Sport & Politik:Verbalfoul

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Skurrile Panne im WM-Kanal: Im russischen Fernsehen ist der Name des Kreml-Kritikers Alexej Nawalny tabu. Jetzt wurde er ausgerechnet beim Fußball zum Thema.

Von Julian Hans

Den russischen Fernsehzuschauern hat die Begegnung Deutschland gegen Mexiko - abgesehen von der sportlichen Seite - eine unerwartete Premiere gebracht: Zum ersten Mal wurde der Name des prominentesten Kreml-Kritikers im staatlichen Fernsehen in einem neutralen Zusammenhang ausgesprochen. Was im Internet aufgeregt kommentiert wurde.

Normalerweise achten die Sender penibel darauf, den Anti-Korruptions-Aktivisten und Politiker Alexej Nawalny nicht zu erwähnen. Ausnahmen gab es bisher nur, wenn Nawalny wieder einmal in einem inszenierten Prozess vor Gericht stand. Versuche russischer Journalisten, Wladimir Putin dazu zu verleiten, den Namen seines Kritikers öffentlich auszusprechen, hat der Präsident stets erfolgreich pariert. Er und andere Regierungsmitglieder sprechen dann von "jenem Herrn, den sie erwähnt haben", von "diesem mehrfach verurteilten Bürger" oder von "diesem oppositionellen Typen". Nachdem Nawalny bei der Bürgermeisterwahl in Moskau vor fünf Jahren aus dem Stand 27 Prozent holte, wurde er von den Präsidentschaftswahlen im März vorsorglich ausgeschlossen. Als Herausforderer mag er Putin nicht gefährlich sein, aber seine Themen sind es: Die Korruption im Umfeld des Kremls soll kein Thema öffentlicher Erörterung werden.

Dass Nawalny jetzt unverhofft ins Fernsehen kam, war Folge einer sprachlichen Assoziationskette. Sein Nachname hat denselben Stamm wie das russische Wort für aufhäufen oder auftürmen. Als eine deutsche Niederlage absehbar wurde, sagte der Kommentator im Ersten Kanal: "Die Deutschen müssten jetzt alles nach vorn werfen" (wörtlich: "nawalny Futbol" spielen). Antwort des Ex-Nationaltrainers und Co-Kommentators Leonid Sluzki: "Nawalny spielt Fußball? Das würde ich gern sehen." Ob durch eine technische Panne oder mit Absicht: Die Partie Deutschland gegen Mexiko war auf der Webseite des Senders am Montag als einzige nicht abrufbar.

© SZ vom 19.06.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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