Tischtennis-WM in Bremen:David verliert gegen Goliath

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Die Fans gaben ihr Bestes, die Halle bebte - doch das erhoffte Wunder fand nicht statt.

Timo Boll und Co. haben China bei der Mannschafts-WM in Bremen nicht vom Thron stoßen können. Die Gastgeber verloren im Halbfinale die Neuauflage des WM-Endspiels von 2004 in Doha vor der WM-Rekordkulisse von 13.500 Zuschauern gegen den haushohen Favoriten 1:3.

Dennoch kann sich die DTTB-Auswahl aufgrund des vorherigen 3:0-Viertelfinalsieges gegen Russland als beste Europäer über Bronze und die siebte Medaille für deutsche Herren in der 80-jährigen WM-Historie und damit einen neuerlich großen Erfolg freuen.

"Eine große Mannschaft"

"Wir müssen noch ein wenig trainieren, aber wir haben die Chinesen ganz schön ins Schwitzen gebracht. Wir werden es wieder probieren", meinte der trotz nur eines Erfolges wieder starke Weltcupsieger Boll (Gönnern) nach seinem entscheidenden 2:3 gegen den Einzel-Weltmeister und Weltranglistenersten Wang Liqin.

"Wir haben nur gegen die stärkste Mannschaft der Welt verloren. Aufgrund der Auslosung hat die Bronzemedaille auch einen silbernen Schimmer", bilanzierte Chefbundestrainer Dirk Schimmelpfennig und blickte schon auf 2008 mit der nächsten Team-WM und Olympia in China.

"Wir haben die Lücke zu den Chinesen gegenüber 2004 etwas verkleinert und sind für Peking auf einem guten Weg, wieder angreifen zu können", sagte Schimmelpfennig.

Auch Herren-Coach Richard Prause lobte seine Spieler: "China taumelte, wir hatten unsere Chance. Tischtennis kann in Deutschland durch dieses Match ein gutes Stück nach vorne gekommen sein. Hut ab vor dieser guten, vielleicht großen Mannschaft."

Boll großartig

Der Ex-Profi entschied sich in der Hoffnung auf den ersten WM-Sieg einer deutschen Herren-Mannschaft gegen China personell für das gleiche Trio wie 2004 in Katar mit Boll, Doppel-Vizeweltmeister Christian Süß (Düsseldorf) und Ex-Doppeleuropameister Zoltan Fejer-Konnerth (Grenzau).

Doch sorgte Boll zunächst gegen seinen früheren "Angstgegner" Ma Lin durch einen 0:2-Rückstand für betretene Mienen auf der DTTB-Bank. Danach jedoch drehte der Weltranglistenzweite die Partie unter den lautstarken "Timo, Timo"-Anfeuerungsrufen der Fans und erzeugte durch sein von tosendem Jubel begleitetes 3:2 über den Weltranglistenvierten - sein neunter Sieg im neunten WM-Einzel - den erhofften Druck auf die Titelträger.

"Wenn die Chinesen nach zwei Einzeln nicht 2:0 führen, werden sie auch nervös", lautete Schimmelpfennigs Kalkül.

Doch nach Deutschlands erst zwölftem Punkt gegen die Asiaten in einem WM-Spiel seit 1959 verkaufte sich der 20-jährige Süß gegen Wang Liqin zwar überaus teuer, blieb indes mit 0:3 ebenso ohne Satz wie anschließend Fejer-Konnerth gegen den Olympia-Zweiten Wang Hao, so dass Boll im vierten Einzel gegen Wang Liqin wieder unter Zugzwang stand.

Ärger über den Affen

Im hochklassigen Duell der beiden besten Spieler der Welt fightete der 25-Jährige beherzt, konnte seinen Triumph über den WM-Champion vom Weltcup im Herbst 2005 aber nicht wiederholen.

Während die Chinesen die Vorbereitung auf das Finale (Montag/13.15 Uhr) entweder gegen Südkorea oder Hongkong begannen und zugleich den 16. WM-Titel ihrer Damen (3:1 im Endspiel gegen Hongkong) feiern konnten, herrschte im Lager des Deutschen Tischtennis-Bundes (DTTB) trotz des verpassten Final-Einzugs große Zufriedenheit mit der Medaille.

Vor 2004 hatten deutsche Herren auch schon 1969, in München Silber sowie außerdem 1963, 1967, 1993 und 1997 Bronze geholt.

Die DTTB-Damen landeten unterdessen zwei Jahre nach Platz sechs in Doha auf Rang elf (3:1 im Platzierungsspiel gegen Tschechien) und beklagen damit ausgerechnet beim "Heimspiel" ihr schwächstes WM-Ergebnis seit Rang 13 bei den Titelkämpfen 1991 im japanischen Chiba.

Ex-Europameisterin Nicole Struse (Kroppach) haderte immer noch mit der wegweisenden Fehlentscheidung des Schiedsrichters im Achtelfinal-Playoff gegen Österreich (1:3): "Das Viertelfinale wäre passender gewesen. Da sieht man mal, was so ein Idiot und Affe alles anrichten an."

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