Tischtennis-Männer holen Silber:Zerplatzte Blasen

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Ehrenrettung: Im Finale der Mannschafts-WM gelang Patrick Franziska der einzige Satzgewinn für das deutsche Team. (Foto: Jonas Ekstromer/AP)

Die deutschen Tischtennis-Männer hatten lange ihren Traum von einem WM-Titel mit dem Team gehegt. Aber dann verletzte sich einer nach dem anderen, und China machte im Finale kurzen Prozess. Nach dem 0:3 bleibt wieder einmal Silber.

Von Ulrich Hartmann, Halmstad/München

Der Thriller dauerte fast vier Stunden, und als die deutschen Tischtennis-Männer ihn gewonnen hatten, purzelten sie hinter dem Tisch jubelnd übereinander wie man es bloß tut, wenn man ein großes Spiel gewonnen hat. Leider war es erst das Halbfinale gegen Südkorea gewesen. Am Samstagabend hatten Timo Boll, Dimitrij Ovtcharov und Patrick Franziska bei der Mannschafts-Weltmeisterschaft in Schweden ihren glücklichsten Moment gefeiert, als sie wussten, dass sie ins Endspiel gegen China eingezogen sind. Ein Endspiel gegen China ist dann gar kein so ganz großes Vergnügen mehr, das wussten die deutschen Spieler schon aus den Jahren 2008 (Olympia), 2010, 2012 und 2014 (jeweils WM).

Am Sonntag haben sie nun zum fünften Mal ein großes Finale gegen China verloren. So schnell wie bei diesem 0:3 binnen 1:43 Stunden ging es aber selten, die Deutschen gewannen nur einen Satz. Kurioserweise erschien die deutliche Niederlage diesmal trotzdem besonders bedauerlich, weil Boll, Ovtcharov und Franziska in den vergangenen Monaten jeder für sich in außergewöhnlich guter Form war. In Halmstad aber plagte sich Boll mit dem Ischias, Ovtcharov mit den Folgen einer Entzündung im Oberschenkelhals und Franziska mit der Oberschenkelmuskulatur. Ovtcharov konnte am Sonntag im Finale gar nicht mehr mitspielen, das war am Samstagabend schon abzusehen, als er 0:3 gegen den Südkoreaner Jang Woojin verlor. Ohne Ovtcharov und mit weiteren Wehwehchen ist in so einem Finale aber nichts zu holen. Während die seit 2001 durchgängig als Weltmeister thronenden Chinesen in Halmstad von ihren 24 WM-Matches kein einziges verloren, waren die deutschen Spieler angesichts der schwierigen Umstände glücklich, dieses Endspiel erreicht zu haben. Man tröstete sich mit dem Vorhaben, es 2020 bei Olympia in Tokio erneut zu versuchen.

Ovtcharov saß mit traurigem Blick auf der deutschen Bank, als Boll zum ersten Einzel gegen Ma Long an den Tisch trat. Die beiden sind befreundet, sie haben bei Weltmeisterschaften schon zusammen Doppel gespielt, noch im vergangenen Jahr in Lüttich hatte Boll es geschafft, Ma Long zu besiegen. Damals war Ma Long angeschlagen, diesmal war es Boll. Das Match dauerte nur 26 Minuten, der Deutsche war chancenlos und verlor in drei Sätzen. Doch er wirkte gefasst. Boll kann die Bedingungen stets gut einschätzen und wusste, dass dieses Finale keine Glücksmomente wie am Abend zuvor bereithalten würde. Mit einer Bilanz von 7:2 Erfolgen beendete der für Borussia Düsseldorf in der Bundesliga spielende 37-Jährige die WM, nur gegen Ma Long und den Ägypter Omar Assar hat er verloren.

Die Schweden waren die Letzten, die gegen China gewannen - 18 Jahre ist das jetzt her

Auch Ruwen Filus hat in Halmstad nur zweimal verloren, darunter am Sonntag gegen den aktuellen Weltranglisten-Ersten Fan Zhendong. Filus spielt in der Bundesliga für Fulda-Maberzell, er liebt das defensive Spiel, schlägt meist mit Unterschnitt zwei, drei Meter hinter dem Tisch, was auch die Partie gegen Fan Zhendong durchaus unterhaltsam machte. Aber am Ende war auch der 30-Jährige chancenlos beim 0:3 binnen 23 Minuten.

Zwischendurch spielten die Schweden das Lied "99 Luftballons" von Nena in der Halle ein, ungefähr genauso viele Traumblasen platzten am Sonntag im deutschen Tischtennisteam. Als Ovtcharov zu Beginn dieses Jahres die Führung in der Weltrangliste erobert hatte und Boll nach einem genauso starken Jahr 2017 zum Welt-Tischtennisspieler gekürt worden war, da gediehen plötzlich Gedanken, dass man es in Halmstad ja vielleicht doch einmal mit den Chinesen würde aufnehmen können, dass man vielleicht die Gunst eines unverhofften Augenblicks nutzen und Geschichte schreiben könnte. Vor 18 Jahren hatten letztmals die Schweden die chinesische Dominanz unterbrochen. Jan-Ove Waldner, Jörgen Persson und Peter Karlsson bildeten damals eine goldene Generation. Mit Ovtcharov, Boll und Franziska in Bestform hat der Deutsche Tischtennis-Bund auch ein Trio zusammen, das die Chinesen in Schwierigkeiten bringen könnte, aber davon waren sie diesmal weit entfernt.

Als Franziska in sein Einzel ging, waren die 99 deutschen Traumblasen längst zerplatzt. Der 25-Jährige, der für Saarbrücken in der Bundesliga spielt, hatte mit Xu Xin jenen der drei Chinesen zum Gegner, der am ehesten als besiegbar gilt. Und wirklich gewann Franziska den ersten Durchgang und verhinderte, dass die Deutschen ohne Satzgewinn aus dem Finale herausgehen mussten. Doch die nächsten drei Sätze gingen an den Chinesen. Zum fünften Mal binnen zehn Jahren trösteten sich die Deutschen mit Silber. Auf Dauer ist das ein schwacher Trost - aber noch sind sie ja auch nicht bereit, ihre Träume von Gold aufzugeben.

© SZ vom 07.05.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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