Sportschießen:Im olympischen Schatten

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"Wir werden plötzlich ganz anders wahrgenommen": Sportschützin Barbara Engleder aus Triftern feiert ihren Olympiasieg im Dreistellungskampf bei der Siegerehrung der Sommerspiele in Rio. (Foto: Friso Gentsch/dpa)

Kurz nach den Sommerspielen in Rio treffen sich die Sportschützen und ihre Medaillengewinner zur deutschen Meisterschaft - der Verband erwartet, dass erstmals Fans an die Anlage kommen werden.

Von Julian Ignatowitsch

Jetzt wird sie auch in der Stadt erkannt, von "wildfremden Leuten", wie sie sagt. "Ein bisschen unheimlich ist das schon", sagt Sportschützin Barbara Engleder. Nach ihrem Sieg bei den Olympischen Spielen im Dreistellungskampf ist sie plötzlich auch außerhalb ihres Heimatdorfes Triftern und der Schützenkreise eine kleine Berühmtheit. Menschen gratulieren im Flugzeug, fragen auf der Straße nach Fotos oder nicken ihr anerkennend zu. Bei ihrer Rückkehr aus Rio wurde sie am Münchner Flughafen von Blaskapelle, Familie und Schützenmeistern empfangen und gefeiert, dazu von einigen Fans, jenen wildfremden Leuten. "Das kannte ich so bisher nicht", sagt sie, die durch ihre extrovertierte Art und den niederbayerischen Zungenschlag bei den Sommerspielen aufgefallen ist. "So eine Matz", hieß es nach der verpassten Medaille im ersten Wettkampf, dann folgten Gold und ein ikonischer Kniefall. Auf das erste angekündigte Weißbier kamen noch ein paar mehr. "Triftern stand Kopf", resümiert die 33-Jährige nach dem Empfang, bei dem sie auch fünf Legehennen geschenkt bekam. "Ach was, Triftern steht immer noch Kopf - und München gleich mit", verbessert sie sich dann und lacht. Ein typischer Engleder-Satz. Nicht nur sie sollte sich an den Trubel gewöhnen.

Vom 26. August bis zum 5. September finden auf der Olympia-Schießanlage in Garching-Hochbrück im Norden von München die deutschen Meisterschaften statt, und der Deutsche Schützenbund (DSB) erwartet einen so großen Andrang wie noch nie. Mit über 6000 Teilnehmern ist die Veranstaltung das zweitgrößte Breitensport-Event in Deutschland nach dem Deutschen Turnfest. Diesmal aber rechnen die Organisatoren auch mit Fans, die sich die Gewinner von Rio anschauen wollen. Bei den Schützen wäre das ein Novum. Auch wenn der DSB mit rund 1,4 Millionen Mitgliedern der viertgrößte deutsche Sportverband ist, bleiben Athleten und Verantwortliche selbst bei den internationalen Wettbewerben meist unter sich. Eine Fankultur wie in anderen Sportarten gibt es nicht und wird es wohl auch zukünftig nicht geben. Aber aufgrund der jüngsten Erfolge ist zumindest ein gesteigertes Interesse festzustellen, das den ein oder anderen Neugierigen, der die Sportart bisher nicht verfolgt hat, nach Garching locken könnte. Zumal der Eintritt wie immer kostenlos ist.

Die Medaillengewinner der vergangenen Olympiawochen sind allesamt am Start: Die Goldmedaillengewinner Engleder, Henri Junghänel (Kleinkaliber-Gewehr) und Christian Reitz (Schnellfeuerpistole) sowie Monika Karsch (Luftpistole), die Silber gewann. Dazu bayerische Olympioniken wie Daniel Brodmeier aus Kelheim oder Selina Gschwandtner aus Reischach. Die Athleten sind sich einig, dass die Erfolge von Rio dem Ansehen des Schießsports in der Öffentlichkeit geholfen haben. Engleder spricht sogar davon, dass der Sport bislang "verkannt worden sei" - und dass sich das jetzt ändern könnte. "Wir werden plötzlich ganz anders wahrgenommen." Die vielen spannenden Finals und eine Reizfigur wie Engleder machten die manchmal umstrittenen Disziplinen in Rio für viele Deutsche zum Hingucker.

Nach dieser Saison beginnt Engleder ihre Arbeit im Rathaus von Triftern

Doch allein ein besseres Image löst nicht alle Probleme. Engleder kann nach wie vor leidenschaftlich über das geringe Preisgeld (als Olympiasiegerin erhält sie 20 000 Euro, in anderen Ländern hätte sie bis zu 150 000 Euro bekommen) und die schlechte Sponsorenlage im Schießsport schimpfen. Profischützen sind finanziell auf die Sportförderung oder die Bundeswehr angewiesen und beginnen nach ihrer aktiven Karriere von vorne. Engleder macht diese Erfahrung gerade: Nach dieser Saison beendet sie ihre Sportkarriere und wird als Verwaltungsangestellte im Trifterner Rathaus arbeiten.

Die Bedeutung der deutschen Meisterschaften, einer ihrer letzten Wettkämpfe? "Frei weg schießen und schauen, was rauskommt", sagt sie. "Die Form passt ja, der Trainingshöhepunkt lag aber natürlich drei Wochen vorher." Für die Besten ist die Großveranstaltung nach den Sommerspielen ein Pflichttermin mit wenig Druck. Die Besonderheit der deutschen Meisterschaft liegt jedes Jahr in der Nähe von Spitzen- und Freizeitsport, dazu zeigen sich die Schützen in ihrer ganzen Vielfalt. Wenn Engleder beispielsweise am Samstagmorgen (8 Uhr) mit dem Luftgewehr an den Stand geht, schießen nebenan die Juniorinnen und draußen auf der Trap-Anlage Schüler. Wenig später gehen dann die Sommer-Biathleten im "Target Sprint", einer Mischung aus Laufen und Gewehrschießen, auf die Strecke, ehe kurz danach der nächste Olympiasieger startet. Gerade die Finalhalle dürfte bis auf den letzten Platz voll werden.

Engleder wird noch mal viele Hände schütteln und auch einige Autogramme schreiben, was sie nach wie vor als "ungewohnt" empfindet. Normalerweise ist sie hier für alle nur die "Barbara". Aber ihr Name hatte zuletzt ja doppelt für Aufsehen gesorgt. Mancher Sportjournalist sprach von einer Frau "Engländer". Da lachte sie dann laut und warnte mit erhobenem Zeigefinger: "Engleder, bittschön!" So ist das eben, mit diesen wildfremden Leuten.

© SZ vom 26.08.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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