brouwers, 33, hob derweil den Alterssschnitt auf jener Ersatzbank, auf der auch Gladbachs Flügelrakete Patrick Herrmann zunächst seine Triebwerke schonte.

Allerdings taten das seine Kollegen auf dem Feld auch. Favres Mut wurde nicht belohnt. Die Gladbacher spielten sehr verhalten, waren um Form bemüht und nicht um Gestaltung. Die Dortmunder nahmen diese Einladung gerne an. Mats Hummels spielte nach einer Viertelstunde aus der Abwehr scharf und flach ins Zentrum, wo Kagawa den Ball sehr schön und sehr präzise auf Reus weiterprallen ließe. Reus fackelte nicht lange und zog kurzerhand ab.

Die niederrheinische Lethargie wurde sechs Minuten später bereits wieder und nun schon vorentscheidend bestraft. Der aufgerückte Linksverteidiger Marcel Schmelzer durfte viel zu frei flanken, und Pierre-Emerick Aubameyang als Mittelstürmer viel zu frei köpfeln. Mit dem 2:0 in der 21. Minute war aus dem vermeintlichen Topspiel sehr früh schon ziemlich viel Luft raus, und als Mkhitaryan nach einem Konter auf Vorlage von Aubameyang bereits in der 33. Minute auf 3:0 erhöhte, war die Sache gelaufen und das Dortmunder Publikum so früh wie schon lange nicht mehr in einem Spiel bereits aus dem Häuschen.

Champions League? Gladbach hat noch eine Menge aufzuholen

Zehn Tore hatte Gladbach in der Rückrunde der vergangenen Saison kassiert, und nun allein binnen der ersten 33 Saisonminuten gleich drei. Da wurde des Manager Eberls Forderung, man müsse so jungen Abwehrspielern dann auch mal einen Fehler zugestehen, gleich auf eine harte Probe gestellt. Gladbach hat in den nächsten Wochen und unbedingt vor Beginn der Champions League im September noch eine Menge aufzuholen.

Der BVB hingegen ist in dieser Verfassung, mit der neuen tuchelschen Ordnung, unbedingt wieder ein Kandidat für die vorderen drei Plätze - auch wenn nicht alle kommenden Gegner es ihnen so leicht machen werden wie die Gladbacher nach dem Seitenwechsel. Reus, mit viel Platz auf der rechten Seite, legte in der 50. Minute Mkhitaryan, mit viel Platz im Rücken der Abwehr, das 4:0 auf. Weigl spielte die Rolle als Ballverteiler auf der 'Sechs' bereits erstaunlich stark. Beste Szenen hatten die Dortmunder offensiv über ihre Flügel Reus und Mkhitaryan.

"Wir haben vergessen, einfach zu spielen"

Bei den Gladbachern ging in der Offensive gar nichts. "Ich habe aber keine Angst", sagte Eberl beschwichtigend, "wir sind ein Stück weit dabei, eine neue Mannschaft zu bauen" - und das brauche halt wieder etwas Zeit. Der Trainer Lucien Favre lobte Dortmund schlichtweg als die klar bessere Mannschaft. "Und wir haben vergessen, einfach zu spielen und richtig zu verteidigen."

Thomas Tuchel bekam sein Grinsen den ganzen Abend fast nicht mehr aus dem Gesicht. "Wir haben mit Ausstrahlung, Begeisterung und Lust viele Torchancen herausgespielt, dass es eine Freude war", schwelgte er ganz am Ende. Die Erwartungen für die nächsten Spiele sind damit bereits recht hoch. Womöglich sieht nicht mehr nur Gladbachs Manager Eberl die Dortmunder fortan als wahren Bayern-Jäger.

© SZ vom 16.08.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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