Tennis-Profi Kohlschreiber:"Man erinnert sich an Sieger"

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Philipp Kohlschreiber hat vor einer Woche in München zum ersten Mal ein ATP-Turnier gewonnen. Jetzt spricht er über Trainingsschwänzereien, Nadal und seinen Wandel zum ernsthaften Tennisprofi.

Interview: Gerald Kleffmann

Philipp Kohlschreiber, 23, ist Tennisprofi und hat vor neun Tagen sein erstes ATP-Turnier gewonnen, ausgerechnet in München, wo er viele Jahre lebte und wo er noch zu Hause ist, auch wenn sein Wohnsitz in der Schweiz liegt (man ahnt, warum). Im Tennisleistungszentrum in Oberhaching, der TennisBase, feilt der gebürtige Augsburger seit fast zehn Jahren an seinem Spiel, seine Freundin kommt aus München.

Der Augenblick des ersten Turniersieges: Philipp Kohlschreiber in München. (Foto: Foto: Reuters)

In Hamburg hat die Nummer 33 der Weltrangliste am Montag die erste Runde souverän überstanden und Marcos Baghdatis in zwei Sätzen besiegt. Am Mittwoch trifft er auf den Russen Igor Andrejew. Vor dem Masters-Turnier nahm sich Kohlschreiber Zeit, um nochmals über seinen Münchner Triumph, sein Vorbild und seinen Wandel vom schwierigen Talent zum energiegeladenen Profi zu reden.

SZ: Herr Kohlschreiber, drei Tage lang wollten Sie sich nach Ihrem Sieg bei den BMW Open wie ein King fühlen. Wie war es, König zu sein? Kohlschreiber: Das habe ich nur zum Spaß gesagt. Als ungeschlagener Mann aus einem Turnier hervorzugehen, das war eben etwas Besonderes. Der Montag danach war stressig. Das Handy hat nur gebimmelt, am Abend kamen zwei TV-Auftritte hinzu. Das war ungewöhnlich, ich bin das ja nicht gewöhnt, so gefragt zu sein. Ich habe mich dann mit meinem Team zusammengesetzt und beraten, welche Termine wir machen.

SZ: Was bleibt hängen von der Woche? Kohlschreiber: Ich fühle mich noch immer toll. Jeden Tag kommt ein neues schönes Gefühl dazu. Aber schon hier in Hamburg muss ich weiter gute Leistung bringen. Es wird einem nichts geschenkt.

SZ: Golfprofis können später jeden Schlag im Kopf nachspielen. Sie auch? Kohlschreiber: Bei mir geht's schneller. Ich habe die Matches in München gegen Nieminen und Grosjean am Abend verarbeitet, beim Einschlafen. Ich lag im Bett und bin zusammengezuckt. Einmal bin ich im Traum zum Stopp gelaufen. Das Finale konnte ich noch nicht wirklich verarbeiten. Ich war so platt. Das kommt jetzt langsam. Wenn ich zum Beispiel bei Rot an der Ampel stehe und nachdenke. Dann fällt mir ein: Dieser oder jener Ball war schon geil.

SZ: Sie kämpfen stets wie ein Löwe. Was treibt Sie an? War es das Auto, das Sie in München gewonnen haben? Kohlschreiber: Das Auto war es nicht. Die Monstermotivation war, das Turnier zu gewinnen. Man erinnert sich nicht lange an Zweite. Man erinnert sich an Sieger. Ich wüsste nicht, wie es wäre, wenn ich verloren hätte. Ich wäre zwar stolz gewesen, doch als Turniersieger werden Vergleiche aufgestellt. Nach 13 Jahren hat wieder ein Deutscher gewonnen. In den letzten Jahren waren nur Tommy Haas, Rainer Schüttler und nun ich bei einem Turnier erfolgreich. Man wird in eine andere Liga eingeordnet, in der ich mich noch gar nicht ganz sehe. Die Jungs waren Top-Ten-Spieler. Doch es ist schön, mit diesen Leuten in einem Atemzug genannt zu werden.

SZ: Woher nehmen Sie diesen Glauben an sich? Das ist man von deutschen Profis nicht immer gewohnt. Kohlschreiber: Wenn ich gut drauf bin, glaube ich daran, was ich sage. Inzwischen habe ich ja auch meine Sprüche bestätigt und gute Jungs geschlagen. Das gibt mir das Selbstvertrauen, das ich brauche, um weiterzukommen. Jetzt war es an der Zeit, dass ich weiter komme als ins Viertelfinale. Ich wollte mir ein hohes Ziel stecken, mich in diese Motivationsphase bringen und sagen: Okay, das wird dein Turnier.

SZ: Sie waren nicht immer derart entschlossen und fokussiert. Kohlschreiber: Aber ich habe den Wandel geschafft. Früher, als Nachwuchsspieler, war ich nicht so tough wie jetzt. Als Jugendlicher habe ich gesagt: Oh, schönes Wetter, ich geh lieber baden. Irgendwann hat es klick gemacht, und ich habe verstanden: Das ist mein Beruf, davon lebe ich, das kann ich mir nicht leisten, an manchen Tagen keine Lust zu haben.

SZ: Weil Sie sonst stehenbleiben. Kohlschreiber: Ja, die Einstellung muss stimmen. Das war früher mein Problem. Ich bin ein energiegeladener Junge, ich kann auch ein bisschen ausflippen. Heute habe ich das aber gut unter Kontrolle. Ich habe gelernt, mich schnell wieder zu konzentrieren. Boris Becker hat früher auch den Schläger zertrümmert, aber danach war er da. Das ist wichtig.

SZ: Sie sollen früher schwierig gewesen sein. Stimmt das? Kohlschreiber: Ich habe mich nicht so schwierig empfunden. Aber ich war einer, der gegen den Strom geschwommen ist. Ich habe mich nicht immer sofort unterworfen. Und das brachte schon Probleme mit sich. Ich hatte manchmal keine Lust zu trainieren. Dann habe ich meine Saiten angeritzt, dass sie nach drei Schlägen rissen. Ich sagte: Och, ich habe keine Schläger mehr, ich geh. Das war nicht einfach für den Trainer. Da muss ich für mich und mein Glück danke sagen, dass hier immer wieder mein Talent gesehen wurde und die Leute von der TennisBase und vom Bayerischen Tennis-Verband daran geglaubt haben, mich in den Griff zu bekommen. Hätten die gesagt, der ist uns zu anstrengend, hätten sie mich fallenlassen können. Ich weiß nicht, wo ich heute wäre.

SZ: Mit Ihrer Beziehung zur jungen Münchnerin Lena Alberti sind Sie später offenbar auch bei manchen angeeckt. Kohlschreiber: Wir waren sehr jung, als wir uns gefunden haben, aber ich hatte das sichere Gefühl, sie hilft mir einfach. Da soll keiner reinreden. Patrik Kühnen hatte damals Zweifel und gemeint, das könnte mich zurückwerfen. Michael Geserer hat gesagt, nee, der Junge braucht das, ich steh voll hinter ihm. Das hat mir Kraft gegeben. Ich brauche Personen eng um mich rum.

SZ: Wie kam Ihr Wandel zustande? Kohlschreiber: Man braucht auf jeden Fall Hilfe. Am meisten hilft der Trainer, er steht mit dir auf dem Platz, kriegt die Schwächephasen mit. Jeder Trainer in der TennisBase, den ich hatte, hat mich weitergebracht. Ich wollte mir einfach das Image aufbauen, dass die Gegner sagen: Der Junge ist tough. Bei dem musst du gut spielen, der bleibt bei jedem Punkt dran. So wie man das über Nadal sagt. Der gibt einem keine Pausen zum Verschnaufen, der fightet um jeden Ball, egal wie es steht. Da will ich hinkommen.

SZ: So langsam hat sich das bei Ihnen mit dem Toughsein rumgesprochen. Kohlschreiber: Ja, es hat mit guten Trainingsergebnissen angefangen, dass ich mit vielen Jungs mithalte. Auch Roger Federer hat schon mal gesagt: Das war ein gutes Training mit dir. Das bestätigt einen. Lange konnte ich diese Leistungen dann im Turnier nicht umsetzen, nun wird es besser. Die Jungs wissen inzwischen: Ich bin von der Art und der Energie sehr schwer zu spielen. Und ich finde es richtig gut zu gewinnen.

SZ: Was gefällt Ihnen daran so sehr? Kohlschreiber: Ich habe mir irgendwann gesagt: Du willst dir doch mal ein schönes Auto leisten können, du willst doch nach oben. Und es ist schön, wenn Menschen auf dich zugehen und Anteil nehmen an deinem Spiel.

SZ: Sie wissen vieles einzuschätzen. Sind Sie bescheiden aufgewachsen? Kohlschreiber: Ich würde sagen normal. Wir haben gut leben können. Meine Mama war nur halbtags in der Arbeit, wir hatten eine Tankstelle, die meine Eltern dann verkauft haben. Es ging uns nicht schlecht, wir hatten vielleicht mehr auf der Seite, aber haben nichts Überdimensionales gemacht. Meine Eltern leben immer noch in einer Doppelhaushälfte in Königsbrunn.

SZ: Aber Sie wissen genau, von wo Sie kommen? Kohlschreiber: Ja, natürlich. Ich habe einfach das meiste Problem mit Leuten gehabt, die abdriften, wenn sie erfolgreich sind. Ich habe immer gesagt: Jungs, egal, wer es ist - wenn ich so werde: direkt Baseballschläger rausholen, einen über die Rübe ziehen. Ich will mich nicht durch Erfolg oder Geld verändern, ich will immer einen Spruch auf den Lippen haben. Wichtig ist nun, dass ich im Herzen weiß, wie toll diese Tage sind, aber dass es wieder schwer werden wird.

SZ: Sie klingen diszipliniert. Irgendetwas werden Sie sich aber noch gönnen in diesem Jahr, oder? Kohlschreiber: Unabhängig vom Erfolg gönne ich mir am Ende des Jahres einen schönen Urlaub, das ist der einzige. Die Malediven mag ich. Aber nichts völlig Überteuertes. Ich mag die Abgeschiedenheit und Ruhe. Ich gönne mir aber auch gerade einen schönen BMW, den ich lease. Einmal habe ich mir einen Flat-TV gekauft, aber so etwas war immer nach gewissen Erfolgen. Das Turnier war gut, das Ziel ist erreicht. So denke ich.

© SZ vom 15.5.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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