Team-Springen:Vom Winde verweht

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In der Windlotterie: Stephan Leyhe beim Sprung von der Großschanze. (Foto: Karl-Josef Hildenbrand/dpa)

Die deutschen Skispringer verpassen das Podest. Der Wettkampf zeigt: Das Team befindet sich noch im Aufbau.

Von Volker Kreisl, Lahti

Die Augen blickten ernst diesmal, und die Nasen waren leicht rot. Wieder einmal hatte das Winterwetter über Lahti eine neue Laune gezeigt. Abrupt war die Temperatur stark unter null Grad gesunken, zudem hatte der Wind zwischendurch mit aller Kraft geblasen. Als die deutsche Skisprungmannschaft dann diesen Teamkampf der nordischen Weltmeisterschaft hinter sich hatte, stand Enttäuschung in den Gesichtern. Vier Teams hatten gute Chancen, aber drei Medaillen werden eben nur vergeben. Polen gewann vor Norwegen und Österreich, Platz vier ging an die Deutschen. "Einer muss daneben stehen. Das haben wir gewusst", sagte Bundestrainer Werner Schuster. Kamil Stoch, Maciej Kot, Dawid Kubacki und Piotr Zyla holten damit erstmals einen WM-Teamtitel für ihr Land.

Schusters Team hatte lange mitgehalten, und wie der Wind hatte es sein Glück zwischendurch sogar mit einem starken zweiten Sprung von Markus Eisenbichler gedreht, und zwar auf Sieg. Aber dann geriet der Himmel etwas durcheinander, und mit ihm auch Stephan Leyhe. Seinen einerseits verpatzten, anderseits verblasenen zweiten Satz konnte auch Andreas Wellinger nicht mehr ausgleichen, im Gegenteil, auch ihm war im zweiten Durchgang wie Richard Freitag keine Großtat mehr gelungen. "Ich bin schon ein bisschen wütend", sagte Eisenbichler. Und Freitag erklärte: "Dass die Jury diese Gruppe so durchgezogen hat, war nicht wirklich schön."

Dass es nach dem zehnminütigen Windchaos durchaus wieder möglich war, weit und elegant zu springen, zeigten dann der neue Doppel-Weltmeister Stefan Kraft (Österreich), der Norweger Andreas Stjernen und Polens Kamil Stoch. Kraft brachte es trotz starken Rückenwindes auf 126 Meter, und hievte Team Austria nach Wellingers 119,5-Meter-Sprung somit locker vor die Deutschen. Stjernen und Stoch waren ihrerseits schon so weit vorne, dass ihnen lockere, kontrollierte Sprünge für Silber und Gold genügten.

Leyhe unterläuft klassischer Springer-Fehler

"Wir gewinnen gemeinsam, und wir verlieren gemeinsam", das war der vermutlich meist gesprochene Satz an diesem Abend, vielleicht sogar bei dieser WM. Die Deutschen hatten ja schon Mixed-Gold (Wellinger, Eisenbichler, Svenja Würth, Carina Vogt), zweimal Einzel-Silber (Wellinger) und einmal Kleinschanzen-Bronze (Eisenbichler) gewonnen. Und sie zeigten natürlich nicht mit dem Finger auf Leyhe, im Gegenteil: "Er hatte nicht den Hauch einer Chance", sagte Freitag. "Es tut gut, dass die Jungs so hinter mir stehen", sagte Leyhe.

Er war in der zweiten Gruppe bei verkürztem Anlauf in die Spur geschickt worden, weil kurz zuvor der Norweger Johann Andre Forfang bei extrem starkem Aufwind einen neuen Schanzenrekord in der riskanten Zone aufgestellt hatte. 138 Meter weit war er geflogen, zweieinhalb Meter weiter als der Österreicher Andreas Widhölzl vor auf den Tag genau vor elf Jahren. Leyhe sprang dann nur noch aus Luke sieben und beging vielleicht einen der klassischen Springer-Fehler. Er katapultierte sich wohl ein Stück zu früh in die Luft, das passiert nicht selten, wenn man zu viel will. In der Luft geriet er leicht ins Schlingern, verlor die Symmetrie und sackte schließlich bei 103,5 Metern zu Boden, was gleich rund 20 Punkte im Gesamtklassement kostete. Auch Wellinger erklärte später, dass er bei seinem zweiten Sprung, als es um die Bronze-Medaille ging, "zu aggressiv" am Tisch war. Auch ihm fehlte der Druck beim Absprung, und danach, wie er sagte, gleich auch noch "die Luft von unten".

Insgesamt hielt sich die Enttäuschung bei den Deutschen dennoch in Grenzen. Ihr Soll bei dieser WM hatten sie erfüllt, und die Leistungen des jungen Teams, dessen bislang bester Springer Severin Freund gerade einen Kreuzbandriss auskuriert, sind eben noch schwankend. Schon im Training und im Einzel von der Großschanze hatten alle - bis auf Silbergewinner Wellinger - Schwächen gezeigt. Schuster erinnerte daran, dass man eben doch noch teils im Aufbau steckt: "Die Jungs haben die Qualität für Medaillen. Aber wahrscheinlich war die Zeit für diese Mannschaft noch nicht reif."

© SZ vom 05.03.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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