Spitzenpferd Bella Rose:Mit links

Lesezeit: 3 min

Piaffen auf den Punkt, schwebende Passagen und starker Trab: Isabell Werths Pferd Bella Rose beherrscht fast alles, ist aber verletzungsanfällig. (Foto: imago/Pressefoto Baumann)

Dressur-Stute Bella Rose galt einst als unschlagbares Dressur-Pferd. Dann war sie verletzt. Nun wird ein neuer, vielleicht letzter Versuch gestartet.

Von Gabriele Pochhammer, Aachen

Wunder kommen eigentlich ohne Vorwarnung. Und doch passierte so etwas vor knapp drei Wochen in Fritzens, mitten in den Tiroler Bergen, zwischen Weiden und einer schlichten Holztribüne, auf der eine Handvoll Menschen mucksmäuschenstill saßen, um zu erleben, ob dieser schon fast nicht mehr zu glaubende Fall eintritt.

Isabell Werth hatte in Österreich erstmalig seit fast vier Jahren wieder ihre Fuchsstute Bella Rose präsentiert. Und tatsächlich: Beide Dressur-Prüfungen gewann sie mit links, 77,522 Prozent im Grand Prix, 80,170 im Special. Das war dann schon wieder in der Kategorie Weltklasse, obwohl noch nicht alles perfekt klappte, und die Stute zeitweise ein bisschen aufgeregt zu sein schien. Auch war die Konkurrenz nicht so stark, wie sie jetzt, von Mittwoch bis Sonntag beim CHIO, dem wichtigsten Reitertreffen in Aachen, sein wird. Aber darauf kam es auch gar nicht an.

Nach dreieinhalb Jahren, in denen Bella Rose wegen einer Verletzung mehrmals abgeschrieben war, angekündigte Comebacks durch Rückschläge zunichtegemacht wurden, scheint die Stute nun so gesund zu sein, dass sie wieder in der obersten Liga der Dressur mitspielen kann. Bella Rose, die Schöne, die Hochbegabte, ist zurück, und vor allem für ihre Reiterin, die Rekord-Olympionikin Isabell Werth, ist das mehr als eine lapidare Sportmeldung. Unter Freudentränen beendete sie den Ritt in Österreich. Fast vier Jahre lang hatte sie gehofft, gezweifelt, und dann doch immer wieder gehofft, dass diese Stute eines Tages in den Sport zurückkehren würde.

Werth weiß, dass sie so ein Pferd vielleicht nie mehr im Leben bekommen wird. Eines, dem alles zuzufliegen scheint. Wie ein langbeiniges Topmodel schwebt Bella Rose elegant übers Viereck, und zeigt spielerisch, was andere mühsam lernen müssen, wenn sie es denn überhaupt je lernen: die Piaffen auf den Punkt, die erhabenen stolzen Passagen, in denen das Pferd in einer Art Schwebetritt verharrt, die Siebenmeilenstiefel im starken Trab. Auch der dressur-unkundige Betrachter spürt: Dieses Pferd ist etwas Besonderes.

Leicht euphorisch zeigte sich auch Bundestrainerin Monica Theodorescu, die in Fritzens dabei war. "Das war noch nicht die Bestform", sagte sie, "dazu war die Pause von dreieinhalb Jahren zu lang. Aber sie hat eigentlich keinen Fehler gemacht, und alles andere kommt."

Umgehend wurde Bella Rose also wieder in den Championatskader aufgenommen, und nach einer weiteren Überprüfung an diesem Wochenende wurde sie für Aachen nominiert. "Das ist schon irre", sagt Theodorescu. "Jetzt müssen wir sehen, wie es ist, wenn sie belastet wird."

Zwar wird Bella Rose in Aachen nicht in der offiziellen Mannschaft für die CDIO-Kategorie starten, wo die Deutschen auf einige ihrer stärksten Gegner der Weltmeisterschaft im September in Tryon (USA) treffen werden, sondern in der zweiten Prüfungsserie, dem CDI. Im CDIO, einem Fünfsterne-Event, setzt Werth nun auf den Wallach Emilio. Die brave Weltcupsiegerin und Europameisterin Weihegold, die ihre Fähigkeiten längst bewiesen hat, wird während Aachen nicht eingesetzt, sie soll sich etwas erholen.

Bella Rose dagegen muss sich nach der langen Zwangspause nun erst wieder neu auf Vier-Sterne-Niveau qualifizieren, bevor sie auf Fünfsterne-Ebene antreten darf. Ihre alten Lorbeeren sind verwelkt, der zweite Platz im Grand Prix bei der Weltmeisterschaft vor vier Jahren in der Normandie und damit das beste deutsche Ergebnis des deutschen Teams, zählen nichts mehr.

Nach diesem einzigen WM-Auftritt begann vor vier Jahren die Leidensgeschichte der Fuchsstute. Sie lahmte nach dem Grand Prix, und keiner konnte zunächst herausfinden, warum. Sie startete dann noch mal im Herbst in der Stuttgarter Schleyerhalle, gewann dort Grand Prix und Special, aber von da ab war Bella Rose nicht mehr der kommende Superstar, sondern nur noch Patientin. Alle Untersuchungen, die die moderne Pferdemedizin bietet, ließ sie über sich ergehen, aber immer wieder trat diese Lahmheit auf. Dachte man bei der WM in Caen zunächst noch, es läge am falschen Beschlag, an einem zu festen Hufpolster in Verbindung mit zu hartem Boden, so stellte sich schließlich heraus, dass die Verletzung gravierender war.

Eine aufwendige Behandlung schloss sich an, monatelang durfte Bella Rose nur vorsichtig bewegt werden. Jeder plötzliche Bocksprung konnte den Erfolg der Behandlung zunichte machen. Und das bei einem Pferd, das vor Temperament sprüht, sich bewegen will und dessen einziger Fehler gelegentlich Übereifer ist. Ihre besten Jahre hat Bella Rose so verbracht. Vor vier Jahren war sie als Zehnjährige noch ein junges Grand Prix Pferd, jetzt ist sie 14. Die Jahre, in denen andere Pferde Turniererfahrungen sammeln, in denen sie reifen, verstrichen ungenutzt, auch wenn zwischendurch immer wieder leicht gearbeitet werden konnte. Aber Werth wollte sich Zeit lassen, nichts zu früh fordern, was sich später rächen könnte. Wie es jetzt aussieht, war dies genau der richtige Weg.

© SZ vom 18.07.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: