Start der NBA-Saison:Chef auf dem Parkett

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Es geht nach oben: Der deutsche Basketballprofi Dennis Schröder (rechts) macht bei den Atlanta Hawks einen weiteren Karriereschritt. (Foto: Kevin C. Cox/Getty)

Für die neue Saison befördern die Atlanta Hawks Dennis Schröder zur Nummer eins auf der Spielmacher-Position.

Von Jürgen Schmieder, Atlanta/Los Angeles

Wenn Dennis Schröder am Donnerstagabend die Umkleidekabine seines Klubs betritt, dürfte es sich zunächst so anfühlen wie immer: Er spielt in seiner nun vierten Saison in der nordamerikanischen Basketball-Profiliga NBA immer noch für die Atlanta Hawks, er trägt immer noch die Rückennummer 17, sein Trainer ist immer noch Mike Budenholzer. Den Unterschied zu den vergangenen Spielzeiten dürfte Schröder vor dem Saisonauftakt gegen die Washington Wizards spätestens auf der Fahrt zur Halle bemerkt haben. Auf den riesigen Plakaten in Atlanta ist in der Mitte der prominente Zugang Dwight Howard zu sehen. Daneben jedoch: Dennis Schröder, der Jeff Teague als Spielmacher Nummer eins abgelöst hat.

Der Dauersprinter muss künftig langsamer machen

Starting-NBA-Point-Guard - das ist eine Berufsbezeichnung, die weltweit nur 30 Menschen für sich reklamieren dürfen, darunter Stephen Curry (Golden State Warriors), Russell Westbrook (Oklahoma City Thunder) und Chris Paul (Los Angeles Clippers). Zu diesem erlesenen Kreis gehört nun auch der in Braunschweig geborene und dort aufgewachsene Schröder, einer von aktuell drei Deutschen in der NBA neben Altmeister Dirk Nowitzki (38/Dallas Mavericks) und dem für den Saisonstart noch nicht berücksichtigten Liga-Neuling Paul Zipser (22/Chicago Bulls). Die Hawks haben Teague in der Sommerpause zu den Indiana Pacers abgegeben; sie hatten Schröder drei Jahre lang aufgebaut und in der ersten Saison auch mal in ihr Nachwuchsteam delegiert. Nun waren sie mit der Entwicklung derart zufrieden, dass sie ihn zum Chef auf dem Parkett beförderten.

"Ich dachte zuerst, dass sie mich verkohlen wollen", sagt Schröder über den Anruf der Hawks-Verantwortlichen im Sommer: "Aber natürlich ist es das, was ich immer wollte. Es ist jedoch eine völlig neue Welt." Schröder hilft bei der Vorbereitung auf diese neue Aufgabe diese Mir-doch-egal-Haltung, die ihm bisweilen als Arroganz ausgelegt wird, in einer Liga voller Akteure mit riesigem Ego jedoch überlebenswichtig ist. "Er hat das Selbstbewusstsein eines Stammspielers, diese neue Rolle des Anführers ist wie gemacht für ihn", sagt Budenholzer: "Das ist nun seine Mannschaft, er muss sie auf seinen Schultern tragen."

Schröder, 23, wird seine Spielweise ändern müssen, um seiner neuen Rolle gerecht zu werden. Ein Ersatzspieler wird meist dann aufs Parkett geschickt, wenn auch beim Gegner die Reservisten spielen. Schröder agierte deshalb in der Defensive meist nicht gegen Curry, Westbrook oder Paul, sondern gegen deren Vertreter. Zudem dürfte Schröder nicht mehr im Dauersprint über das Parkett sausen wie bisher. "Dieses Tempo kann ich keine 82 Saisonspiele durchhalten", sagt er: "Ich muss mich daran gewöhnen, dass ich nun 35 Minuten pro Partie auf dem Feld stehe."

Die Hawks erwarten von ihm nun nicht mehr nur ein paar Punkte und Vorlagen, wenn die Stars eine Verschnaufpause brauchen, er soll nun den gegnerischen Spielmacher bewachen. Budenholzer traut ihm das zu: "Er gehört zu den besten und aggressivsten Verteidigern der NBA." Gleichzeitig muss Schröder die Offensive orchestrieren. Beim Vorbereitungsspiel gegen die Detroit Pistons in der vergangenen Woche allerdings war zu sehen, dass die Hawks noch an der Feinabstimmung arbeiten müssen: Bei einem Angriff dribbelte Schröder durch zwei Gegenspieler hindurch, die Verwirrung nutzte er für einen Lob-Pass auf Howard - doch der rechnete überhaupt nicht mit einem Zuspiel und guckte Schröder verblüfft an.

"Die Präsenz von Howard sorgt dafür, dass ich viele Möglichkeiten haben werde, selbst aus der Distanz abzuschließen", sagt Schröder: "Diese Chancen muss ich erkennen - und meine Würfe dann auch treffen." Er feilte in der Vorbereitung mit dem erfahrenen Kyle Korver an seiner Wurftechnik, er ließ sich einen Fitnesstrainer zur Seite stellen und einen Experten, der ihn auf knifflige Interviews vorbereitet. Es scheint, als würde Schröder seine neue Welt als neuer Mensch betreten wollen.

Schröder wird in dieser Spielzeit 2,7 Millionen Dollar verdienen, danach läuft sein Vertrag in Atlanta aus. Absolviert Schröder 41 Partien von Beginn an oder steht mehr als 2000 Minuten auf dem Feld, dann müssen ihm die Hawks mindestens 4,6 Millionen Dollar für die darauf folgende Saison zahlen, wenn sie ihn behalten wollen; bei einem lukrativen Angebot eines anderen Klubs womöglich noch viel mehr.

Dass die Hawks jetzt sein Team sind, belaste ihn nicht, sagt er

Diese Spielzeit dürfte die weitere NBA-Karriere von Schröder entscheidend prägen, die Hawks gelten als Playoff-Kandidat, der in den K.o.-Runden durchaus überraschen könnte - falls Schröder diese Mannschaft führen kann. Der 1,88-Meter-Mann freilich reagiert darauf wie immer mit dieser Mir-doch-egal-Haltung. "Sie sagen, dass das jetzt mein Team sei, aber ich verspüre keinen Druck", sagt er: "Wir haben so viele Akteure, die auf dem höchsten Level spielen können: Howard, Korver, Paul Millsap, Kent Benzemore. Ich muss da nur mithalten." Es scheint, als fände sich Schröder in dieser neuen Welt bereits prächtig zurecht.

© SZ vom 26.10.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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