Sportwetten:Szene mit mafiösen Strukturen

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Viele Buchmacher arbeiten ohne Lizenz - die Polizei rechnet sie dem organisierten Verbrechen zu.

Von Klaus Ott

Es war der bislang größte Schlag der deutschen Justiz gegen eine Organisation, die mit Fußball-Tipps viel Geld verdient, mutmaßlich aber illegal operiert. Am 15. März vergangenen Jahres schwärmten mehrere Hundert Polizisten und Staatsanwälte aus. Die Ermittler durchsuchten 214 Wettannahmestellen, Geschäftsräume und Wohnungen in Bayern und Baden-Württemberg.

Man habe "umfangreiches Beweismaterial" und 1,6 Millionen Euro in bar sichergestellt, notierte später das Bayerische Landeskriminalamt (LKA) in einem Bericht für die Innenminister der Länder. Es gehe nicht nur um verbotenes Glücksspiel. Weitere schwere Vorwürfe lauteten: unerlaubte Grenzübertritte ("Schleusungen"), Waffenhandel, Geldwäsche, Steuerhinterziehung und, letzten Endes, "Bildung einer kriminellen Vereinigung". Viele Mitglieder der Bande seien bewaffnet.

Der vertrauliche Report der Kriminaler ("Nur für den Dienstgebrauch"), in dem alles nachzulesen ist, gewährt einen tiefen Einblick in eine dunkle Szene mit teilweise mafiösen Strukturen. Abseits der staatlichen Sportwette Oddset und einer Hand voll privater Anbieter mit (rechtlichen umstrittenen) Lizenzen aus DDR-Zeiten agieren in Deutschland mindestens 35 Gesellschaften mit mehreren Hundert Annahmestellen. Sie können entweder gar keine Erlaubnis vorweisen, oder sie berufen sich auf oft fragwürdige Genehmigungen aus anderen Staaten.

Ständiger Wechsel

Ein genauer Überblick sei "nahezu ausgeschlossen, da hier ein ständiger Wechsel stattfindet", heißt es in dem Report. Kaum lassen die Behörden ein Wettbüro schließen, da macht ein paar Straßen weiter schon das nächste auf. Und das Geschäft mit Fußball-Tipps im Internet lässt sich ohnehin kaum regeln. Sogar asiatische Buchmacher leben gut von der Bundesliga. Die Wetteinsätze dürften, alles in allem, gut eine Milliarde Euro jährlich betragen.

Lange wollten der Deutsche Fußball-Bund (DFB) und die Bundesliga nicht wahrhaben, welche Gefahren hier für den Sport lauern. Schon im Herbst gab es ernsthafte Indizien, ein Zweitliga-Spiel (Aue - Oberhausen) sei manipuliert worden, damit Spieler und deren Hintermänner für die richtigen Tipps kassieren konnten. Jetzt gilt es als sicher, dass der Berliner Schiedsrichter Robert Hoyzer mehrere Begegnungen manipuliert haben soll, auf deren Ausgang er angeblich gewettet hat. Hoyzer wird vom DFB inzwischen mit einer kroatischen Glücksspiel-Szene in Berlin in Verbindung gebracht.

Paradies für illegale Anbieter

In der Branche wird ein Millionengewinn vermutet. Die Hauptstadt ist offenbar ein Paradies für illegale Anbieter. 55 Verfahren sind bei Gerichten und Staatsanwaltschaften bereits anhängig, doch "nehmen die Sportwettbüros weiter zu", heißt es im Bericht für die Innenministerien. Auch ruhigere Regionen wie Baden-Württemberg bilden keine Ausnahme. Dort sind ausländische Gesellschaften mit ihren Annahmestellen besonders stark vertreten, ermittelt wird unter anderem gegen kroatische Buchmacher.

Und dann ist da im Ländle noch der eingangs geschilderte Fall, den die Behörden als "organisierte Kriminalität" betrachten. Der Kopf der Gruppe habe eine Toto-Firma in Österreich gegründet und anschließend über Mittelsmänner in eigenen Büros und in Gaststätten im gesamten Bundesgebiet Wetten angenommen, besagt der vertrauliche Report. Die Gesellschaft habe mit hohen Gewinnen gelockt. Das war offenbar leicht möglich.

Gemeinnützige Zwecke

Der staatliche Lotto- und Totoblock, der Oddset veranstaltet, überweist seine hohen Überschüsse an die Finanzminister der Länder; teils werden die Mittel auch für gemeinnützige Zwecke (Sport, Kultur) genutzt. Die privaten Anbieter mit DDR-Lizenzen zahlen Steuern. Illegale Buchmacher sparen sich das alles und können so tolle Quoten versprechen, zumindest, bis die Behörden eingreifen.

Bei der österreichischen Firma mussten die Strafverfolger sogar verdeckt ermitteln, um der fünfköpfigen Führungsriege und den lokalen Statthaltern auf die Schliche zu kommen. Der Drahtzieher wurde bei der Razzia Mitte März 2004 verhaftet und saß ein halbes Jahr in Untersuchungshaft. Die Polizei hat ihre Ermittlungen abgeschlossen, nun wertet die Münchner Staatsanwaltschaft Hunderte Akten und Beweismittel aus.

Ein entscheidender Schlag gegen das trübe Treiben ist den Gesetzeshütern indes nicht gelungen. Der LKA-Bericht dokumentiert die Ohnmacht des Staates: Die Großaktion habe "wenig Auswirkungen" gehabt, die Bande habe sich neu organisiert. Einen Monat nach der Razzia "war die komplette Logistik ersetzt".

© SZ vom 27.1.2005 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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