TSG gewinnt 4:2 gegen Mainz:Gekappte Nabelschnur

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Während Hoffenheim durch einen überlegenen Sieg seinen Negativlauf stoppt, nimmt der Sinkflug von Mainz 05 bedenkliche Formen an. Das Team weigert sich, zu seinen höhnisch singenden Fans zu gehen.

Von Tobias Schächter, Sinsheim

Es waren irritierende Gesänge, die in den letzten 20 Minuten aus der Kurve von den Fans FSV Mainz 05 zu hören waren. Ihre Mannschaft lag 1:3 bei der TSG Hoffenheim zurück, aber die karnevalesk verkleideten, knapp 1300 Mainzer Fans feierten auch nach dem 2:3-Anschlusstreffer von Emil Berggreen (80.) lieber alte Helden wie den ehemaligen Mittelfeldstar Christof "Bum, Bum" Babatz oder Torwarttrainer Stephan Kuhnert, als die aktuelle Mannschaft anzufeuern. Der Gipfel des Hohns war dann, als sie nach dem Treffer von Andrej Kramaric zum 4:2-Endstand für Hoffenheim "Zugabe" forderten und den Schlager der Glückseligkeit "Oh, wie ist das schön" anstimmten - in den dann die Hoffenheimer Anhänger mit einstimmten.

Am vergangenen Mittwoch, nach der 0:3-Pleite im DFB-Pokal-Viertelfinale bei Eintracht Frankfurt, hatten die Mainzer Fans ihre Spieler nach einer miserablen Leistung übel beschimpft. Am Samstag, nach der nächsten Pleite in der Liga, war Hohn die Antwort der Anhänger auf die zwar kämpferisch verbesserte, aber dennoch kaum bundesligareife Leistung der Nullfünfer in Hoffenheim. Am Ende verweigerten die Spieler und Offiziellen den Gang in die Kurve, was die Fans erzürnte: "Wir sind Mainzer und ihr nicht", schallte es aus dem Fan-Block. Die Nabelschnur scheint gekappt zu sein.

Keine Mainzer? Die FSV-Spieler verlassen den Rasen in Sinsheim ohne zu den mitgereisten Fans in die Kurve zu gehen, was diese mit noch mehr Hohngesang quitierten. (Foto: Ralf Poller/imago/Avanti)

Mainz 05 steht weiterhin auf dem Relegationsplatz 16, aber als hätten die Mannschaft und ihr Trainer Sandro Schwarz nicht genug Probleme, bröckelt nun auch der Zusammenhalt mit den Fans. Schwarz, ein gebürtiger Mainzer und Kind dieses Klubs, sagte nach dem Spiel: "Mit so einer Stimmungslage, wie wir sie im Moment haben, werden wir es nicht schaffen." Der Klassenerhalt sei das Ziel und der sei immer noch zu erreichen - man liege ja nicht mit acht Punkten abgeschlagen am Tabellenende, so Schwarz.

Das Anspruchsdenken der Fans scheint zu hoch geworden zu sein

Der Hohn für die Spieler und die Härte der Kritik auch am Trainer und an Sportvorstand Rouven Schröder haben an Schärfe zugenommen. Für einen Verein wie Mainz 05 sei es normal, in den Abstiegskampf verwickelt zu werden, sagt Schwarz. Er hat gewonnene Abstiegs- und verlorene Aufstiegskämpfe als Spieler in Mainz einst selbst miterlebt. Schwarz sagt: "Es geht nur gemeinsam." Doch die aktuelle Stimmungslage sei neu für ihn, stellte Schwarz irritiert fest: "Das kenne ich so in Mainz nicht." Sportvorstand Schröder erklärte, die sportliche Führung wolle nun das Gespräch mit den Fans suchen. Ein neuer Schulterschluss ist dringend notwendig, die verunsicherten Spieler wirken nicht abgeklärt genug, um auch noch gegen Gegner im eigenen Verein anspielen zu können.

Seit neun Jahren spielt Mainz 05 nun in Serie in der ersten Liga, außer in der vergangenen Saison befand sich der Klub dabei niemals im Abstiegskampf. Teile der neuen Generation von Fans hat in dieser Zeit offenbar ein höheres Anspruchsdenken entwickelt. Doch ohne die Unterstützung der Anhänger wird es schwer für diese Mannschaft, die Klasse zu halten. Seit einem Jahr ist Mainz 05 auswärts ohne Sieg, in Hoffenheim kassierten sie schon den 41. Gegentreffer im 21. Ligaspiel. Sportchef Schröder hofft, dass die Ereignisse vom Samstag Mannschaft, Trainer und deren engstes Umfeld noch enger "zusammenschweißen". Am nächsten Freitag geht es schon wieder auswärts weiter, bei Hertha BSC Berlin. Außenbahnspieler Daniel Brosinski weiß: "Nur über die Heimspiele werden wir den Klassenerhalt nicht schaffen."

Hoffenheim gelingt der erste Sieg dieses Kalenderjahrs

Mainz fehlt hinten Stabilität, der zweifache Hoffenheimer Torschütze Adam Szalai, ein ehemaliger Mainzer, hatte sogar noch Pfosten und Latte getroffen. Die harmlosen, oft halbherzigen und mutlosen Gäste waren der perfekte Aufbaugegner für die zuvor fünf Mal hintereinander sieglosen Hoffenheimer, deren zweiter Stürmer Andrej Kramaric sich mit zwei Toren auch endgültig aus der Krise schoss.

Adam Szalai spielt gut, trifft doppelt und holt sich nach seinem zweiten Tor eine gelbe Oben-Ohne-Jubel-Karte von Schiedsrichter Benjamin Cortus ab. (Foto: Ralf Poller/imago/Avanti)

Der Sieg entspannt die Lage in Hoffenheim - pünktlich zum zweijährigen Dienstjubiläum von Trainer Julian Nagelsmann, der zuletzt erstmals Kritik aushalten musste. Dass im Hintergrund ein Machtkampf im Verein zwischen den Geschäftsführern tobe, wie jüngst kolportiert wurde, erklärte Alexander Rosen, der Direktor Profifußball der TSG, als "absoluten Unfug". Wahrscheinlich ist aber dennoch, dass zeitnah die Trennung von Hansi Flick bekanntgegeben wird. Der ehemalige Assistenztrainer von Jogi Löw und Sportdirektor des DFB, war erst vergangenen Sommer auf Betreiben von Gesellschafter Dietmar Hopp als Geschäftsführer Sport verpflichtet worden. Nach sieben Monaten steht das Missverständnis vor dem Ende. Flick hatte nie in seine Rolle gefunden.

© SZ vom 11.02.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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