Snooker-WM: Stephen Hendry:Das letzte Mal

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Rekord-Weltmeister Stephen Hendry hat die Sportart Snooker grundlegend verändert. Nun tritt er wohl zum letzten Mal bei der Snooker-WM in Sheffield an.

Jürgen Schmieder

Stephen Hendry sah nach oben an die Decke, seine Augen bewegten sich hin und her, als würde er etwas lesen. 9:9 stand es in der Begegnung zwischen ihm und Joe Perry, sein Gegner versuchte gerade, die braune Kugel zu versenken und den entscheidenden Abschnitt für sich zu entscheiden. "Ich habe mir in diesem Moment überlegt, was ich anlässlich meines Rücktritts vom Snooker sagen könnte. Ich hätte nicht gedacht, noch einmal an den Tisch zu dürfen", sagte Hendry nach der Partie.

Vor seiner letzten Partie: Stephen Hendry spielt seine 26. Weltmeisterschaft im Crucible Theatre in Sheffield. (Foto: Getty Images)

Er durfte noch einmal an den Tisch und gewann die Partie, weil Perry eben jene braune Kugel nicht hatte einlochen können. Hendry steht damit im Achtelfinale der Weltmeisterschaft - und seine 26. Teilnahme in Sheffield könnte die letzte sein. "Selbst wenn ich das Turnier gewinnen sollte, muss ich mir genau überlegen, ob ich weitermachen möchte", sagte er.

In den 26 Jahren seiner Karriere hat Hendry die Sportart Snooker derart verändert, wie es nicht einmal Michael Jordan im Basketball gelang. Als er im Jahr 1986 zum ersten Mal an der Weltmeisterschaft teilnahm, da versenkten die Akteure gewöhnlich nur dann Kugeln, wenn sich Spielball und anzuspielende Kugel auf der gleichen Hälfte des Tisches befanden. Die Taschen in der Mitte dienten eher als Dekoration und der Pulk mit den roten Kugeln wurde so spät wie möglich angespielt.

Dann kam plötzlich dieser junge Schotte, versuchte mutig schwierige Stöße - und traf. Dazu wurde es sein Markenzeichen, die blaue Kugel krachend in einer der Mitteltaschen zu versenken und den Spielball mit derart viel Topspin zu versehen, dass der die roten Kugeln auseinander trieb. Auf diese Weise musste er keinen Sicherheitsstoß ausführen, sondern durfte weiter mutig angreifen.

Es war eine spielerische Revolution für die Sportart Snooker, denn von nun an galt: Wer Turniere gewinnen möchte, der muss zum einen lange Bälle versenken und zum anderen auch Kugeln in den Mitteltaschen einlochen. Viele Spieler kamen mit dieser Spielweise nur schwer zurecht, kaum einer konnte gegen Hendry bestehen. Zwischen 1990 und 1999 wurde Hendry sieben Mal Weltmeister und gewann 25 weitere Ranglisten-Turniere.

Er hält zahlreiche Rekorde wie den für die meisten Century Breaks: Es gelang ihm bislang 753 Mal, mehr als 100 Punkte zu erzielen, ohne den Gegner an den Tisch lassen. Zum Vergleich: Der Spieler mit den viertmeisten Century Breaks, Steve Davis, schaffte gerade einmal 321.

Erst im neuen Jahrtausend gelang es vor allem jüngeren Akteuren, Hendrys Stil zu kopieren und zu verbessern. In den vergangenen elf Jahren gewann er nur noch vier Turniere, vor fünf Jahren erreichte der mittlerweile 42-Jährige zuletzt ein Endspiel. "Es ist völlig normal, dass junge Spieler nachkommen und die alten Hasen besiegen - vor 25 Jahren war ich dieser junge Spieler", sagt Hendry.

Nach Niederlagen gratuliert er seinem Gegner stets mit einem Lächeln, mit kleinen Streitereien geht er um, wie es sich für ein Mitglied des Order of the British Empire gehört: Als sein Erzfeind Ronnie O'Sullivan einst forderte, Hendry möge doch bitteschön in sein "trauriges kleines Leben in Schottland" zurückgehen, lud Hendry ihn zum Training nach Schottland ein. Seitdem sind die beiden Freunde und bereiten sich nicht selten gemeinsam auf Turniere vor.

Auch O'Sullivan, dreimaliger Weltmeister und Enfant terrible des Snooker, kokettierte mit Rücktritt und wollte gar seine Teilnahme an der Weltmeisterschaft absagen, um dann in der ersten Runde seinen Gegner Dominic Dale mit 10:2 zu besiegen und danach zu erklären: "Ich liebe diesen Sport, ich genieße es zu spielen. Ich glaube, dass ich noch öfter Weltmeister werden kann."

Hendrys Rücktrittsgedanken dagegen sind ernster zu nehmen, zumal er nach dieser Saison zum ersten Mal seit mehr als 22 Jahren in der Weltrangliste derart weit zurückfallen könnte, dass er sich nur durch Qualifikationsspiele die Teilnahme an der kommenden WM sichern könnte: "Ich habe am Ende dieser Saison eine wichtige Entscheidung zu treffen. Ich muss mein Karriere-Ende in Betracht ziehen."

Von Samstag an muss er nun erst einmal im Achtelfinale antreten, sein Gegner ist voraussichtlich Mark Selby. Der ist einer dieser jungen Spieler, die in den vergangenen Jahren für Aufmerksamkeit gesorgt haben - und gilt in diesem Jahr als einer der Favoriten auf den Titel.

"Wenn es so weit ist, dann ist es eben so weit", sagt Hendry pragmatisch. Er weiß, dass die Partie gegen Selby die letzte seiner Karriere sein könnte. Während des Spiels kann er sich darauf konzentrieren, Kugeln zu versenken. Die Abschiedsrede hat er sich schon beim letzten Match ausgedacht.

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