Sportler in der Werbung:"Ob ein Fußballer gut spielt, ist unwichtig"

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Frechdachse, Schönlinge, Sympathieträger - die Werbeindustrie hält bei der EM Ausschau nach starken, telegenen Typen.

Christian Mayer

Fußballer waren früher vor allem auf dem Platz aktiv, der Sport galt als ernste, schweißtreibende Angelegenheit. Inzwischen sind die Topspieler auch Topverdiener in der Werbewirtschaft, die von der EM zu profitieren sucht - so wie der DFB-Partner Mercedes, der für einen Werbefilm die ganze Nationalmannschaft als Bergsteiger verkleidete. Warum sich Fußballer immer stärker zu professionell betriebenen Marken entwickeln, erläutert Karen Heumann, 43, Vorstand für Strategie bei der Hamburger Werbeagentur Jung von Matt.

Überdimensionale Spielerfiguren heißen Bahnreisende in Zürich Willkommen. (Foto: Foto: ddp)

SZ: Frau Heumann, warum vertraut Ihre Branche so stark auf Männer, die sonst einem Ball hinterherjagen?

Heumann: Weil Fußballspieler eine ungeheure Breitenwirkung haben. Diese Popularität schafft nur der Fußball. Leute wie Ballack spielen Heldenrollen. Wie die Gladiatoren im Alten Rom sind die Zuschauer live dabei, wenn ihre Lieblinge in der Arena leiden und jubeln.

SZ: Welche EM-Spieler haben im Lauf des Turniers am meisten Marktwert gewonnen?

Heumann: Auf jeden Fall Bastian Schweinsteiger! Er hat durch seine rote Karte und die beiden wichtigen Tore sein ganz persönliches Drama erlebt. Außerdem ist er ein Typ, sehr deutsch, sehr blond, bodenständig und verschmitzt - die Marke Schweini dürfte nach der EM durch die Decke gehen. Auch Podolski und Philipp Lahm haben enorm dazugewonnen.

SZ: Und dann gibt es noch den Total-Vermarkter: Michael Ballack. Er wirbt für Autos, Bier, Fastfood, einen Sportartikelhersteller und die Deutsche Bahn. Ist das nicht ein bisschen zu viel?

Heumann: Die Konzerne wollen ihn trotzdem, und die EM wird sie darin noch bestätigen. Der Mann ist attraktiv, er wirkt als Sympathieträger, auch bei Frauen. Außerdem ist Ballack universeller einsetzbar als etwa Oliver Bierhoff, der eher ein Schwiegermutter-Image hat - ideale Voraussetzungen, um für Banken und Versicherungen zu werben.

SZ: Besteht nicht die Gefahr, dass die Leute gar nicht wissen, für wen Ballack eigentlich noch wirbt?

Heumann: Bei Franz Beckenbauer konnte man den Verwechslungseffekt vor der WM 2006 feststellen, weil sich die Leute die vielen Kampagnen gar nicht mehr merken konnten. In solchen Fällen setzt sich oft die beste Werbung durch, und die anderen Marken verpulvern möglicherweise ihr Geld.

SZ: Es fällt auf, dass in der Nationalmannschaft jeder seine Rolle spielt - Philipp Lahm war bisher der jugendliche Typ für Videospiele, Marcell Jansen der Nutella-Botschafter, Thorsten Frings wirbt für coole Schuhe.

Heumann: Wie an jedem Schauspielhaus müssen eben gewisse Rollen besetzt werden. Den jungen Herausforderer, den blonden Prinzen, den Unangepassten.

Auf der nächsten Seite: Was besonders Frauen an Männern wie Luca Toni oder Cristiano Ronaldo reizt.

SZ: Im Gegensatz zu früheren Generationen von Fußballspielern sprechen die heutigen Werbestars gezielt ein weibliches Publikum an.

Heumann: Wenn ein großer Verein einen Typ wie David Beckham einkauft, will er nicht nur Trikots in Asien verkaufen, sondern auch bei Frauen Sympathien gewinnen. Fußball ist durch die Beckhams und die Ballacks sexy geworden. Und wenn einer wie Luca Toni sein Trikot auszieht, kann er sich der Dankbarkeit des weiblichen Publikums sicher sein - auch wenn er bei dieser EM wenig Glück hatte. Seine Vermarktungsexperten sind weiter sehr aktiv, ich rechne daher nicht mit Einbußen.

SZ: Was reizt Frauen an Männern wie Luca Toni oder Cristiano Ronaldo?

Heumann: Sie sind attraktiv, erfolgreich, wohlhabend - Frauen finden diese Mischung anziehend. Viele Spieler sind heute PR-geschult und medienerfahren, so dass sie einigermaßen nett und intelligent rüberkommen. Außerdem: So viele tolle Männer gibt es ja gar nicht, mit denen man weltweit erfolgreich werben kann - George Clooney ist ausgelastet.

SZ: Die Beckhamisierung ist also nicht aufzuhalten - und das Millionenspiel mit Werbeverträgen geht weiter.

Heumann: Ja, aber nicht nur die Spieler profitieren davon. Auch für die Vereine ist das Merchandising mit prominenten Marken eine wichtige Einnahmequelle. Ob der Spieler dann gut Fußball spielt, ist aus finanzieller Sicht oft gar nicht so entscheidend - das zeigt das Beispiel Beckham.

SZ: Früher war das anders. Noch in den achtziger Jahren wäre es undenkbar gewesen, Leute wie Hans-Peter Briegel, Dieter Hoeneß oder Uli Stielike als Models einzusetzen. Allein die Frisuren!

Heumann: Moment mal. Es kommt immer darauf an, ob ein Spieler zum Produkt passt. Es gibt ja auch den bärbeißigen, hässlichen Typen. Wenn so einer ein eigenständiges Profil hat, eine eigene Sprache spricht, kann er durchaus attraktiv für die Werbung sein.

SZ: So wie der Franzose Franck Ribéry, der in München als neuer bayerischer Märchenkönig großflächig sogar an der Theatinerkirche hing?

Heumann: Der Mann hat was. Diese Narben, diese Biographie, er ist glaubwürdig. Ribéry schafft Identifikationsmöglichkeiten, auch für Menschen, die es im Leben nicht leicht haben.

SZ: Oliver Bierhoff und Joachim Löw verkörpern einen Wandel beim DFB - die Generation Klinsmann, die mit Sponsoren knallharte Verträge aushandelt.

Heumann: Ja, diese Leute verstehen das Alphabet der Werbung; sie wissen, wie sie auf der Klaviatur spielen müssen. Wenn man sich die Internetseiten von Frings, Ballack oder Philipp Lahm ansieht, merkt man sofort: Das sind hochprofessionelle Popstars. Die kennen den Wert ihrer Bilder.

SZ: Aber sind diese professionellen Typen nicht ein wenig langweilig? Manchmal sehnt man sich fast nach einem Skandal-Fußballer wie Stefan Effenberg.

Heumann: Mag sein. Aber heute spielt jeder dieser Spieler seine Rolle, wie sie von ihm erwartet wird. Das macht diese Figuren nicht spannender, aber sehr zuverlässig.

© SZ vom 27.06.2008/mb - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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