Spielpläne:Nur nicht hinten rechts

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Bernd Schneider hat das Glück, viele andere Dinge zu können, die viele andere deutsche Fußballer nicht können. Er ist das gute Gewissen des Landes, weil dank seiner Existenz als bewiesen gilt, dass Brasilianer auch in Deutschland geboren werden können.

Christof Kneer

Anzeige hat Bernd Schneider nicht erstattet, er ist nicht der Typ für so was. Er streitet sich nicht gerne, und überhaupt: Weiß man denn, ob so eine Anzeige etwas bringt? Nein, er wird sie nicht als gestohlen melden, jene "zwei bis drei Tore, die mir geklaut wurden". Näheres über den Tathergang ist bislang nicht bekannt, man weiß nicht, wo die Tore hingekommen sind, nachdem sie ihm entwendet wurden. Hat die jetzt ein anderer? Wurden sie weiterverkauft? Oder war der Diebstahl einfach nur ein sinnloser Akt? "Zwei bis drei Tore fehlen in meiner Länderspielstatistik", hat Bernd Schneider dann noch einmal gesagt, "sie wurden aberkannt, wegen Abseits oder Aus, aber das waren reguläre Tore."

Bernd Schneider Länderspieltore wegzunehmen, wird vor Gericht zweifellos als besondere Grausamkeit gewertet werden, denn er braucht jedes. Er ist offensiver Mittelfeldspieler, er hat 62 Länderspiele bestritten und dabei nur ein einziges Tor geschossen. Wenigstens ist dieses eine Tor ein unglaublich bedeutendes gewesen, es war ein Tor bei einer Weltmeisterschaft, es war sogar ein Tor bei einem ersten Spiel einer Weltmeisterschaft, es war, nun ja, es war das 8:0 gegen Saudi-Arabien beim 8:0 gegen Saudi-Arabien. "Ein ganz wichtiges Tor", sagt Schneider und grinst.

Plötzlich ist Gefahr im Verzug

Bernd Schneider ist durchaus mit Selbstironie begabt, er kann sie sich auch leisten. Er weiß ja, dass niemand seinen Wert an seiner Torquote bemisst. Er hat das Glück, viele andere Dinge zu können, die viele andere deutsche Fußballer nicht können. Er ist das gute Gewissen des Landes, weil dank seiner Existenz als bewiesen gilt, dass Brasilianer auch in Deutschland geboren werden können. Bernd Schneider war der beste Brasilianer im WM-Finale 2002, dieses Bonmot gilt noch heute, und man hat gnädig übersehen, dass seine Torbilanz eher der eines Rechtsverteidigers entspricht.

Wenige Tage vor WM-Beginn ist für Schneider plötzlich Gefahr im Verzug. Zwar hat ihn Bundestrainer Klinsmann offiziell zum Stammspieler erklärt und gegen Luxemburg hat er in Vertretung von Michael Ballack sogar Kapitän spielen dürfen - dennoch könnte er sich bald auf einer Position wiederfinden, auf der Tore wirklich nicht so wichtig sind: rechts hinten nämlich, dort, wo er auch in Leverkusen immer wieder mal gespielt hat. Es ist ja ein komischer Konkurrenzkampf, der im deutschen Team gerade tobt: Alle wollen spielen, aber niemand Rechtsverteidiger - außer Arne Friedrich natürlich, dem etatmäßigen Inhaber dieser Position, dessen Formschwäche die Debatte ausgelöst hat.

Irgendwann noch mal ein wichtiges WM-Tor schießen

"Ich rechts hinten? Das wird nicht passieren", hat etwa Torsten Frings gerade wissen lassen; auch er ist ein Mittelfeldspieler, der das Pech hat, in seiner Karriere schon mal recht ordentlich hinten rechts gespielt zu haben. Bei der letzten WM war das, in Japan und Südkorea, und damals hat Frings das geschluckt, weil er ein Neuling im Kader war. Wenn man ihn heute auf den Rechtsverteidigerposten anspricht, ist das ungefähr so, als würde man Oliver Kahn fragen, ob Ersatztorwart seine Lieblingsposition ist. Frings hat eine Halbzeit lang rechts hinten spielen müssen im Trainingslager, gegen die A-Jugend von Servette Genf, und man könnte sagen, dass er sich Mühe gegeben hat, nicht positiv aufzufallen.

Einen zweiten Rechtsverteidiger gibt es nicht in Klinsmanns Aufgebot, und die Unwucht des Kaders hat Bernd Schneider und Torsten Frings eine ungeliebte Debatte aufgezwungen. Sie können jetzt nur hoffen, dass sich Friedrich bald wieder fängt. "Das wirft Arne nicht um", sagt Schneider, angesprochen auf Friedrichs Wackelspiel gegen Luxemburg, "wir werden ihm alle den Rücken stärken." Das ist natürlich sehr lieb und hätte den praktischen Nebeneffekt, dass Schneider dort bleiben könnte, wo er "am liebsten" spielt - nämlich im halbrechten Mittelfeld.

"Ich glaube, dass ich irgendwann noch mal ein wichtiges WM-Tor schießen werde", hat Bernd Schneider am Ende der Torklaudebatte übrigens noch gesagt. Was er damit wahrscheinlich sagen wollte: Als Rechtsverteidiger schieße ich das bestimmt nicht.

© SZ vom 30.5.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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