Schon als Spieler war Horst Hrubesch ein furchtloser Typ. Als Spieler hat er alles aufs Tor geköpft, was geflogen kam, und als Trainer hat er sich diesen Charakterzug erhalten. Seit vielen Jahren nimmt er jede Junioren-Elf, die ihm der Deutsche Fußball-Bund anbietet, er unterweist sie auf seine direkte Art, und gerne führt er sie auch gleich zu irgendwelchen Titeln. Im Moment befindet sich Hrubesch mit Deutschlands U21-Junioren im Trainingslager im österreichischen Leogang, und am Sonntag kam von dort die überraschende Kunde: Hrubesch hat für die anstehende U21-EM in Tschechien tatsächlich die Besten nominiert. Er traut sich was.
Ter Stegen und Leno sind sich in inniger Abneigung verbunden
Der Torwart Marc-André ter Stegen ist spätestens seit dem Wochenende der bekannteste deutsche Vertreter in diesem Kader der Jahrgänge 1992/93. Ter Stegen darf sich Leogang sparen, er stößt erst vor der Abreise nach Prag zum Team, die Jungs werden ihn dann abklatschen, umarmen und ihm zum Titel gratulieren. Horst Hrubesch hat in Leogang einen Fernsehabend organisiert, Champions League gucken, natürlich waren alle für ter Stegen.
Zumindest hat keiner der Jungs etwas anderes gesagt, auch Bernd Leno nicht.
In Deutschland spielt gerade wieder eine schöne Torwartgeschichte, aber es ist eine, die noch ein verborgenes zweites Kapitel enthält. Das erste Kapitel handelt von Barcelonas Torwart ter Stegen, der als einziger Deutscher im Finale der Champions League stand, und das auch noch auf der richtigen Seite. Er hat gegen Juventus wenig zu halten bekommen, aber viel ausgestrahlt, und es war nicht seine Schuld, dass eine seiner beiden Paraden zu einem Tor für den Gegner führte. "Bei so einem Schuss kann man sich nicht mehr entscheiden, wo man den Ball hinlegt", hat er mit einem Schmunzeln all jenen Kritikern geantwortet, die immer noch meinen, dass jedes Tor, das auf eine Torwartberührung folgt, ein Torwartfehler sein muss oder zumindest jenen gedankenlosen Spruch rechtfertigt: Da hat er aber schlecht ausgesehen!
In Wahrheit hat ter Stegen eher hervorragend ausgesehen, als er den Drehschuss von Carlos Tevez parierte. Dass der Ball dann zu Alvaro Morata geriet: nicht schön. Aber auch nicht schlimm.
Das zweite Kapitel der neuen Torwart- geschichte handelt vom Leverkusener Bernd Leno. Er ist der Beweis dafür, dass Hrubesch Mut hat: Viele in der Branche waren überzeugt, dass Hrubesch nicht ter Stegen und Leno gleichzeitig zur U21-EM mitnimmt, Leverkusens Sportchef Rudi Völler hat das vor kurzem sogar öffentlich gesagt. Ter Stegen und Leno sind sich seit Jahren in inniger Ablehnung verbunden, sie entstammen demselben Jahrgang und begegnen sich ständig in denselben DFB-Mannschaften, in denen immer der eine dem anderen den Platz wegnimmt. Meistens ist ter Stegen der eine und Leno der andere.
In den offiziellen Unterlagen fürs U21-Turnier wird Leno mit der Rückennummer "1" geführt, während ter Stegen die "12" trägt, aber spätestens nach diesem Finale von Berlin dürfte Hrubesch alles auf die Zwölf setzen. Kein Trainer wird es sich erlauben, den Lauf eines Champions-League-Siegers zu unterbrechen, erst recht nicht, wenn dieser Sieger mit dem offiziellen Gütesiegel der vorgesetzten Amtsbehörde anreist. Ter Stegen habe sich mit diesem Titel "für seine Beharrlichkeit und seine konstant guten Leistungen belohnt", ließ Bundestrainer Joachim Löw ausrichten und prophezeite dem 23-Jährigen "eine große Zukunft". In der neuen Saison, wenn ter Stegen der U21 entwachsen sein wird, dürfte er festes Ensemblemitglied aufs Löws Bühne werden - anstelle von Roman Weidenfeller, dessen Zukunft selbst in Dortmund bestenfalls offen ist.
Bernd Leno ist ebenfalls ein herausragender Keeper, in den klassischen Kernkompetenzen ist er ter Stegen ebenbürtig. Aber ter Stegen gilt als der Prototyp des modernen Spiels, der mit den Füßen fast genauso gut spielt wie mit den Händen. Allerdings ist völlig offen, ob er in der neuen Saison wieder der Teilzeittorwart für Pokal und Champions League ist, der in der Liga pausieren muss. Das lässt Bernd Leno zumindest kurzfristig hoffen: Er spielt in Leverkusen immer.