Tennis-Davis-Cup:Ein Fitzelchen Cordoba

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Rainer Schüttler und Philipp Kohlschreiber bestreiten die Einzel in der Davis-Cup-Partie gegen Österreich. Der Gegner motiviert sich mit historischen Ereignissen.

René Hofmann

Als der österreichische Tennisprofi Jürgen Melzer zum ersten Mal die Halle betrat, in der das Davis-Cup-Erstrundenmatch gegen Deutschland steigt, trug er eine vielsagende Jacke. Auf der Rückseite seines Trainingsanzugs stand: "Wir sind Cordoba." In dem Ort in Argentinien besiegte die österreichische Fußball-Auswahl bei der WM 1978 im letzten Spiel der Zwischenrunde die deutsche Elf 3:2.

Rainer Schüttler (im Bild) und Philipp Kohlschreiber bestreiten die deutschen Einzel. (Foto: Foto: AP)

Dass die Rede bei Sport-Vergleichen zwischen den beiden Ländern auf dieses Ergebnis kommt, hat seitdem Tradition. "Wir werden mit allen Mitteln versuchen zu gewinnen", verspricht Melzer denn auch vor dem Tennis-Vergleich. So martialisch, wie es klingt, ist das aber nicht wirklich gemeint. Und auch die provokante Jacke hat Melzer schnell ausgezogen und gegen das rot-weiße Nationaldress getauscht, in dem er an diesem Freitag in der zweiten Partie Philipp Kohlschreiber gegenübertreten wird. Zuvor messen sich ab 14.30 Uhr Rainer Schüttler und Stefan Koubek.

"Ein bisserl überraschend" findet der österreichische Routinier die deutsche Aufstellung. Auch Kapitän Gilbert Schaller rechnet fest damit, "dass wir Nicolas Kiefer am Wochenende noch in einem Einzel sehen werden". Vorläufig ist der Hannoveraner lediglich fürs Doppel am Samstag ab 13.30 Uhr an der Seite von Debütant Christopher Kas vorgesehen. Österreich wird dann das eingespielte Duo Julian Knowle/Jürgen Melzer aufbieten.

"Das war keine leichte Entscheidung", sagt Teamchef Patrik Kühnen über den Entschluss, Kiefer im Einzel zu schonen: "Aber Philipp und Rainer sind mehr im Turniergeschehen drin." Kiefer hat sein letztes Match auf der Tennistour Anfang Januar bestritten. Beim Hopman Cup rissem ihm zwei Bänder am Sprunggelenk. Klaglos fügt er sich deshalb in die Nebenrolle. Mehr noch. Er lobte Kühnen sogar: "Patrik hat die richtige Entscheidung getroffen. Ich muss realistisch sein. Ich habe immer noch die Möglichkeit, dass dies hier ein guter Start für mich wird."

Kiefer wird wie Schüttler und Kohlschreiber auf der Rangliste im Moment unter den ersten 40 geführt. Jürgen Melzer ist als Nummer 32 der mit Abstand beste Österreicher. Doch so eindeutig, wie die Zahlen suggerieren, dürfte der Vergleich nicht ausfallen. Die Gäste haben Gefallen an der Außenseiterrolle gefunden.

"Die Kompaktheit spricht für das deutsche Team", sagt Kapitän Schaller: "Das ist eine klasse Truppe." Das 4000 Zuschauer fassende Stadion wird gut gefüllt sein. Etwa 400 Karten gingen nach Österreich. Die Aussicht, dass die "Austria!"-Rufe untergehen könnten, schreckt Schaller nicht: Die Deutschen sollten ruhig schreien. "Auch das kann anspornen", sagt der 39-Jährige und schickt gleich noch ein Kompliment hinterher: Die Zuschauer in Garmisch seien bestimmt lebendiger als die 8000 Briten, mit denen es seine Auswahl zuletzt in Wimbledon zu tun hatte. "Wir haben absolut nichts gegen die Deutschen", sagt Schaller fast entschuldigend.

Als die beiden Länder sich das letzte Mal begegneten, war das noch ganz anders. 1994 war das, im Grazer Vorort Unterpremstätten, im Freizeitcenter Schwarzl, benannt nach einem Schotter-Unternehmer. Zum Freizeitcenter gehörte auch ein FKK-Areal, was den Spott der Gäste natürlich anstachelte.

Im Grunde ging es damals um das gleiche wie an diesem Wochenende: Um das Weiterkommen in der ersten Runde der Weltgruppe. Weil die Deutschen aber Wimbledon-Sieger Michael Stich aufboten und die Österreicher das lange zerstrittene Duo Thomas Muster und Horst Skoff entgegensetzten und 11000 Fans anreisten, ging es schnell um Grundsätzliches. Als Marc-Kevin Goellner spielte, schallte es: "Zieht dem Goellner das Kappi richtig auf - Kappi richtig auf!", was Michael Stich ziemlich "unfair" fand und den Sprecher des Deutschen Tennis-Bundes an "Dimensionen der Unfairness wie in Brasilien" erinnerte.

Die Bild-Zeitung beschimpfte die Österreicher als "Hass-Team", die Boulevard-Kollegen zogen nach. Es war ein Duell, das alle forderte: Im vorletzten Einzel unterlag Stich Muster 4:6, 7:6 (8), 6:4, 3:6, 10:12. Anschließend ging er mit einem Stuhl duschen, so ausgelaugt war er. Letztlich gewannen die Deutschen dank Goellner 3:2.

"Das war eines der emotionalsten Matche, an die ich mich erinnern kann", sagt Patrik Kühnen über das Doppel, in dem er damals mit Stich in fünf Sätzen triumphierte. "Das war ein irrsinniger Hype und ein einmaliger Hexenkessel", kommt seinem Gegenüber Schaller in den Sinn, wenn er an jene Tage zurückdenkt: "Die Genugtuung, die Deutschen zu schlagen, wäre damals schon eine große gewesen, so wie sie aufgetreten sind."

Von einem ähnlichen Hass-Duell ist diese Begegnung weit entfernt. Dazu hat sich das Niveau zu sehr verschoben. Der Sport ist in beiden Ländern nicht mehr groß genug, um ganz große Gefühle zu wecken. Und: Dazu kennen sich die Spieler zu gut und dazu kommen sie auch zu gut miteinander aus. Sogar Fußball schauen geht gemeinsam, wie sich am Samstag bei der Bundesliga-Partie Bremen gegen Bayern zeigte.

© SZ vom 06.03.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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