Torsten Jansen:Ohne Angst und ohne Nerven

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Er traf, als es darauf ankam, und in der Abwehr deckte er überragend - Torsten Jansen war aufs gesamte Turnier gesehen der wohl beste Spieler des Teams.

Christian Zaschke

Als die deutschen Spieler sich ins Goldene Buch der Stadt Köln eintrugen, rief Bundestrainer Heiner Brand jeden einzeln namentlich auf. Als Torsten Jansen an der Reihe war, sagte Brand ins Mikrofon: ,,Torsten Jansen, der Mann mit dem schönen T-Shirt.'' Alle Spieler trugen den Mannschaftsanzug, doch Jansen trug eine Jeans und ein T-Shirt, als er sich hinsetzte und seinen Namen in das Buch schrieb. Das lag daran, dass plötzlich alles sehr hektisch geworden war.

Torsten Jansen (Foto: Foto: Reuters)

Als die Mannschaft, nachdem sie auf dem Spielfeld lange gefeiert hatte, sich in die Kabine zurückzog, ging Jansen auf die Tribüne zu seiner Freundin und seinem Kind. Er verbringt gern Zeit mit der Familie, auch seine Mutter war gekommen. Nachdem er also einige Zeit mit der Familie verbracht hatte, ging er in die Kabine.

Dort wurde Bier aus Flaschen getrunken, und einmal stimmten die Spieler das Lied der Schlümpfe an, an dessen Refrain man sich praktischerweise in jedem Zustand erinnern kann (,,Lala-lalalalalala-lala''). Dann gab es das Zeichen zum Aufbruch, weil bekannt geworden war, dass sich auf dem Kölner Rathausmarkt wirklich viele Menschen versammelt hatten, und für Jansen wurde es jetzt knapp. Den Anzug konnte er in der Hektik nicht finden, und schließlich musste er zum Bus rennen, der abfahrbereit an der Halle stand.

Er erreichte den Bus, wenn auch im T-Shirt, aber es wäre schlimmer gewesen, wenn der Bus ohne Jansen gefahren wäre, denn er war aufs gesamte Turnier gesehen der wohl beste Spieler des Teams.

Das ist vielen nicht so aufgefallen, auch nicht der Kommission, die das All-Star-Team nominierte, was wiederum daran liegt, dass Jansen keine im Detail spektakuläre Spielweise pflegt, sondern eine in allen Belangen konstante. Dass er nicht so wahrgenommen wurde, passt ganz gut zu seiner Laufbahn, denn Jansen agiert im Angriff auf Linksaußen, auf der Position also, auf der bis Olympia 2004 Stefan Kretzschmar im Nationalteam spielte, der lange Zeit bekannteste deutsche Handballer. Als Kretzschmar bei der EM 2004 verletzt war, spielte Jansen, und die Mannschaft gewann das Turnier.

Das lag nicht an Jansen, aber es zeigte sich damals erstmals, dass er auch auf höchstem internationalen Niveau kein bisschen schlechter spielte als Kretzschmar. Bei dieser WM spielte er besser, besonders, als es darauf ankam.

Im Finale hat er von acht Würfen acht im Tor untergebracht, eine Quote von hundert Prozent. Das ist schlicht sensationell. Beeindruckender noch ist, dass Jansen im gesamten Turnier mit 37 von 41 Würfen traf, er also in zehn Spielen auf nur vier Fehlwürfe kommt. Er wurde stetig besser bis zum Finale, in dem er - so wie Pascal Hens - traf, als das Momentum auf Seiten der Polen war und die Partie zu kippen drohte. Als es darauf ankam, zeigte er, dass er der coolste Mann dieser Mannschaft ist, ein Spieler völlig ohne Angst und ohne Nerven.

Dazu kommt - und das ist der Punkt, der gern übersehen wird -, dass Jansen in der Abwehr exzellente Arbeit geleistet hat. Er deckt auf der linken Halbposition, was bedeutet, dass er gegen den rechten Rückraumwerfer des Gegners spielt. Dort agieren oft überragende Leute, doch wenn sie auf Jansen treffen, haben sie ein Problem. Der Pole Marcin Lijewski, der wegen seiner bis zum Finale gewaltigen Leistung zum besten rechten Rückraumspieler der WM gekürt wurde, erzielte gegen Jansen genau einen Treffer. Er kam nicht zum Zug, obwohl er größer und schwerer ist als Jansen.

Der ist mit 1,85 Metern eher klein für einen Handballer. Er sagt: ,,Ich bin fast immer einen Kopf kleiner und zehn Kilo leichter als mein Gegenspieler. Das muss ich irgendwie kompensieren.'' Er kompensiert es durch Schnelligkeit und Willen. Dass diese Arbeit beim breiten Publikum so wenig gewürdigt wird, stört ihn nicht. ,,Viele nehmen die Statistik und schauen, wer die meisten Tore geworfen hat, und das war dann eben der beste Mann'', sagt er, ,,aber ich freue mich über eine gelungene Abwehraktion noch mehr als über ein Tor.'' Die Statistik des WM-Finales weist Jansen als den Mann mit den meisten Toren aus. Diesmal lügt sie nicht, er war an diesem Tag tatsächlich der Beste.

© SZ vom 6.2.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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