SZ-Interview:"Das ist keine Verschwörung"

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Christian Hochstätter, Manager bei Borussia Mönchengladbach, über den Streit mit Ewald Lienen nach dessen Entlassung.

(SZ vom 25.9.2003) - Nach seiner Entlassung bei Borussia Mönchengladbach hat sich Ewald Lienen nun öffentlich gewehrt. "Ich werde nicht zulassen, dass mein Ansehen und meine Reputation als Trainer beschädigt werden", sagte der 49-Jährige. Seine Ablösung durch Holger Fach hält er für eine Intrige. Christian Hochstätter, 39, Sportdirektor des Vereins, antwortet auf die Vorwürfe.

SZ: Ewald Lienen behauptet: ,Hochstätter hat mir jede Unterstützung entzogen, intern wie extern. Nur, um einen Mann zu installieren, der seit langem sein Wunschkandidat war.' Haben Sie Holger Fach vor knapp vier Wochen in dem Wissen zu Rot-Weiß Essen gehen lassen, ihn bald wieder zurückzuholen? Hochstätter: Eindeutig nein! Ich hätte Fach in dem Fall doch einfach sagen können: ,Warte noch, bald bist Du hier sowieso Cheftrainer.' Ich wollte nur eine Option auf ihn für den Fall eines Trainerwechsels, denn eine solche Situation kann sich aus vielerlei Problemen immer mal ergeben. Wenn man dann einen neuen Trainer braucht, sind die Wunschkandidaten meistens nicht frei. Da ist es als Klub gut, auf einen, der in Frage kommt, Zugriff zu haben. Ich halte dieses Vorgehen für professionell.

SZ: Vielen Beobachtern und vielen Fans kommt es trotzdem komisch vor. Hochstätter: Es ist aber keine Verschwörung. Ich habe Fach abgeraten nach Essen zu gehen, weil ich der Ansicht war, er könne sich als Amateurtrainer bei uns besser entwickeln. Als er sich trotzdem dafür entschieden hat, habe ich ihn um die Rückkehrklausel gebeten, was nur zeigt, wie viel ich von ihm halte.

SZ: Hat Lienen Recht, der behauptet, Sie hätten ihn nicht genug unterstützt? Hochstätter: Auf keinen Fall. Er wirft mir vor, ich sei in den Urlaub gefahren, hätte mich bei ihm nicht gemeldet, und wir hätten deshalb gewünschte Spieler nicht verpflichten können. Wir haben am 24. Mai die Klasse gesichert, am letzten Spieltag also und nicht so souverän, wie Lienen jetzt behauptet. Erst da gab es Planungssicherheit, und bis zum Trainingsauftakt hatten wir nur vier Wochen. In dieser Zeit war Herr Lienen drei Wochen in Südfrankreich im Urlaub. Trotzdem hat er die Spieler bekommen, die er haben wollte. Nicht alle, weil ich beim einen oder anderen nicht seiner Meinung war. Jetzt macht er mir den Vorwurf, dass ich während der Länderspielpause im September, nach dem Ende der Transferperiode, zehn Tage weg war. Wenn ein Trainer so lange nicht ohne seinen Sportdirektor auskommt, sollte er über seine eigene Qualität nachdenken.

SZ: Lienen hat eingeräumt, dass es zwischen Ihnen häufiger Auseinandersetzungen gegeben habe. Hochstätter: Ich werfe mir vor, dass ich mich überschätzt habe. Ich habe mir zugetraut, indem wir dem Lienen eine über mehr als drei Jahre gewachsene Struktur und ein gemachtes Nest geben, ihn in den Griff zu bekommen.

SZ: In den Griff zu bekommen? Hochstätter: Wir haben ihm etwas Intaktes zur Verfügung gestellt, mit Leuten bei seinem alten Verein, die er lange kennt, damit er die Meinung korrigieren kann, die in der Öffentlichkeit über ihn als Trainer herrscht. Wie er in Duisburg, Rostock und Köln in der Zweiten Liga hat spielen lassen, fand ich nämlich begeisternd. Ich habe aber festgestellt, dass es ihm nur noch darum geht, wie der Gegner spielt. Mir ist es aber wichtig, dass sich der Gegner nach uns richtet.

SZ: Es geht also um grundsätzlich divergierende Vorstellungen von Fußball? Hochstätter: Ich will nicht ins Detail gehen, aber die Spielkultur, die wir gepflegt haben, war nicht mehr zu sehen. Borussia Mönchengladbach hat sich in den vier Jahren etwas aufgebaut, in denen ich Sportdirektor bin und Hans Meyer Trainer war. Das ist in Gefahr geraten, und deshalb musste man handeln.

SZ: Fürchten Sie Fan-Reaktionen? Hochstätter: Ich weiß, was auf mich zukommt - auch am Samstag im Stadion. Aber ich habe die Entscheidung nicht gefällt, um mich zu profilieren. Hier geht es um einen Traditionsverein, für den ich seit 21 Jahren arbeite.

SZ: Was denkt die Mannschaft? Hochstätter: Ich glaube, sie ist befreit und froh über diesen Schritt.

Interview: Christoph Biermann

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