Stuttgart verliert 2:3:Fehlgriffe im Dauerregen

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In die Knie gezwungen: Mit seinem Tor zum 3:1 in der 64. Minute sicherte Gerrit Holtmann seinem Arbeitgeber Mainz 05 den Heimsieg gegen Stuttgart. (Foto: Alex Grimm/Getty)

Bissige Mainzer bezwingen den VfB Stuttgart, weil Gästetorwart Zieler dreimal den rutschigen Ball passieren lässt und die Schwaben "das schlechteste Spiel der Saison" abliefern.

Von Johannes Aumüller, Mainz

Dass dieser Samstag kein guter Tag werden würde, konnten sie beim VfB Stuttgart schon anderthalb Stunden vor dem Anpfiff ahnen. Da setzte sich ein Betreuer gerade an den Computer, um die offizielle Aufstellung einzugeben - und bekam einen unerwarteten Schreck. Denn als er den Namen von Mittelfeldspieler "Chadrac Akolo" eingeben wollte, konnte er das nicht tun.

Zuerst wollten die Stuttgarter das gar nicht glauben, doch dann offenbarte sich ein kurioser Hintergrund als Erklärung: Akolos Aufenthaltsgenehmigung, die alle Nicht-EU-Ausländer für ihre Spielberechtigung brauchen, war am Freitag abgelaufen. Laut VfB liege zwar bereits eine neue vor und diese sei bereits vor längerer Zeit an die Deutsche Fußball-Liga (DFL) weitergeleitet worden. Doch offenkundig gab es eine Technik-Panne bei den Stuttgartern - bei der DFL war die Aufenthaltsgenehmigung nie angekommen. Also musste die Partie ohne Akolo beginnen. Im Nachhinein erwies sich diese Aufregung als schlechtes Omen.

Mit 2:3 (1:1) verloren die Stuttgarter das Duell zweier abstiegsbedrohter Mannschaften beim FSV Mainz, wobei das Ergebnis die Kräfteverhältnisse in diesem durchaus kuriosen und ereignisreichen Spiel nicht treffend wiedergab. "Die Mainzer waren bei jeder Aktion bissiger, willensstärker, aggressiver", gab Stuttgarts Sportvorstand Michael Reschke zu. Und sein Trainer Hannes Wolf ging noch einen Schritt weiter: "Wir haben heute wahrscheinlich das schlechteste Spiel in unserer Saison gemacht." Jetzt sind die beiden Mannschaften punktgleich (20) und Tabellennachbarn auf jenen Rängen 14 und 15, die gerade noch so den sicheren Liga-Verbleib bedeuten.

Kuddelmuddel im Mainzer Fünfmeterraum

Mainz begann stark. Schon nach vier Minuten hatte Yoshinori Muto die erste gute Gelegenheit, scheiterte aber an Ron-Robert Zieler. Nach einer Viertelstunde hätte Robin Quaison nach einem wunderbaren Steilpass das 1:0 erzielen müssen, als er alleine auf Zieler zulief, doch der vereitelte die Führung erneut. Mainz war in der Tat bissiger, willensstärker und aggressiver, wie Reschke anerkannte. Und dass der Platz schwer bespielbar war, schien für die Mainzer eher eine Freude denn eine Belastung zu sein.

Dennoch setzte dann eine Phase ein, in der das Spiel sich auch in eine andere Richtung hätte entwickeln können. Minute 19, Eckball für Stuttgart, und vor dem Tor kam es zu einem wahren Kuddelmuddel: Ein Mainzer nach dem anderen fälschte den Ball irgendwie ab oder traf ihn nicht richtig, und am Ende landete der Ball im Netz. Zu bedauern waren neben den Mainzern in diesem Moment auch die Statistiker, die dieses Tor irgendjemandem zuordnen mussten, sie entschieden sich mit gutem Willen für Holger Badstuber.

Mindestens so problematisch wie der Rückstand war für die Mainzer aber die Szene kurz vor der Pause. Nach einem Kopfball von Suat Serdar jubelten die Mainzer über den Ausgleich und rannten wieder zurück in die eigene Hälfte, bis mitten in den Jubel hinein der erschreckte Ausruf des Stadionsprecher ("Was ist denn hier los?") signalisierte, dass irgendetwas anders war als bei üblichen Torjubeln. Der Grund: Schiedsrichter Harm Osmers nahm nach einer Begutachtung der Video-Bilder das Tor wieder zurück, weil er im Spielzug vor dem Tor ein Handspiel ausmachte.

Das gab heftige Diskussionen, weil zwischen der Hand-Berührung und dem Tor einige Sekunden verstrichen waren. "Aber wie war das weggesteckt haben, Kompliment", sagte Mainz' Trainer Sandro Schwarz. Noch vor der Pause gelang der Ausgleich - unter gnädiger Mithilfe von Stuttgarts Torwart Zieler. Der hatte bis dahin so gut gehalten, aber Mutos Fernschuss ließ er jetzt durch die Hände gleiten.

Gomez muss verletzt vom Platz

Nach dem Seitenwechsel manifestierte sich endgültig, wie unterschiedlich das Niveau der beiden Teams an diesem Tag war - für Stuttgart kam erschwerend hinzu, dass sich Mario Gomez bei einem Zweikampf mit dem Mainzer Zugang Nigel de Jong verletzte. Eine genaue Diagnose stand am Samstag noch aus, ein "dramatischer Schaden" scheine es nicht zu sein, sagte Trainer Wolf. Aber den Platz verlassen musste der prominente Stuttgarter Winter-Einkauf dennoch.

Die Mainzer nutzten die Überlegenheit zu zwei Treffern. Erst markierte Muto das 2:1 (54.), zehn Minuten später Gerrit Holtmann per Distanzschuss das 3:1 (64.) - in beiden Szenen langte Zieler ob des rutschigen Balles daneben. Nachher erklärte er: "Der Ball hat ganz komische Fluglinien und Kurven genommen. Dann noch so viel Matsch und Schlamm am Ball. Das sieht natürlich scheiße aus."

Wenn Mainz' Trainer Schwarz seiner Mannschaft in dieser Phase einen Vorwurf machen musste, dann den, dass sie nicht eine der weiteren Gelegenheiten mit dem vierten Treffer abschloss. So wurde es dann noch einmal unerwartet spannend, als Stuttgart in der Schlussphase eines seiner wenigen Daseinssignale dieses Nachmittags sendete. Erst vergab Ginczek eine Chance, dann traf er in der Nachspielzeit noch zum 2:3. "Doch wenn wir dann noch das 3:3 geschossen hätten, wäre das wirklich extrem glücklich gewesen", sagte VfB-Sportvorstand Reschke.

© SZ vom 21.01.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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