Tennis Davis Cup:"Da ist was am Machen"

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Aus nächster Nähe: Von der deutschen Bank aus beobachtet Boris Becker (rechts) am Samstag den frustrierten Alexander Zverev. (Foto: Eibner/imago)

Beim Davis-Cup-Spiel gegen Belgien provoziert Boris Becker Spekulationen: Den früheren Grand-Slam-Gewinner reizt offenbar eine Zusammenarbeit mit Alexander Zverev.

Von Philipp Schneider, Frankfurt

Ach, was war das für ein aufregender Samstag für Boris Becker, im Nachhinein wirkt alles wie ausgeklügelt. In der Frankfurter Ballsporthalle wurde Tennis gespielt, das deutsche Davis-Cup-Team verlor überraschend gegen Belgien (1:3). Immer wenn in Deutschland Tennis gespielt wird und Becker auch da ist, dann ist die Halle sozusagen schon ganz gut gefüllt, dann ist das einfach ein Thema für sich: Boris Becker ist da und guckt Tennis.

Am Samstag, es lief das Doppel, das die Zverev-Brüder Mischa und Alexander in fünf Sätzen verlieren sollten, saß Becker im feinen blauen Anzug auf einem Ehrenplatz in der ersten Reihe auf der Tribüne. Und nachdem der Hallensprecher Hans-Jürgen Pohmann, selbst ein verdienter ehemaliger Davis-Cup-Profi, das Publikum über die Anwesenheit des sechsmaligen Grand-Slam-Siegers unterrichtet hatte, erhob sich Becker von seinem Platz und verneigte sich wie ein Elder Statesman unter dem brausenden Applaus des Publikums in alle Richtungen. Einmal nach links. Einmal geradeaus. Einmal nach rechts.

Doch dann geschah etwas Unerwartetes. Becker nämlich, der erste Satz war gerade beendet, setzte sich in Bewegung. Er verließ für fünf Minuten die Halle, und als man sein blondiertes Haar wieder in der Halle leuchten sah, kehrte er nicht etwa auf seinen Ehrenplatz zurück. Nein, Becker setzte sich direkt in die Spielerbox. Neben Philipp Kohlschreiber. Das ist ein Platz, auf den sich selbst ein Boris Becker nicht so einfach setzen darf. Wenn Becker, der von 1997 bis 1999 schon einmal als Spielertrainer Verantwortung im deutschen Davis-Cup-Team übernommen hatte, so unerwartet wieder in dessen Box sitzt, dann ist die plötzlich so voll, dass sie fast platzt.

Am Abend wurde klar, dass der öffentlichkeitswirksame Besuch kein Zufall war. Becker eilte weiter zum nächsten Termin, er folgte einer Einladung zum Ball des Sports im nahen Wiesbaden. Dort landete er unweigerlich vor einer Fernsehkamera des ZDF und wurde befragt, zum Tennis: Ob Boris Becker wieder eine Rolle im deutschen Tennis übernehmen würde?

Vor laufender Kamera plaudert Becker seelenruhig über die vertraulichen Gespräche

"Sie haben recht! Der DTB hätte gerne, dass ich eine Rolle im Davis Cup übernehme", plauderte Becker so seelenruhig drauflos, als seien im angesprochenen Team nicht alle Positionen besetzt. "Das ehrt mich erst mal, aber es ist noch nicht zu Ende diskutiert, was das ist." Grundsätzlich käme er sehr gut mit den deutschen Spielern zurecht, sagte Becker: "Sie verstehen meine Sprache. Oder besser gesagt: Ich verstehe ihre Sprache noch." Und damit auch kein Zuschauer denken sollte, er habe sich soeben verhört, ließ er noch einen wunderbaren Satz folgen, der den Stand der vertraulichen Gespräche mit dem Deutschen Tennis Bund (DTB) in der unmissverständlichen Becker-Sprache auf ihren Wesenskern herunterbrechen sollte: "Da ist was am Machen!"

Der von diesem Interview wohl überrumpelte DTB verschickte am nächsten Morgen schnell eine Pressemitteilung. DTB-Vizepräsident Dirk Hordorff ließ mitteilen: "Der Deutsche Tennis Bund ist grundsätzlich immer an der Expertise von Boris Becker interessiert." In der Tat ist es in der Branche kein Geheimnis, dass der Verband eines Tages gerne wieder einen Kapitän hätte wie Becker oder Tommy Haas. Allerdings hatten die sich bisher nie um den Job beworben. Und Becker war bis Jahresende ausgelastet als Trainer des Serben Novak Djokovic. Im Anschluss, bei den Australian Open in Melbourne, trat er für Eurosport als Experte auf. Zuletzt sagte er im SZ-Interview: "Ich bin sehr froh über meine Rolle beim Fernsehen. Ich gebe das in naher Zukunft nicht auf." Man darf davon ausgehen, dass der Satz weiter gilt. Zumal beim DTB und im Davis-Cup-Team alle sehr zufrieden sind mit der Arbeit von Kapitän Michael Kohlmann, dessen Vertrag noch bis Ende des Jahres gilt. Welche Rolle wäre also denkbar für Becker?

Was genau ist da am Machen?

DTB-Sportdirektor Klaus Eberhard sagte der SZ, es habe in Frankfurt lediglich erste Gespräche gegeben, Becker solle beim DTB eingebunden werden, weil er "eine Bereicherung" sei. Aus dem Mannschaftskreis war zu erfahren, Becker habe in Melbourne zu verstehen gegeben, ihn würde nach dem Ende seiner Zusammenarbeit mit Djokovic wieder ein "Projekt" interessieren, das ihn fordert. Und wenn man die Fallhöhe bedenkt, die sich Becker bei seiner dreijährigen Zusammenarbeit mit dem Serben, den er zum fehlenden Turniersieg in Paris und vier Grand-Slam-Siegen in Serie coachte, selbst geschaffen hat, kann man sich ausmalen, welche Missionen er prickelnd fände. Kohlschreiber in der Weltrangliste von Platz 29 auf Platz 23 zu führen, wird ihn nicht vom Hocker reißen. Aber Alexander Zverev an die Spitze zu coachen, dessen Grundlinienspiel dem von Djokovic schon ähnelt? Das könnte etwas für Becker sein, der in Frankfurt auch länger mit Zverevs Vater plauderte, der seine Söhne auf der Tour trainiert - und das garantiert auch in Zukunft machen wird.

Zu hören war am Sonntag, zumindest für dieses Jahr sei kein Engagement von Becker geplant. Als wahrscheinliches Szenario gelte, dass Becker die Nationalmannschaft als eine Art "Consultant" bereichern könnte. Nachdem zuletzt der 77 Jahre alte Niki Pilic als Berater aufgehört hatte, wäre da eine Vakanz. Nur würde Becker die Rolle anders interpretieren - und wohl deutlich mehr Gehalt aufrufen. "Wenn er Lust dazu hat, wäre das sehr, sehr schön", sagte Zverev: "Ich steh auf Platz 22 in der Welt. Einer wie Boris würde mit einem Spieler also viel mehr verdienen, als ich es mir momentan leisten kann. Ich würde ihn mit offenen Armen aufnehmen." Die Spieler, vor allem Alexander Zverev, könnte Becker in einer Funktion für den DTB auf der Tour sozusagen mitbetreuen, da er als Fernsehexperte bei den wichtigsten Turnieren ohnehin dabei ist. "Tennis in Deutschland kann sich wieder sehen lassen", sagte Becker in Wiesbaden. Und wenn sich Tennis in Deutschland wieder sehen lassen kann, dann lässt sich auch Becker gerne wieder sehen.

© SZ vom 06.02.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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