Terrorismus:"In der Haut von 007"

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Der ehemalige FC-Bayern-Star Bixente Lizarazu wurde bedroht und bricht ein Tabu: Er spricht in einem Buch erstmals über die baskische Terrororganisation Eta.

Javier Cáceres

Es war der 12. Dezember 2000, als im Elternhaus des französischen Weltmeisters Bixente Lizarazu ein Brief eintraf, der sein Leben veränderte. "Ich habe nie wieder derselbe sein können", berichtet der frühere Linksverteidiger des FC Bayern München.

Warum diese Drohung? Bixente Lizarazu rätselt. (Foto: Foto: ddp)

Der Brief trug keine Unterschrift, jedenfalls nicht im herkömmlichen Sinne, denn er war im Namen der baskischen Terrororganisation Eta verfasst worden und forderte ihn auf, eine sogenannte Revolutionssteuer abzuführen, wie der erpresserische Terminus genannt wird. Bislang hatte Lizarazu zu dieser Episode geschwiegen - die Eta hat in ihrem Kampf um ein unabhängiges Baskenland Hunderte von Menschenleben auf dem Gewissen.

Nun hat er eine ausführliche Stellungnahme abgegeben, in einer 250 Seiten starken Autobiografie, die am 2.Mai in die Buchhandlungen kommt, aber im Baskenland bereits für einigen Gesprächsstoff sorgt, seit die Zeitung El Correo (Bilbao) vorab berichtete.

"Wir sind beunruhigt und zornig, denn du hast die Farben eines feindlichen Staates verteidigt. (...) Du bist sehr gut dafür bezahlt worden, das Trikot eines Unterdrückerstaates zu tragen, mit Geld, das den Basken und ihrem Volk geraubt wurde. In Anbetracht der Beträge, die du vom Feind erhalten hast, wendet sich Eta an dich. Solltest du dem nicht nachkommen, würde dies eine Antwort nach sich ziehen." Dies sei, so Lizarazu, der Text des Briefes gewesen.

"Warum diese Drohung? Ich weiß es immer noch nicht", schreibt Lizarazu, der 1969 in Saint-Jean-de-Luz, im französischen Baskenland, geboren wurde und seine Herkunft stets betont hatte. Bis zu jenen Tagen: "Seither bin ich, was die Betonung meines Baskentums anbelangt, diskreter geworden."

Das Theater in Bilbao

Damals war Lizarazu bereits seit drei Jahren für den FC Bayern tätig, seinen Wechsel nach München bezeichnet der heutige Kommentator des französischen TV-Senders Canal plus als "die beste Entscheidung" seiner Karriere.

Die Bayern hatten den französischen Nationalspieler bei Athletic Bilbao abgeworben, einem ebenso traditionsbewussten wie baskisch-nationalistisch gefärbten Verein, der einen Sonderfall im europäischen Fußball darstellt. Er nimmt nur Spieler baskischer Herkunft unter Vertrag.

Lizarazu stellte eine Ausnahme dar, weil Athletic bis dahin nur Basken engagierte, die auf der spanischen Seite geboren waren, nicht wie Lizarazu auf der französischen, welche die baskischen Separatisten ebenfalls als Teil ihres Vaterlandes betrachten.

Die politische Dimension seiner Entscheidung für Athletic habe er damals unterschätzt, berichtet Lizarazu. ,,Sag', dass du kein Ausländer sein kannst, denn du bist Baske'', habe ihm Athletics damaliger Präsident José María Arrate geraten.

,,Mich hat dieses ganze Theater genervt. Ich hatte keinerlei Probleme mit meinem Baskentum, aber ich habe auch nicht die Notwendigkeit gesehen, mich zu rechtfertigen'', schildert Lizarazu. Sein Abschied nahm traumatische Züge an: Arrate versuchte, ,,mich als Vaterlandsverräter hinzustellen. Welch Zynismus!''

"Surferschönling aus Frankreich"

Nach Bekanntwerden des Erpressungsversuchs fand sich kein Spieler Athletics bereit, sich mit ihm zu solidarisieren. Bis heute hängt ihm der Vorwurf nach, er habe sich hängen lassen, nachdem ihn Franz Beckenbauer zu Bayern gelockt habe.

Ein Kommentator von El Correo nahm in dieser Woche zwar keinen Bezug zu den Drohungen, porträtierte aber Lizarazu als abtrünnigen Söldner, einen ,,Surferschönling aus Iparralde (französisches Baskenland auf baskisch/d. Red.), der die Marsellaise mit dem Impetus eines Tenors des Chors der Fremdenlegion sang''.

In jenen Tagen versuchte Lizarazu, in der Eta-Rhetorik einen Sinn zu erkennen ,,Es wird kein Betrag verlangt. Die Situation kommt mir absurd vor. Ich bin traurig, enttäuscht und angeekelt. Vor allem habe ich den Eindruck, dass ich von Leuten manipuliert werde, die unter dem Mantel der Anonymität meine Bekanntheit ausnutzen, um einer Sache Geltung zu verschaffen, die nicht die meine ist.''

Ein Jahr lang wurde er von zwei Polizisten eskortiert, die jeden Morgen seinen Wagen untersuchten, unter die Karosserie schauten, ihn zündeten. In den Flughäfen musste er Eingänge benützen, ,,die normalerweise den Staatschefs vorbehalten sind''. In Deutschland wurde er in einer gepanzerten Limousine zum Training gefahren, mit Waffen in greifbarer Nähe. ,,Ich stellte mir vor, ich würde im Aston Martin von James Bond sitzen. Dieses Delirium, mich in die Haut von 007 zu begeben, nahm diesem Ritual die Schwere und erlaubte mir, es auszuhalten.''

Der Verbundenheit zu seiner Heimat haben die Drohungen nichts genommen. ,,Trotz der nebulösen politischen Situation, trotz der Dummheit gewisser Verhaltensweisen sehe ich einen großen Unterschied zwischen französischem und spanischem Baskenland. Dieser Landstreifen macht mich glücklich und stolz'', schreibt Lizarazu.

© SZ vom 28.4.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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