Starke Ingolstädter beim 1:1:Wiederbelebt

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Auch wenn sein 1:0 gegen Wolfsburg letztlich nicht reichte: Anthony Jung (M.) und der FC Ingolstadt haben sich unter Trainer Walpurgis stabilisiert. (Foto: Armin Weigel/dpa)

Beim Heimdebüt von Trainer Maik Walpurgis verpasst der FCI den verdienten Sieg. Doch die Leistung macht Hoffnung: Die Mannschaft verinnerlicht die Tugenden der Vorsaison.

Von Johannes Kirchmeier, Ingolstadt

Wie ein unglückliches Kind, das sein geliebtes Spielzeugauto zu Hause vergessen hat, saß der 1,90 Meter große Mann im Scheinwerferlicht. Seine Unterlippe zog er weit nach vorne und schob seine Oberlippe darauf hin und her. Dann sagte er: "Ich denke schon, dass wir drei Punkte verdient gehabt hätten heute. Die Mannschaft hat klasse gespielt." 1:1 (1:0) endete das Heimdebüt des seit zwei Wochen in Ingolstadt tätigen Trainers Maik Walpurgis gegen den VfL Wolfsburg. Er finde es "am Ende schade, dass wir nur einen Punkt holen."

Walpurgis hat dennoch etwas geschafft, das nur die wenigsten für möglich gehalten hatten: Er hat den schwach gestarteten Ingolstädtern (zwei Punkte aus zehn Spielen) in 14 Tagen wieder die Spielfreude eingehaucht, die sie im vergangenen Jahr zur Überraschungsmannschaft der Bundesliga werden ließ und als Aufsteiger direkt auf Rang elf katapultierte. Walpurgis, zuvor ein weitgehend unbekannter Drittligatrainer, könnte sich als guter Griff erweisen. Vor einer Woche hatte er in Darmstadt bereits den ersten Saisonsieg erwirtschaftet.

"Jeder weiß, wie er zu laufen hat"

"Wir erinnern an die Vorsaison", sagt nun Markus Suttner, Ingolstadts Linksverteidiger. "Wir haben zu unseren alten Tugenden zurückgefunden." Tatsächlich agiert das Team unter Walpurgis im Stil des Vorjahrestrainers Ralph Hasenhüttl, der nun den Tabellenführer RB Leipzig anweist. Der pflegte damals den immer wieder als "eklig" titulierten Stil des konsequenten Pressings. "Jeder weiß, wie er zu laufen hat, zu attackieren und zu spielen hat", sagt Suttner. Die Ingolstädter Spieler hetzten in der vergangenen Saison über die Spielfelder der Bundesliga und zwangen die Gegner zu Ballverlusten - so machten sie es auch gegen den VfL Wolfsburg. Diese Spielfreude übertrug sich an diesem Samstag auch auf die Fans, die wieder Heimspielatmosphäre entfachten im kleinsten Bundesliga-Stadion.

Motivator Walpurgis sah keine Minute des Spiels sitzend, sondern trieb seine Spieler immer wieder lautstark und klatschend an. Erst nach einer Stunde schoss Wolfsburg erstmals aufs Tor von Martin Hansen, den Walpurgis zum Stammtorhüter machte. Zuvor hätte Ingolstadt auch schon 3:0 oder 4:0 führen können. Bereits in der ersten Halbzeit scheiterte Moritz Hartmann erst per Kopf am Pfosten und dann per Elfmeter an Wolfsburgs Diego Benaglio. Er verschoss seinen ersten Elfmeter nach zuvor acht Treffern im Vorjahr. Kurz darauf köpfelte dann jedoch Anthony Jung, der unter Walpurgis den Sprung in die Startelf schaffte, nach einer Flanke von Rechtsverteidiger Florent Hadergjonaj die verdiente Führung - eine einstudierte Variante.

Matip und Tisserand nehmen Gomez aus dem Spiel

Walpurgis setzte, nachdem er in der ersten Trainingswoche den Fokus auf die Verteidigung gelegt hatte, in dieser Woche besonders auch "Reizpunkte in der Offensive". Diese Reizpunkte zeigten sich auf dem Feld so: Immer wieder suchten die Ingolstädter ihre weit aufgerückten Außenverteidiger Suttner und Hadergjonaj, die eine gefährliche Flanke nach der anderen in die Mitte droschen - so als ob die Bälle die Strafraumgrenzen nur ohne Bodenberührung passieren dürften -, wo dann die drei Stürmer Jung, Leckie und Hartmann zu Kopfbällen kamen.

Und hinten baute der neue Trainer, der an der Stadt Ingolstadt vor allem die Festungsanlagen der Schanzer bewundert, seine eigene kleine Schanz auf. Die Verteidiger Marvin Matip und Marcel Tisserand nahmen dabei Nationalstürmer Mario Gomez fast komplett aus dem Spiel, auch weil der keine Zuspiele seiner schwachen Mitspieler bekam. Das ist die andere Erkenntnis des Spiels: Wolfsburg steckt nun mittendrin im Abstiegskampf. Das Team von Valerien Ismael spielte behäbig, kam mit den giftigen Ingolstädtern überhaupt nicht zurecht. Der ebenfalls vor zwei Wochen zum Cheftrainer beförderte Franzose hat eine schwere Aufgabe angenommen. Er zeigte sich am Ende äußerst glücklich über den Punkt und sprach von "Kopfproblemen" seiner Spieler, die sich der prekären Situation wohl nicht so ganz bewusst seien. Lediglich mit ganz viel Dusel schaffte der eingewechselte Daniel Caligiuri zwölf Minuten vor Schluss den Ausgleich. "Wir stellen uns zurzeit schwer an", sagte Caligiuri, "aber sind froh, dass wir einen Punkt mitnehmen konnten."

© SZ vom 27.11.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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