Souveräner Auswärtssieg:Mit freundlicher Unterstützung

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„Das Gute war, dass ich genug Druck hinter den Ball gebracht habe“: Mit ein bisschen Glück verwandelte Leon Goretzka seinen ersten Elfer als Profi. (Foto: Annegret Hilse/dpa)

Schalke 04 dominiert die Partie bei der Hertha nach Belieben. Die Gäste erhalten beim 2:0-Sieg gleich zweimal Unterstützung des Gastgebers: durch ein motivierendes Plakat und eine rote Karte.

Von Javier Cáceres, Berlin

Schalkes Manager Christian Heidel fühlte sich am Samstag zu besonderem Dank verpflichtet, er galt der Marketingabteilung des Bundesligaklubs Hertha BSC. "Auf Berlin kommt Großes zu. Aber am 14.10 erst mal Gelsenkirchen", hatten sie auf die Plakate geschrieben, mit dem die Visite der Schalker annonciert worden war, und den gleichen Spruch in leicht abgewandelter Form auf die Umschlagseite des Stadionhefts gedruckt.

Größere Motivationsreden seien hernach nicht mehr nötig gewesen, es reichte der Hinweis auf einen Spruch, den man unter Schalkern als Geringschätzung interpretierte. "Das war natürlich Doping für uns", sagte Heidel, und er hatte ja auch gut feixen. Seine Schalker besiegten die Hertha mit 2:0 (0:0) - und fügten ihr damit die wettbewerbsübergreifend erste Heimniederlage der Saison zu. "Da gibt es nix schönzureden", bilanzierte Herthas Trainer Pal Dardai, seitens seiner Mannschaft habe "kein richtiges Spiel stattgefunden, das war kein richtiger Fight". Womit der Ungar zweifelsohne richtig lag.

Genki Haraguchi: Vom Filigran-Kicker zum Ninjutsu-Kämpfer

Zu erleiden hatten das bei überraschend milden Temperaturen offiziell (nur) 50.950 Zuschauer. Sie wurden im Berliner Olympiastadion Zeugen einer Begegnung, die bis zur 44. Minute von gräulicher Belanglosigkeit war. Dann aber schaltete sich Schiedsrichter Benjamin Brand in die Partie ein - und verwies Herthas Außenstürmer Genki Haraguchi per Roter Karte des Feldes. Der Japaner hatte sich plötzlich vom einzigen Filigran-Kicker der Partie in einen Ninjutsu-Kämpfer verwandelt - und flog auf Höhe der Mittellinie mit gestrecktem Bein auf Guido Burgstaller zu. Als Haraguchi wieder landete, war der Ball weg, Burgstallers Knöchel aber noch da. "Er hat mich zum Glück nur gestreift", berichtete später Burgstaller. Die rote Karte gegen Haraguchi war freilich alles andere als deplatziert. Und sie änderte die Dynamik der Partie von Grund auf.

Denn Herthas Trainer Pal Dardai sah sich gezwungen, seine nunmehr dezimierte Truppe neu auszurichten. Für den blassen Spielmacher Ondrej Duda und Mittelstürmer Salomon Kalou, der den gesperrten Kapitän Vedad Ibisevic nicht angemessen ersetzen konnte, kamen der Australier Mathew Leckie und der lange verletzte U21-Nationalspieler Davie Selke, der nach seinem Wechsel von RB Leipzig sein erstes Pflichtspiel für Hertha bestritt. Doch noch ehe sich die beiden auf dem Rasen orientiert hatten, musste Referee Brand erneut intervenieren. Denn Herthas Mittelfeldspieler Darida brachte den Schalker Franzosen Amine Harit im Strafraum zu Fall - und verursachte damit einen Elfmeter herauf, den Nationalspieler Leon Goretzka mit etwas Glück verwandelte (54.).

Berlin gibt in 90 Minuten - freundlich gerechnet - zwei Torschüsse ab

Danach fiel es den Berlinern noch schwerer, den Schalkern Unbehagen zu bereiten, die Gäste kontrollierten Ball und Geschehen. "Dass Hertha hier mit null Torchancen aus dem Spiel geht, freut mich noch mehr als der viele Ballbesitz", sagte Schalkes Trainer Domenico Tedesco, der eben das - also Initiative und Ballbesitz - vor dem Spiel gefordert hatte und auch deshalb erhielt, weil er in Max Meyer einen ebenso unerwarteten wie überzeugenden Sechser gefunden hat.

Den Sieg perfekt machten die Schalker aber dank eines Aussetzers der Berliner Abwehr. Obwohl ihm Schalkes Stürmer Guido Burgstaller in den Nacken pustete, verspürte Rekik keinerlei Eile, den Ball vor dem Strafraum wieder loszuwerden. Burgstaller spitzelte den Ball zu Innenverteidiger Naldo, der weit in die Hälfte der Berliner aufgerückt war und geistesgegenwärtig schaltete. Er spielte direkt auf Burgstaller zurück, der keine Mühe mehr hatte, Jarstein zu umkurven und zum 2:0-Endstand einzuschieben - und damit einen Sieg zu erzwingen, den selbst alle Berliner als vollauf verdient bezeichneten.

"Wir haben ein gutes Spiel abgeliefert", sagte Tedesco. Manager Heidel ging sogar noch weiter: "Ich habe selten ein Spiel erlebt, in dem die Gast-Mannschaft so von der ersten bis zur 92. Minute dominiert hat", sagte er angesichts von nur zwei Berliner Torschussversuchen, die nicht einmal in die Nähe des gegnerischen Tores erreichten. Auch Herthas Trainer Dardai zollte Anerkennung, gespickt mit einiger Selbstkritik. "Die waren frischer und dynamischer als wir, da muss auch ich nachdenken, was ich in den letzten drei Tagen im Training gemacht habe, was nicht richtig war", sagte der Ungar, dessen Team am kommenden Donnerstag schon wieder antreten muss - beim ukrainischen Erstligisten Sorja Luhansk.

© SZ vom 15.10.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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