Stadionsongs:Weltmeister, die wie Götter und mit Herz spielen

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Hymnen auf Bundesliga-Vereine zu schreiben ist eine schwierige Sache. Sie müssen leicht zu reproduzieren sein, dennoch aber die Hoffnungen und Sehnsüchte der Fans transportieren. Eine feuilletonistische Betrachtung der Stadionsongs.

Jürgen Schmieder

Im Stadion ist es still, es sind nur zögerliche Fangesänge zu hören. Dann geht es los: Aus den Lautsprechern ertönt ein E-Gitarren-Riff. Zehn Sekunden dauert es, dann setzt der Bass ein, den die Zuschauer mit rhythmischem Klatschen unterstützen. Im Hintergrund eine Fanfare, 57.274 Menschen singen: "Haa-Ess-Vau, foreeeever and eeever! Haa-Ess-Vau, all the way all the waaaay!" Die Spieler kommen auf den Platz, die Bild-Text-Schere ist komplett.

Fans des VfB Stuttgart: stets am Singen (Foto: Foto: dpa)

Am Freitag, wenn die Saison 2007/2008 eröffnet wird, werden sie wieder zu hören sein: die Stadionsongs der Bundesligisten. Beim Warmlaufen, beim Einlaufen, beim Auslaufen. Jeder Verein hat mindestens zwei Lieder, die eigens für ihn komponiert wurden. Kein Fan kann sich dagegen wehren. Selbst wenn die gesamte Kurve ein eigenes Lied singen würde - gegen den Lautsprecher kann keine Kehle ansingen. Deswegen machen alle mit.

Die Lieder sind - gemessen an der Tatsache, dass jeder Verein eigene hat - erstaunlich einheitlich: Rockig muss der Song sein, es geht hier schließlich um Fußball und nicht um Synchronschwimmen. Bei den Drums melden sämtliche 80er-Jahre-Bands Plagiatsansprüche an. Die Strophen klingen, als wären sie allesamt von Dieter Bohlen komponiert.

Vor dem Refrain dann das Crescendo: die Drums werden schneller, die Gitarren wechseln in die nächsthöhere Oktave, manchmal ist im Hintergrund eine immer höher werdende Stimme zu hören: "Ooooooooh!" Dann explodiert es: Eine Gitarre kracht, die andere knödelt sich zu einem Solo. Die Songs enden meist mit einem Trommel-Outro und einem Gitarren-Schlussakkord, zu dem das Maskottchen kurz in die Höhe hüpfen kann. Soviel zur musikalischen Gestaltung der Songs, bei den Texten wird es interessanter.

Sie müssen die Stimmung des Vereins transportieren, ja manchmal gar einer ganzen Stadt. Der Fan muss mitsingen können - auch nach dem fünften alkoholreduzierten Bier im Stadion.

Beim Aufsteiger Hansa Rostock etwa heißt es in der ersten Strophe: "Hier spielt man noch Fußball mit Herz und nicht nur mit den Beinen. Ob in Freude oder im Schmerz, wir woll'n Hansa und sonst keinen." Die Strophe beim Hamburger SV lautet: "Wir sind Hamburg, wir sind immer da. An der Elbe werden Träume wahr. Hier weiß jedes Kind, dass wir Champions sind. Wir sind meisterhaft, Hamburg ist die Macht!" In Wolfsburg: "Hier gibt's Wunder am Fließband, Freudentränen im Akkord. Und man hat das Gefühl, man will nie wieder fort."

Manchmal wird mit den Spitznamen und Vereinfarben kokettiert oder eine Einzelperson auf ein Podest gestellt. So gibt es in Duisburg das Lied "Hier kommt der MSV", in dem folgende Textzeile gesungen wird: "Die Zebras kommen im Galopp, da gibt's kein Halten und kein Stopp!" In Dortmund dagegen singt Norbert Dickel zusammen mit Karel Gott: "Und alle Freunde sehen aus wie Biene Maja, schwarzgelb wie die kleine Biene Maja." Apropos Biene Maja: In Nürnberg gibt es eine Hommage an den aktuellen Trainer: "Und dieser Trainer, den wir meinen, nennt sich Meyer, großer frecher schlauer Trainer Meyer."

Wichtig beim Loblied: Die erste Strophe muss auf eine Silbe enden, die nach Bedarf verlängert werden kann. Beim HSV heißt der letzte Satz: "Du bist wunderbar!" Das "a" kann je nach Begeisterung zwischen einer und vier Sekunden dauern. Ebenso beim FC Bayern, da fragt Willy Astor: "Wer bringt seit Jahrzehnten uns're Bundesliga voll auf Trab?" Auch hier ist das "a" in der Länge variabel.

Danach kommt der Chorus. Der Text muss etwas Ewiges, ja gar Transzendentes beinhalten. Das Wort "immer" muss vorkommen, gerne auch in der englischen Version. Auch ein wenig Hybris kann nicht schaden.

Ein Stadionlied des FC Bayern aus den Neunzigern etwa hatte folgenden Refrain: "FC Bayern, forever number one, you can call us the champions of the world." Auch in Cottbus wurde - als Eduard Geyer noch Trainer war - ein wenig übertrieben: "Und die Jungs spielen wie die Götter und der Eduard der lacht, wenn der Ball wie ne Rakete in das Tor des Gegners kracht."

Andere Vereine betonen im Refrain die Lebenslänglichkeit und das Heiligtum des Fanseins: "Werder Bremen, lebenslang grün-weiß" heißt es im Norden, auf Schalke singt man "Ein Leben lang, blau und weiß ein Leben lang". In Berlin dagegen singen die Hertha Boys: "Blau-Weiß sind nicht nur Farben, Blau-Weiß ist Religion." In Karlsruhe heißt der Refrain "Für immer KSC".

Jedoch: Es gibt nicht nur überschwängliche Hymnen, mancher Verein gesteht Niederlagen und Rückschläge ein: "Und geht mal was daneben, glaube uns, das stört uns nicht", heißt es im Lied "Mein VfL" über den VfL Bochum. In Leverkusen singen die Fans: "Wenn es einmal nicht so läuft, ist eines doch sonnenklar, wir bleiben und siegen beim nächsten Mal." Naja, selbst das ist wohl eine Übertreibung.

So spiegeln die Vereinslieder nicht nur die Treue zum Verein wieder, sondern manchmal auch die aktuelle Befindlichkeit seiner Anhänger. So gibt es in Frankfurt beim Einmarsch der Mannschaften das Lied "Erbarme zu spät, die Hesse komme". Das passt bei jedem Anlass.

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