SZ-Interview mit Rangers-Profi Christian Nerlinger:"Immer rauf und runter"

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Christian Nerlinger, 30, spielt seit zwei Jahren bei den Glasgow Rangers. Zuvor stand er in der Bundesliga bei Bayern München und Borussia Dortmund unter Vertrag. Heute, am Dienstag, trifft er mit seinem schottischen Klub in der Champions League erstmals seit seinem Wechsel auf ein deutsches Team, den VfB Stuttgart.

SZ: Herr Nerlinger, Glückwunsch zum 4:0 ihrer Glasgow Rangers gegen Dunfermline in der schottischen Liga.

Nerlinger: Danke, das ist uns leichter gemacht worden, als wir es erwartet haben. Aber es war eine gute Generalprobe.

SZ: Ist es nicht ein Problem, dass man in Schottland häufig diese einfachen Spiele gegen Klubs aus Kleinstädten wie Livingston, Kilmarnock oder Dunfermline hat, bevor es gegen größere Gegner auf europäischer Ebene geht?

Nerlinger: Man sollte das nicht unterschätzen. Diese Spiele fallen zwar manchmal höher aus, aber gerade auswärts ist es immer sehr eng. Celtic Glasgow (Gegner des FC Bayern am Mittwoch; Anm. d.Red.) hat am Wochenende auch nur 1:0 in Dundee gewonnen. Man muss immer hundert Prozent geben. Jeder Punktverlust kann tödlich sein, weil das Rennen sehr eng ist zwischen Rangers und unserem Rivalen Celtic. Im letzten Jahr sind wir Meister geworden, weil wir ein Tor mehr geschossen haben.

SZ: Wie erleben sie diese ewige Rivalität zu Celtic Glasgow?

Nerlinger: Es sind in Glasgow wirklich zwei Lager, die Stadt ist gespalten. Die Leute identifizieren sich viel mehr mit dem Klub. Als Ausländer muss ich sagen, dass ich hier sensationell aufgenommen worden bin. Ich lebe auch relativ zentral in Glasgow und habe deshalb viel Kontakt mit normalen Schotten.

SZ: Verstehen Sie deren Schottisch?

Nerlinger: Wenn sie sich Mühe geben, oder wenn sie wollen, dass ich sie verstehe, dann geht das.

SZ: Und wenn sie nicht wollen?

Nerlinger: Dann hat man keine Chance. Das hat mit Englisch nichts zu tun. Diesen Akzent, das Glaswegian, das verstehen auch die Engländer nicht. Das ist so, wie wenn man als Deutscher nach Niederbayern kommt.

SZ: Also zu freundlichen Menschen.

Nerlinger: Ja, aber ich denke, es ist hier eine Spur lockerer und offener. Wenn man sich die Sozialstruktur der Stadt ansieht und vergleicht - mit Dortmund und München, den Städten, in denen ich war -, dann ist Glasgow eine ärmere Stadt. Aber die Leute machen sich nichts draus, sie sind sehr lebensfroh und optimistisch und geben das weiter. Als ich am Anfang Hilfe brauchte, war immer jemand da, um mir die Dinge zu erklären.

SZ: Diese seltsame Sprache.

Nerlinger: Es wird immer besser. Aber am Anfang dachte ich manchmal, ich bin im falschen Film.

SZ: Irgendetwas, das sie auf Schottisch akzentfrei sagen können?

Nerlinger: Heem to the huus.

SZ: Hm.

Nerlinger: Heißt: Auf geht's nach Hause.

SZ: Haben Sie das während der ersten beiden Jahre gedacht, als es nicht so gut lief für Sie - dass Sie wieder nach Hause wollen?

Nerlinger: Eigentlich nicht. Zum einen habe ich immer viel Unterstützung vom Verein gehabt. Und zum anderen privat, auch was die Fans angeht. Da habe ich gedacht: Nee, da muss ich nochmal Gas gegen und etwas zurückgeben.

SZ: Spielt ihre Mannschaft einen anderen Fußball als den, den Sie aus Deutschland kennen?

Nerlinger: Eher britischen Fußball.

SZ: Obwohl kaum Briten bei den Rangers spielen.

Nerlinger: Und sehr wenige Schotten. Aber die Mentalität kommt einfach durchs Publikum durch, die wollen den Ball nach vorne gespielt haben. Normalerweise ist man geneigt, den Ball im Mittelfeld mal zu halten und Tempowechsel einzubauen. Hier wollen sie, dass es immer rauf und runter geht.

SZ: Hat das ihr eigenes Spiel verändert, ihren Spielstil?

Nerlinger: Eigentlich nicht, da wir bei den Rangers eher offensiv spielen und ich den defensiven Part habe. Ich muss dann schauen, dass ich die Löcher stopfe und die Mannschaft ein wenig ordne. Das ist eine ähnliche Position wie in München oder Dortmund.

SZ: Schon mal bereut, nach Schottland gegangen zu sein?

Nerlinger: Nein, der Schritt war richtig, ins Ausland zu gehen, und dann speziell hierhin. Im Fußball ist es hier so, dass die Fans mit dir leiden oder mit dir feiern. Ich habe in den zwei Jahren noch nie Pfiffe im Ibrox gehört.

Interview: Christian Zaschke

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