Trainingsauftakt:Experimente beim Heimwerken

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Mit dem Verzicht auf ein Trainingslager im Süden verblüfft Aufsteiger FC Ingolstadt erneut die Liga.

Von Maik Rosner, Ingolstadt

Nasskalt, aber immerhin hübsch verschneit war es, als der FC Ingolstadt am Sonntagnachmittag in die Rückrunde startete. Neben dem 1. FC Köln haben sich von den 18 Bundesligisten nur die Ingolstädter gegen ein Trainingslager in Gefilden entschieden, in denen Rasenheizungen überflüssig sind. Während die übrige Konkurrenz sich auch in der Türkei, in Spanien, Portugal, Südafrika, den USA oder am Persischen Golf auf die Rückrunde vorbereiten wird, setzt der Aufsteiger bodenständig auf seine oberbayerische Heimat und - wegen des Verzichts auf die Flugreise - auf einen kleinen Zeitgewinn.

Mit ungewöhnlichen Ansätzen haben die Ingolstädter schon die Hinrunde erfolgreich gestaltet. Im mutigen Pressingstil trat die kaum verstärkte Mannschaft auf, und ihr Trainer Ralph Hasenhüttl war wohl selbst ein bisschen überrascht, wie gut das meistens funktioniert hat, in einer ja auch für ihn neuen Umgebung. Er sei gespannt, hatte der Österreicher im Sommer noch gesagt, ob sich die Spielweise aus der Aufstiegssaison auch in der ersten Liga erfolgreich praktizieren lasse. Bestätigt fühlen konnte er sich unter anderem nach dem Bundesligarekord für einen Aufsteiger von drei Auswärtssiegen hintereinander. Sogar beim FC Bayern ließ Hasenhüttl später forsch attackieren und konnte danach mit einigem Recht behaupten, in München seien "drei, vier Tore möglich gewesen".

Die Ingolstädter haben allerdings auch feststellen müssen, dass nicht nur dort der Ertrag ausblieb, was sich wohl ebenfalls auf ihren kessen Stil zurückführen lässt. Den Aufbau der Gegner zu unterbinden, war ihnen häufig gelungen, aber nach den laufintensiven Ballgewinnen fehlten ebenso häufig Kraft und Konzentration im Abschluss, gerade bei den besonders geforderten Angreifern. Nur elf Tore hat der FCI in 17 Spielen geschossen.

Trainer Hasenhüttl erwägt, den Spielstil etwas zu modifizieren

Weil damit aber erstaunliche 20 Punkte angehäuft wurden, darf sich der Aufsteiger nach seinem ersten Bundesliga-Halbjahr "voll im Soll" fühlen, wie es Geschäftsführer Harald Gärtner stolz ausdrückt, trotz zuletzt absteigender Tendenz.

Es wird spannend zu beobachten sein, welche Lehren der Trainer aus der geringen Offensivwucht zieht. Die Ingolstädter haben sich fest vorgenommen, die Liga erneut zu verblüffen, sie wissen aber, dass das für Aufsteiger im zweiten Saisonteil erfahrungsgemäß kniffliger wird. Auch deshalb halten sie weiterhin Ausschau nach einem Angreifer, der als erster Verteidiger und zugleich als kühler Vollstrecker taugt. Noch sind sie nicht fündig geworden, was nicht nur am komplexen Anforderungsprofil liegen dürfte, sondern auch an ihrem vergleichsweise maßvollen Wirtschaften.

Ein weiterer Denkansatz der Ingolstädter ist es, den Stil leicht zu modifizieren, damit die Offensive nicht mehr so ausgelaugt zum Torschuss antritt. Vielleicht lassen sich beide Ideen sogar miteinander verbinden, und die Stürmersuche könnte am Ende ganz überraschend bei einem gefühlten Zugang enden. Auf 139 Ligaminuten hat es Elias Kachunga nur gebracht in der Hinrunde, was vor allem deshalb enttäuschend war, weil der 23 Jahre alte Stürmer im Sommer für rund 1,5 Millionen Euro Ablöse als teuerster Transfer in die Vereinsgeschichte eingegangen ist, ausgestattet mit einem Vertrag bis 2019. "Er passt perfekt in mein System", hatte Hasenhüttl den Zugang aus Paderborn hoffnungsfroh begrüßt.

Mittlerweile sind sie in Ingolstadt allerdings nicht mehr sicher, ob Kachunga nicht nur als teuerster Spieler, sondern auch als das größte Missverständnis in die Klubgeschichte eingehen wird. Kein einziges Tor hat er bisher zum Versetzungsziel beisteuern können, und ob sich das in der Rückrunde ändern wird, dürfte auch davon abhängen, ob sich Kachungas Vorsätze fürs neue Jahr verwirklichen lassen. "Es gibt viele Beispiele von Spielern, die erst nicht gespielt haben und dann einschlugen", sagte er im Dezember, "ich arbeite hart an mir und hoffe auf diesen Effekt."

Es wäre in seinem Fall ein ziemlich großer Überraschungseffekt, wenngleich sie ihm "alle Zeit der Welt" geben, wie Sportdirektor Thomas Linke beteuert. Sehr oft schon hat Hasenhüttl allerdings zu verstehen gegeben, dass er mit Kachunga nicht zufrieden ist, bei vier der letzten sechs Spiele vor der Winterpause stand Kachunga nicht einmal mehr im Kader.

Aber wer weiß: Sollten sich die Ingolstädter nun beim Heimwerken tatsächlich für einen leicht modifizierten Spielstil entscheiden, dann könnte sich scheinbar Unpassendes vielleicht doch noch zusammenfügen. Vielleicht könnte Kachunga dann doch noch eine ähnliche Rolle spielen wie in Paderborn. Als sich der SC in der Vorsaison als Aufsteiger vorstellte, erzielte er dort immerhin sechs Tore. Das wären, umgerechnet auf Ingolstadts Zwischenbilanz, fast elf Punkte.

© SZ vom 04.01.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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