Sport-Events:Mit Karotte und Peitsche

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Wie Menschenrechtler versuchen, Veranstalter großer Events auf ihre moralischen Pflichten aufmerksam zu machen.

Von Sebastian Fischer, Nürnberg

Wenzel Michalski lacht, dabei ist es eigentlich ziemlich traurig, wovon er gerade erzählt. Michalski, Direktor von Human Rights Watch in Deutschland, sitzt auf einem Podium bei der Deutschen Akademie für Fußballkultur in Nürnberg und spricht über den internationalen Volleyballverband FIVB. Die Verbands-Oberen nennt er: "Trottel."

Michalski ist nach Nürnberg gekommen, um auf dem Kongress der Akademie für Fußballkultur über den Kampf für Menschenrechte zu sprechen, die oft auch der Sport verletzt. Er stellte gemeinsam mit Marianne Meier von der Organisation Terre des Hommes die Arbeit der Sport and Rights Alliance (SRA) vor; einer Koalition führender Nichtregierungsorganisationen, die sich 2015 gebildet hat, um wirksamer protestieren zu können, wenn große Sportverbände für die Organisation ihrer Events die Interessen der örtlichen Bevölkerung missachten, Rechte verletzen oder über Menschenrechtsverletzungen in Austragungsorten galant hinwegsehen.

Letzteres, so macht es den Anschein, ist beim Volleyballverband der Fall. Im Februar findet in Iran erstmalig ein Beachvolleyball-Turnier der World-Tour statt. Was revolutionär klingt, ist jedoch nur für einen Teil der iranischen Bevölkerung etwas Besonderes: Frauen dürfen in Iran, wo Volleyball eine der beliebtesten Zuschauersportarten ist, seit 2012 keine Männer-Volleyballspiele besuchen. Eine klare Diskriminierung, prangert Human Rights Watch an. Ein Bruch außerdem mit dem sechsten Punkt der olympischen Charta des Internationalen Olympischen Komitees (IOC), dem Diskriminierungsverbot. Die Organisation besuchte den Verband in Lausanne, "die hatten keine Antwort", sagt Michalski. Zwar habe der FIVB in einem Statement erklärt, das Problem erkannt zu haben. Man sei im engen Austausch mit Iran, um Familien den Besuch der Spiele zu ermöglichen. Bei Human Rights Watch sind sie skeptisch.

Positive Signale und "Firepower"

Es gebe allerdings auch positive Signale, sagt Michalski. Er lobt etwa vorsichtig die Gespräche mit IOC-Präsident Thomas Bach. Ihm hatte die SRA einen offenen Brief geschrieben, in dem sie Bach dazu auffordern, bei der Vergabe, beim Bau der Sportstätten und bei der Organisation von Olympischen Spielen Menschenrechte zu wahren, die Umwelt zu schonen und Korruption zu bekämpfen. Meier stellte die Kampagne "Children win" von Terres des Hommes vor, die sich für die Rechte von Kindern in Austragungsorten von Mega-Events einsetzt. Sie prangern die Zwangsräumungen von Siedlungen an, wie es sie vor der Fußball-WM in Südafrika 2010 gab, 2014 in Brasilien und aktuell vor den Olympischen Spielen in Rio de Janeiro im kommenden Sommer.

Die Sportwissenschaftlerin Meier will jedoch die negativen Aspekte nicht alleinstehen lassen. Es gebe auch Chancen für Kinder durch große Sport-Events. In Südafrika etwa, sie zeigt einen Film, gebe es seit der WM ein Projekt, das Kindern aus den Townships den Zugang zu Bildung erleichtert. Es brauche solche und solche Menschenrechts-Organisationen, sagt sie: solche, die die Zustände anprangern; andere, die sich nicht scheuen, mit Verbänden wie der Fifa auch zusammenzuarbeiten. "Karotte und Peitsche", nennt Michalski das Prinzip der SRA, zu der neben Human Rights Watch und Terres des Hommes auch die Spielergewerkschaft Fifpro, Transparency International oder die Fanvereinigung Football Supporters Europe gehören. Er sagt: "Das hat Firepower."

Was alle gemein haben, ist der Kampf für einen verantwortungsbewussten Sport. Und gegen den Status Quo. Michalski sagt es über die Fifa, es könnte aber für viele andere Sportorganisationen gelten: "Die sind moralisch abgehärtet."

© SZ vom 17.01.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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