St. Pauli quält sich gegen Bielefeld:Alles so schön - bis auf den Fußball

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Gipfeltreffen: (v.l.) Waldemar Sobota (FC St. Pauli) und Lennart Thy (FC St. Pauli) gegen Tom Schütz (Bielefeld). (Foto: imago/MIS)

Norbert Meier, Trainer von Aufsteiger Arminia, schwärmt zwar von der Atmosphäre am Millerntor, sein Team aber sorgt dann dafür, dass die Fans keinen vergnüglichen Nachmittag erleben.

Von Stefan Rommel, St. Pauli

War das alles schön am Millerntor. Das Ende der Sommerpause, die schicke Nordtribüne, der neue Zuschauerrekord, die gigantische Choreographie und überall erwartungsfrohe Menschen. Aber dann dieser Gegner: Arminia Bielefeld.

Der Aufsteiger zeigte wenig Interesse an Hamburger Pathos und Rührseligkeiten und an der stattlichen Kulisse von 29.546 Zuschauern. "Diese wunderschöne Atmosphäre, die fantastische Kulisse, die riesen Stimmung - das alles war schon beeindruckend", sagte Norbert Meier zwar nach dem Spiel. Aber der Gäste-Trainer hatte eben auch ein wenig mehr im Sinn als nur einen schönen Betriebsausflug. Die Arminia zog zwei Viererketten im Mittelfeld auf und sich im Verbund weit zurück in die eigene Spielhälfte. Das raubte St. Pauli die Räume und den Fans schnell die Illusion, einen vergnüglichen Fußballnachmittag zu erleben.

Kaum Ideen bei Ballbesitz

Zur Anstoßzeit der ersten Liga und begleitet von erstklassigem Ambiente entwickelte sich fast folgerichtig echter Zweitligafußball. Immer kernig und bemüht, aber eben auch mit Fehlern durchsetzt. Und weil die Gastgeber ein paar Fehler weniger machten, gehörte ihnen auch die erste Halbzeit. St. Pauli hatte oft den Ball, wusste damit aber nur in einzelnen Sequenzen auch etwas anzufangen. Es dauerte bis zur 25. Minute, als der erste vernünftig vorgetragene Angriff zur ersten Möglichkeit führte, Lennart Thy zögerte im Abschluss aus kurzer Distanz aber einen Moment zu lange.

Davor und danach gab es auf beiden Seiten einige veritable Ansätze, aber je näher es in Richtung Strafräume ging, desto krampfhafter wurden die Versuche. "Wir haben es verpasst, in unseren guten Phasen noch mehr Druck aufzubauen", befand Paulis Trainer Ewald Lienen. Unter ihm hat es die Mannschaft geschafft, in der Defensive sicher zu stehen. Was aber gleich im ersten Spiel der Saison offensichtlich wurde: Mit Ballbesitz und ohne Kontersituationen und Umschaltmomente kann sich seine Mannschaft noch nicht so richtig anfreunden.

Miyaichis Fehlen macht sich gleich bemerkbar

"Bielefeld hat das gut gemacht. Das ist eine erfahrene Truppe, auch wenn sie ein Aufsteiger sind. Das darf man nicht vergessen", sagte Lienen weiter. Im zweiten Durchgang machten es die Gäste sogar noch eine Spur besser, weil sich Bielefeld mit raumgreifenden Diagonalbällen auf seine beiden Angreifer auch in der Offensive ein wenig in Szene setzen konnte.

St. Pauli hatte bis tief in die zweite Halbzeit nur noch eine weitere Gelegenheit durch einen Kopfball des aufgerückten Lasse Sobiech. Danach plätscherte das Spiel so vor sich hin, was Lienen zu drei Wechseln innerhalb von nur sechs Minuten veranlasste. Die schwere Verletzung des Hoffnungsträgers Ryo Miyaichi, der sich in der Vorbereitung in den Fokus gespielt und dann vor wenigen Tagen in einem Testspiel das Kreuzband gerissen hatte, wurde in der zweiten Halbzeit immer deutlicher bemerkbar.

Ein Dribbling des Flügelspielers hätte so manche verworrene Situation vielleicht leichter aufgelöst. So mühten sich die Gastgeber immer umständlicher um ein paar brauchbare Torgelegenheiten. Und in den letzten zehn Minuten drehten die Gäste plötzlich auf.

Bielefeld dreht plötzlich auf

Erst scheiterte Fabian Klos per Kopf aus sechs Metern an Robin Himmelmann (83.), vier Minuten später rettete Hamburgs Keeper mit einem großartigen Reflex nach Manuel Junglas' brandgefährlicher Kopfballverlängerung. In der Nachspielzeit scheiterte der eingewechselte Dennis Mast aus kurzer Distanz an Himmelmann. "In der letzten halben Stunde hatten wir sehr gute Chancen. Ich hatte die größte. Das muss auf jeden Fall ein Tor sein!", sagte Kapitän Klos, der in der letzten Saison noch bester Torschütze in der 3. Liga war.

Trotz der vergebenen Möglichkeiten zeigten die Gäste, worauf sich die Gegner in dieser Saison einstellen können. "Wir haben defensiv sehr gut und konzentriert gearbeitet. In den letzten sechs, sieben Minuten ist St. Pauli gar nicht mehr aus der eigenen Hälfte gekommen, da hätten wir das Spiel sogar gewinnen können", sagte Bielefelds Coach Meier, der seine Mannschaft plötzlich wie ein Heimteam auftreten sah. "Aber ein Remis in Hamburg ist jetzt auch nicht so schlecht. Wir haben uns vernünftig zurückgemeldet in der zweiten Liga."

Lienen sieht sein Team noch in der Vorbereitung

Das Remis zu Hause gefiel seinem Gegenüber nicht so ganz, es vermieste Ewald Lienen aber auch nicht komplett die Stimmung. "Ich kann natürlich nicht zufrieden sein mit dem einen Punkt. Aber ich weiß auch, dass die Vorbereitung nicht mit dem ersten Spieltag endet. Wir müssen uns in den kommenden Wochen damit beschäftigen, dass wir zu Hause 90 Minuten lang in der Lage sind, den Gegner unter Druck zu setzen."

Dann könne seine Mannschaft die Fans auch mit einem standesgemäßen Sieg belohnen. Während Lienen das sagte, feierten draußen im Stadion noch einige Unentwegte den Trainer, die Mannschaft und sich selbst. Es war alles so schön am Millerntor. Bis auf die 90 Minuten Fußball vielleicht.

© SZ vom 26.07.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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