Tischtennis-Talent:Konzept Kind

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Neun Stunden Training pro Tag: Tomokazu Harimoto, 13, scheiterte bei der WM erst im Viertelfinale am Weltranglisten-Dritten aus China. (Foto: Patrik Stollarz/AFP)

Der 13-jährige Japaner Tomokazu Harimoto rüttelt bei der Tischtennis-WM in Düsseldorf an Chinas Dominanz. Sein Geheimnis: jeden Tag neun Stunden Training. Und die Schule? In Deutschland wäre sein Weg jedenfalls undenkbar.

Von Ulrich Hartmann, Düsseldorf

Die Tischtenniswelt hat Angst vor einem Kind. Es ist 13 Jahre alt und lehrt die besten Spieler des Planeten das Fürchten. Der Japaner Tomokazu Harimoto, 13, wurde im vergangenen Dezember in Kapstadt jüngster Junioren-Weltmeister der Tischtennis-Geschichte und drang bei der Weltmeisterschaft in Düsseldorf am Wochenende als jüngster Spieler der Historie bis ins Viertelfinale vor. Als Sohn ehemaliger chinesischer Nationalspieler, die vor 19 Jahren nach Japan emigrierten, fließt in seinen Adern das Blut jener Chinesen, die er in den kommenden Jahren im Kampf um die wichtigsten Titel herausfordern wird. In Düsseldorf verpasste Harimoto das Halbfinale noch knapp. Er bot dem Weltranglistendritten Xu Xin, 27, aber einen hartnäckigen Kampf. Seine Karriere, das war nach Harimotos Aus klar, hat gerade erst richtig begonnen.

Chinas Tischtennisspieler können sich ihrer langjährigen und bisweilen schon langweilig anmutenden Dominanz in der Zukunft nicht mehr allzu sicher sein. Es werden aber eher nicht die Deutschen sein, die sie mittelfristig am härtesten herausfordern, sondern die Südkoreaner und Japaner. Der Südkoreaner Lee Sangsu war in Düsseldorf als einziger Nicht-Chinese ins Halbfinale vorgedrungen, weil er den Olympiasieger und zweimaligen Weltmeister Zhang Jike in der dritten Runde ausgeschaltet hatte. Lees Landsmänner Cho Seungmin und Jang Woojin sind erst 19 und 21 Jahre alt, die Japaner Yuto Maramatsu und Koki Niwa 20 und 22. Und das Ziel des 13 Jahre alten Harimoto lautet, klar: "Olympiasieger 2020 in Tokio!"

"Die Japaner haben mit Blick auf Olympia im eigenen Land derzeit sehr viele gute Nachwuchsspieler", bestätigt der deutsche Männerbundestrainer Jörg Roßkopf, das Land habe "enorm aufgeholt". Richard Prause, Sportdirektor des Deutschen Tischtennis-Bunds, will sich von der langen Liste der asiatischen Talente aber "nicht blenden lassen". Aus Asien seien schon immer sehr viele sehr junge Spieler gekommen, das liege auch am dortigen System, mit viel Training bereits im Kinder- und Jugendalter. "Zhang Jike gilt da einigen ja schon als Tischtennis-Opa", sagt Prause über den 29-jährigen Chinesen. Manche verbrauchen sich durch ihren frühen Karrierestart also womöglich schneller. "In Europa erreichen viele Spieler erst in der zweiten Hälfte ihrer 20er-Jahre ihr Leistungshoch", sagt Prause.

Allerdings ist man auch in Deutschland froh über jedes Talent. "Jedes Land hätte gerne einen Harimoto", sagt Prause. Dass Timo Boll mit seinen 36 Jahren bei der WM wieder Deutschlands Bester war, verrät über seine herausragende Fitness ebenso viel wie über die mittelfristig wohl schwächeren Perspektiven des deutschen Tischtennis. Dimitrij Ovtcharov, auch schon 28, hat bei seinem sechsten Auftritt in einem WM-Einzel zum sechsten Mal das Viertelfinale verpasst. Ein Harimoto? Ist hierzulande nicht mal im Ansatz in Sicht.

Für Prause ist klar, dass ein Trainingsmodell wie jenes von Harimoto in Deutschland nicht funktionieren würde. "Wir können das nicht einfach kopieren, wir fahren da mit unserem dualen System ganz gut", sagt er. "Ich trainiere neun Stunden jeden Tag", hatte der kleine Harimoto in Düsseldorf stolz erklärt. "Ich weiß gar nicht, wann er dann noch zur Schule geht", sagt Roßkopf. "In Japan richtet sich die Schule nach ihm, nicht umgekehrt", weiß Prause. "Die Japaner machen es den Chinesen gerade sehr erfolgreich nach", erklärt der deutsche Sportdirektor über die Sichtungs- und Trainingsmethoden in Japan. Harimoto ist dabei freilich noch ein besonderer Fall. Der kleine Chinese im japanischen Gewand wohnt mit seinen Eltern direkt über der Sporthalle des Leistungszentrums. Den Namen Harimoto wird man sich auch im Frauenbereich merken müssen. Tomokazus kleine Schwester Niwa ist neun Jahre alt. "Sie soll sogar noch besser sein", sagt Roßkopf.

© SZ vom 06.06.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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