Spanischer Fußball:Wechseln erlaubt

Lesezeit: 3 min

Eine Weltelf gratuliert - der Uruguayer Luis Suarez erzielte Barcelonas Siegtor gegen Atletico Madrid. (Foto: imago/ZUMA Press)
  • Der FC Barcelona gewinnt das Spitzenspiel gegen den Tabellenzweiten Atlético Madrid miti 2:1.
  • Dabei spielte Madrid am Ende wegen Platzverweisen mit zwei Mann weniger.

Von Oliver Meiler

Es ist immer rührend, wenn sich Vereinsobere und Trainer nach großen Siegen bemühen, die Unwägbarkeiten einer langen Meisterschaft zu beschwören - unheilvoll, dramatisch, mit hochgezogenen Augenbrauen. Auf diese Weise soll verhindert werden, dass die Spannung in den Fußballern und im euphorisierten Publikum abfällt. In Spanien heißt es dann: "Queda mucha liga", die Liga dauert noch lange. Eine Phrase ist das, millionenfach gedroschen - selbst dann noch, wenn die Unwägbarkeiten reihenweise verschwinden.

Als jüngster Phrasendrescher hat sich nun Barças Trainer Luis Enrique hervorgetan, obschon seiner Mannschaft im Spitzenspiel gegen Atlético Madrid soeben das gelang, was nur jenen gelingt, die am Ende triumphieren: Sie spielte bescheiden, schuf wenig und erduldete viel, gewann dann aber doch 2:1. Der FC Barcelona führt die Tabelle nun alleine an, mit drei Punkten Vorsprung auf Atlético Madrid - und hat noch seltener gespielt als der Rivale.

Gewinnt man auch das Nachholspiel gegen Sporting Gijon, und diese Prognose ist nicht verwegen, wächst die Führung auf den Verfolger auf sechs Punkte an. Und Real ist nur Dritter. Man kann also ohne großes Risiko behaupten, dass Barça da einen stattlichen Schritt hin zur Titelverteidigung geschafft hat, womöglich sogar den entscheidenden.

Aber natürlich: "Queda mucha liga." Trainer Luis Enrique wählte sogar die gesteigerte Form: "Queda muchísima liga."

Atlético benötigte nur 21 Prozent Ballbesitz um mitzuhalten

Vielleicht redete er auch deshalb in Floskeln, weil die Seinen tatsächlich einmal recht irdisch aufgetreten waren. Die Zeitung El País wählte die Schlagzeile: "Atlético spielt, Barça gewinnt." Erstaunlich ist diese - übrigens sehr korrekte - Analyse vor allem deshalb, weil die Katalanen gegen Atlético 79 Prozent Ballbesitz hatten, viel mehr geht nicht. Aber es war wieder einmal stumpfer Ballbesitz. Oder, anders gesagt: Atlético brauchte für die Ebenbürtigkeit nur 21 Prozent, diese aber füllten sie mit ihrem ganz eigenen Furiosum, einer Mischung aus Kampf und Drang, stets grenzwertig hart und hoch motiviert.

Nach Kokes Tor zur Führung, einer Direktabnahme im Strafraum nach zehn Minuten, hatte es den Anschein, als gelinge Atléticos Trainer Diego Simeone da die ganz große Nummer. Lionel Messi und Luis Suárez drehten das Resultat mit ihren Toren zwar noch in der ersten Halbzeit, doch nichts wies auf ein geruhsames Verwalten hin.

Atlético nahm sich seine Chance selbst. Der brasilianische Außenverteidiger Filipe Luis sah noch vor der Pause die rote Karte wegen einer rabiaten, ungebremsten Fußattacke auf Messis Knie in einer gefahrlosen Spielzone bei der Mittellinie, die dem Argentinier außer einer Rötung keine weiteren Probleme eintrug.

In der 66. Minute flog auch Innenverteidiger Diego Godín vom Platz, ein Mann, der bei aller Beinhärte die Kurve der Legalität normalerweise immer gerade noch kriegt. Doch selbst zu zehnt - und sogar noch zu neunt - fielen die Gäste nie merklich ab. Simeone sagte danach trocken: "Wenn wir verlieren, dann immer so."

Bitter war das nicht, im Gegenteil. Der Trainer ließ dann auch noch ausrichten, dass sein Team "komplett" sei, das habe man sehen können. Das heißt: Keine schnellen Transfers in letzter Sekunde, keine Winteraktivitäten. Dieses stolze Bekenntnis zum vorhandenen Kader hat aber vor allem einen anderen, einen juristischen Hintergrund: Die Fifa gesteht Atlético und Real Madrid, die beide gerade erst mit einer einjährigen Transfersperre belegt worden sind, offenbar einen Aufschub der Strafe zu.

Das schmälert die unmittelbare Dringlichkeit einer Verstärkung gerade markant. Der Weltverband verfuhr schon mit Barça so, das vor zwei Jahren ebenfalls wegen regelwidriger Verpflichtung minderjähriger Fußballer bestraft worden war und dagegen in Berufung ging. Aufgehoben wurde die Sperre damals nicht, aber eben verschoben.

Nun wiederholt sich der Fall offenbar. Die beiden Vereine aus Madrid werden wohl auch auf dem kommenden Sommermarkt tätig werden dürfen, offenkundig rechnen die Klubspitzen schon fest mit einem Strafaufschub. Vor allem bei Real hätte man sonst ganz schnell ganz aktiv werden müssen, man hätte überhastet kaufen müssen - ohne großen Nutzen für den Rest der laufenden Saison: In der Champions League dürfen Spieler, die schon für andere Vereine aufgelaufen sind, nicht mehr eingesetzt werden.

Real Madrid plant für den Sommer einen großen Umbruch

Das Interesse an einem schnellen Engagement war also sowohl bei den transferwürdigen Spielern wie beim kaufbereiten Verein recht gering. Nun ist alles plötzlich anders. Die Gefahr der Sperre ist zwar nicht gebannt, es lässt sich aber ruhiger planen, einen Sommer lang. Dann sollte die Elf so gut bestückt sein, dass sie eineinhalb Jahre lang, bis zum Transfermarkt im Januar 2018, den hohen Ansprüchen der Königlichen genügen würde.

Im Umfeld Reals gibt es bereits Stimmen, die genau deshalb einen Großumbau anmahnen. Und ein solcher wäre wohl nur dann möglich, wenn der Verein Cristiano Ronaldo verkaufen würde. Bei Paris St. Germain sollen sie bereit sein, 140 Millionen Euro für die Dienste des Portugiesen zu bezahlen. In diesem Fall würden bei Real erhebliche Mittel für Zukäufe frei; genannt werden reflexartig Robert Lewandowski oder der Franzose Paul Pogba. Doch wie wahrscheinlich ist es, dass Ronaldo den Verein tatsächlich verlässt? Sein Agent Jorge Mendes wiederholt immer gerne, Ronaldo plane, sich bei Real pensionieren zu lassen - mit 40. In einigen Tagen wird er 31.

© SZ vom 01.02.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: