T-Mobile steigt aus Radsport aus:Rückzug mit Nebenwirkung

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Es ist die überfällige Scheidung zweier Partner, die lange keine mehr waren. Der Konzern hat im Dopingkampf wahrlich alles getan, jetzt zieht er sich erschöpft zurück.

Ein Kommentar von Thomas Kistner

Hurra! Jetzt nichts wie weg! Das ist die Stimmungslage im Telekom-Konzern - und das mitgereichte Presseblabla blanker Unsinn. Hinter den dampfenden Artigkeiten sehen wir Rennstallchef Bob Stapleton, wie er in der Tat den Sponsor bis zuletzt in bester Hollywoodmanier mit Detektiven jagt, um ihm doch noch konkretes Doping-Mitwissen anzuhängen. Dies ist die überfällige Scheidung zweier Partner, die lange keine mehr waren.

Das letzte Hemd: T-Mobile zieht sich aus dem Doping verseuchten Radsport zurück. (Foto: Foto: dpa)

Nur Ahnungslose werden dem neuen US-Team (!) "High Road" den Vertrauenskredit überschreiben, an den es dank der nun ja dramatisch gescheiterten Reinheitsbemühungen des Ex-Sponsors kam. Apropos US-Team: Die Verpflichtung des Armstrong-Intimus' George Hincapie, den der Sponsor nicht wollte, trieb frühe Risse ins Gebälk. Längst hat sich Selfmade-Milliardär Stapleton vom kritischen Quereinsteiger zum knallharten Durchsetzer gewandelt, der schnell Gefallen am pharmaverseuchten Velo-Betrieb fand. Wieso verseucht? Augen auf: Die Tour 2007 gewann einer, der steilste Alpenpässe hinaufsprintete, Weltmeister in Stuttgart wurde der einzige, der die Ehrenerklärung boykottierte. Schlichtere Drehbücher liefern nicht mal TV-Seifenopern.

Höchste Skepsis ist wieder geboten gegenüber allen Rennställen bis zum verbliebenen deutschen Wir-doch-nicht-Team Gerolsteiner. Dessen Chef Holczer schätzt der Kronzeuge Sinkewitz als suspekt in Dopingfragen ein. So ist es: Wie will ein Rennstallchef Glaubwürdigkeit reklamieren, der einen Fahrer beschäftigt, den sogar ein Video beim Injizieren von Epo zeigt? So klebrig ist und bleibt die Mentalität einer Branche, die anmaßend behauptet, mit denselben Leuten, die für jahrzehntelang flächendeckenden Drogenkult stehen, nun die Umkehr schaffen zu wollen. Das ist nur eine Variante der Publikumsverdummung, wie schon die kollektive Ausgrenzung geläuterter Fahrer zeigt: Die Kronzeugen Sinkewitz und Jaksche werden geächtet. Klar, sie sind Risikopotential in Teams, die kistenweise getürkte Atteste fabrizieren und sich schon auf das Neueste aus Epo-, Insulin- und Genforschung einrichten.

Doch wie die Kronzeugen findet auch der Velosport keinen Halt im freien Fall. Sündenfall Bund Deutscher Radfahrer: Ihm wird offen angelastet, er habe Epo-Doping des deutschen Fahrers Sinkewitz bei der WM in Plouay 2000 vertuscht. Die Belege, dass es Kenntnis darüber bis in die Verbandsspitze gab und gibt, sind unerschütterlich. Doch der BDR schweigt. Klar. Er kennt die Vorwürfe seit Mai, und dass er, als ihm Sinkewitz im Juli auf dem Silbertablett präsentiert wurde, nicht die Chance ergriff und den Kronzeugen zu Plouay ausquetschte, liegt auf der Hand: Das sagt alles. Die Frage stellten andere, weshalb es jetzt besonders schwierig wird, aus der Nummer rauszukommen. Hilft zähes Aussitzen, unter Mithilfe der Sportskameraden von UCI und DOSB? Mag sein. Doch das Innenministerium bekäme ein Problem. Es kann nicht einfach weiter Steuermittel an so eine Organisation verteilen. So lange nicht geklärt wird, wer in den Fall Plouay verstrickt ist, gehört die Notbremse gezogen.

Wie das geht, macht die Telekom vor. Dafür gebührt ihr Respekt, zumal sie Antidopingkampf und Sport weiter sponsert. Der Konzern hat wahrlich alles getan. Erst selbstkritisch getrennt zwischen dem jüngeren T-Mobile-Team und jener üblen alten Telekom-Riege um Ulle, Riis und Doktor Heinrich, dann hat er das Beste zur Betrugsbekämpfung versucht. Erschöpft zieht sich das Schwergewicht zurück, was eine wünschenswerte Nebenwirkung hat: Keiner kann sich mehr dahinter verstecken. Das wird die Allianz der Weitermacher noch merken.

© SZ vom 28.11.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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