Torschütze in der Diskussion:Italien zerstreitet sich über Éder

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Nicht in Italien geboren und doch ein Italiener: Stürmer Eder traf zum wichtigen 1:0-Sieg über Schweden. (Foto: Vincenzo Pinto/AFP)

Italien könnte sich über seinen vorzeitigen Einzug ins Achtelfinale freuen, doch eine plumpe Ausländerdebatte in der Heimat überschattet das Turnier der überraschend guten Squadra Azzurra.

Antonio Conte kniff die Augen noch ein bisschen enger zusammen und wurde laut. "Ich wähle die Spieler aus, die ich für richtig halte", sagte Italiens Nationaltrainer und schaute finster. Die wieder aufflammende Debatte um seinen in Brasilien geborenen Stürmer Éder gefiel Conte überhaupt nicht: "Éder wollten viele nicht, richtig. Mit anderen Spielern war es das Gleiche. Aber mir ist egal, wer woher kommt und wer wo spielt." Basta!

Éder hatte Italien mit seinem späten Treffer gegen Schweden (1:0) als Gruppenerster ins Achtelfinale geschossen, doch das große Thema hinterher war nicht das Solo des Stürmers, sondern seine Herkunft. Schließlich will der vormalige Nationaltrainer Roberto Mancini, pikanterweise derzeit Éders Klubtrainer bei Inter Mailand, Spieler wie den aus dem brasilianischen Lauro Müller im Bundesstaat Santa Catarina stammenden 29-Jährigen nicht in der Squadra Azzurra sehen. In den sozialen Netzwerken sorgte seine Nominierung teils für heftige Reaktionen.

"Du solltest Italiener sein, wenn du für Italien spielst", hatte Mancini im vergangenen Jahr gefordert: "Wir strengen uns an, um junge Spieler auszubilden, am Ende nominieren wir dann Oriundi." Éder wurde in Toulouse wieder an Mancinis Worte erinnert, die in Italien eine Diskussion um die "Oriundi" - südamerikanische Spieler mit italienischen Wurzeln - ausgelöst hatten. "Ich denke, das war eine unnütze Polemik, die ein bisschen aufgeblasen wurde", sagte Éder, dessen Urgroßeltern Italiener waren und der eine Italienerin geheiratet hat: "Wenn sie zehn Leute fragen, werden fünf dies sagen und fünf das. Ich bin stolz, zu den Azzurri zu gehören. Ende."

Bei Nationaltrainer Conte steht die Mannschaft über allem. Und für die gebe Eder "immer alles"

Die Debatte um die "Oriundi" ist in Italien nicht neu, rund 50 trugen in den vergangenen 96 Jahren das blaue Trikot. Insgesamt sieben von ihnen wurden mit dem Land ihrer Ahnen sogar Weltmeister (1934, 1938 und 2006) - als bisher Letzter Mauro Camoranesi vor zehn Jahren in Deutschland. Dass ihre Nominierung weiter umstritten bleibt, ist für Verteidiger Giorgio Chiellini unverständlich: "Die gleiche Leistung von einem in Italien Geborenen wird immer noch anders bewertet." Conte sieht in Éder einfach einen "sehr schnellen" Angreifer "mit guter Technik", sagte der 46-Jährige, der für Frankreich eine sehr effiziente Mannschaft aufgebaut hat: "Éder hat bewiesen, wie wichtig er sein kann und dass er immer alles fürs Team gibt. Er ist ein anständiger Mann." Die Mannschaft steht bei Conte über allem.

Gegen die Schweden um Topstürmer Zlatan Ibrahimovic spielte die Squadra Azzurra alles andere als schön, aber Italien funktionierte - und gewann. "Nur wenige haben damit gerechnet, dass wir nach zwei Spielen bereits für das Achtelfinale qualifiziert sind, einige hatten uns ja nicht mal das Überstehen der Gruppenphase zugetraut", sagte Conte und wischte alle Zweifel an Éder und seinen Kollegen beiseite: "Ich habe mich für diese 23 Spieler entschieden und sie zahlen es mir auf dem Platz zurück - alle von ihnen. Wir haben mit leeren Reifen begonnen, jetzt versuchen wir, sie mit jedem Spiel aufzublasen."

© SZ vom 20.06.2016 / sid - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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